OÖ. Heimatblätter 1978, 32. Jahrgang, Heft 3/4

kirche gehaltenen Vesper wieder in der Spitals kirche gebetet und die Christenlehre wieder um 12.45 Uhr in der Pfarrkirche abgehalten werden, wobei die Sdauljugend und Lehrjungen einzeln und zusammen geprüft werden sollten. Wie sicher sich die Bürger von Schärding in ih rem Begehren fühlten, geht aus dem Schlußsatz des Schreibens hervor, in dem sie versichern, daß sie sich an den Kaiser wenden würden, wenn der Dechant die erbetenen Andachten nicht einführen sollte. Die Eingabe des Bürgerausschusses wurde an das Kreisamt des Innviertels in Ried weitergeschickt. Dieses verordnete die Vorladung der Bürger vor den Magistrat und sprach ihnen das Recht ab, ohne Einverständnis des Magistrates im Namen der Bürger zu sprechen, weshalb die Schrift als lücht eingereicht zu betrachten sei®. Femer habe der Magistrat die Bürgerschaft zu belehren, „daß es in der Macht des Seelsorgers nicht stehe, von denen bestehenden Verordnungen abzugehen und daß dadurch, daß die Verordnungen in Scheerding vorhero schlecht befolget (welches ein Beweis der Nachlässigkeit des vorigen H. Pfar rers und der sträflichen Unthätigkeit des Magi strats ist) es um so mehr Pflicht des dermaligen H. Dechants seye, die Befolgung der Gesetze genau zu erfüllen, daß eben die ausgezeichneten Verdienste des H. Dechants, welche er auf seiner vorigen Pfarr sich erworben, imd das Bewußtseyn, daß die Unordnungen in Scheerding einen tüchtigen und rechtschaffenen Mann dort braucheten, selben diese Pfarr haben erhalten lassen." Schließlich sollte den Bürgern bedeutet werden, daß nichts gestattet werden könne, was auf un vernünftige Mißbräuche und Aberglauben gründe, und falls sie sich nicht fügen sollten, würde eine Untersuchung eingeleitet werden. Wie gering die Wirkxmg einer solchen Weisung war, schildert der Dechant: Sie wurde den Unter zeichnern der gesetzeswidrigen Eingabe lediglich vorgelesen, von einer Anzeige der Rädelsführer ganz zu schweigen; ja es sei vielmehr ganz offen sichtlich, daß der Magistrat selbst solche un erlaubte Forderxmgen unterstütze und das ge nannte Schreiben in der Stadtkanzlei verfaßt worden sei®. Den eigentlichen Anlaß für eine Anzeige gaben einige Prozessionen, die Mitte Juli 1790 in Schär ding abgehalten wurden. Der Dechant fühlte sich davon so getroffen, daß er Bischof Gall ausführ lich darüber berichtete und um Abhilfe tmd Be strafung der Gesetzesübertreter bat^. Nach sei ner Schilderung gingen am 11. Juli die ledigen Männer und am 13. Juli die ledigen Frauen von der Spitalskirche aus nach Maria Brunnen thal bei Schärding. Am 15. Juli hielt der größte Teil der Bürger eine Prozession nach St. Florian, wobei die Teilnehmer um 7 Uhr früh über den Stadtplatz zogen, ein Kreuz vorantrugen, einige Ratsherrn und der Benefiziat sie begleiteten und in St. Florian der Pfarrer Ignaz Sonnemayr ein feierliches Hochamt mit Trompeten und Pauken und zwei andere Priester eine Messe an den Sei tenaltären hielten. Am 16. Juli war wieder eine Prozession nach Maria Bruimenthal, bei der der Stadtsyndikus und die Schuljugend mitgingen. Am 17. Juli führte der Benefiziat Maller eine Prozession zu den Kapuzinern, an der sich wieder die Schulkinder und auch das Armeninstitut be teiligten. Der Benefiziat Josef Sauer von Neuzeug in Bayern hielt dort ein Hochamt. Der Dechant von Esternberg habe überdies an die Seelsorger seines Sprengeis eine schriftliche Aufforderung zu einer Prozession erlassen. Der Schärdinger Dechant schloß seinen Bericht mit der Feststel lung, daß die Unterlassung jeglicher Bestrafung der Initiatoren üble Folgen haben werde. Der Bischof, selbst von der Notwendigkeit der Reformen überzeugt, leitete die Anzeige an den Regierungspräsidenten Grafen Heinrich von Rot tenhann weiter®. In diesem Schreiben berichtete er außerdem, er habe dem Dechant auf ähnliche ° Schreiben des Kreisamtes an den Magistrat vom 8. 6. 1790. ° Erwähnt im Schreiben an Bischof Gall vom 18. 7. 1790. ' Ebd. — In einem in französischer Sprache gehaltenen Schreiben vom 19. 7. 1790 berichtete der Pfarrer von Suben Josef Sinzinger dem Dechant über den Beschluß der Schärdinger Bürger, erst nach der Anzeige des Dechants eine Beschwerde beim Kaiser einzulegen. Sinzinger gab auch den Rat, die Anzeige so zu formu lieren, daß es den Anschein habe, daß das Kreisamt die Initiative dazu ergriffen hätte. Schreiben vom 17. 7. 1790. ® Schreiben vom 19. 7.1790.

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