OÖ. Heimatblätter 1978, 32. Jahrgang, Heft 3/4

Die Widerstände gegen die gottesdienstlichen Verordnungen Josephs II. in Schärding im Jahre 1790 Von Hans Hollerweger Gegen Ende der Regierungszeit Kaiser Josephs II. (1780—1790) machte sich in verschiedenen Län dern ein deutlicher Widerstand gegen die gottes dienstlichen Reformen bemerkbar. Neben Vor arlberg, wo die Unruhen am stärksten zu spüren waren, Tirol und Südkärnten griff die Unzufrie denheit auch im Innviertel um sich. Sie bezog sich hauptsächlich auf die Abschaffung jener Fröm migkeitsformen, die das religiöse Leben der Ba rockzeit geprägt hatten: die Prozessionen, die Andachten, das Heilige Grab, die Krippe und das religiöse Brauchtum im weiteren Sinn. Die auf geklärten Kreise richteten gegen diese im Volk tief eingewurzelten Gewohnheiten ihre Angriffe und ihren Spott. Durch den Einfluß einer kleinen Führungsschicht wurde die Reform des Gottes dienstes in die Wege geleitet und dem Volk auf gezwungen. Nur die Nichtbeachtung vieler Ge setze hat die intendierte Reinigung der Religion von allen vermeintlichen Nebensächlichkeiten ge mildert und den beabsichtigten radikalen Bruch mit der Vergangenheit verhindert. So lebten viele durch das Gesetz abgeschaffte Bräuche trotz der Verbote weiter, vor allem dort, wo weltliche und geistliche Behörden einer Meinung waren und die Übertretungen bewußt übersehen wolltenL In Schärding am Inn, das erst wenige Jahre zuvor Grenzstadt zum benachbarten Bayern geworden war, war dies anders^. Dort waren der Bürger meister und der Dechant nicht nur leibliche Brü der, sondern auch eines Sinnes: Sie wollten die josephinischen Reformen verordnungsgemäß durchführen®. Dadurch schufen sie nicht bloß Ver hältnisse, die sich von den benachbarten Orten unterschieden, sie zogen sich auch den Unwillen der Bürger zu, die ihren Unmut und ihre Forde rungen in einer schriftlichen Eingabe^ an den Dechant Josef Dosch und den Magistrat vom 4. Juni 1970 zum Ausdruck brachten. Zu diesem Schritt wurden sie ohne Zweifel auch durch die Zurücknahme der gottesdienstlichen Verordnungen in Vorarlberg und Tirol in den Jahren 1789/90, durch die im großen und ganzen unverändert gebliebenen Verhältnisse jenseits des Inns und durch die allgemeine Stimmung un ter dem Volk bewogen, daß nach dem Tode Jo sephs II. die unbeliebten Vorschriften nicht mehr voll in Geltung seien. Durch diese Eingabe wur den die aufgestauten Gegensätze nicht bloß of fenkundig, sie brachten für beide Teile imerwartete und unliebsame Folgen. Der von den Bürgern offensichtlich eigens zu die sem Zweck gewählte Ausschuß von sieben Ver tretern faßte die Wünsche und Beschwerden der Schärdinger in fünf Punkte zusammen: Sie ver langten die festliche Feier der Oktav von Fron leichnam, die durch die Gottesdienstordnung ver boten worden war. Es sollte wie in früheren Zei ten um 7 Uhr früh die Höre (wohl die Terz des Stundengebetes) gesungen und anschließend das Hochamt vor dem ausgesetzten Allerheiligsten gehalten werden, wobei vor dem Evangelium der Hymnus „Nobis natus" und nach dem Evange lium und dem Hochamt der Segen gegeben wer den sollte. Ferner bestanden sie darauf, daß „wie vor undenklichen Jahren" Matutin und Landes mit einem vorausgehenden imd nachfolgenden Segen wieder eingeführt würden. Sie bitten weiter um eine Prozession am Sonntag nach Fronleichnam, die der Bürgermeister zwar zugesagt hätte, die aber nicht verlautbart worden sei. Aus diesen er sten Wünschen geht hervor, daß das bevorste hende Fronleichnamsfest der unmittelbare Anlaß der Beschwerdeschrift war. Die beiden weiteren Punkte betrafen allgemeine Anliegen: Der Ro senkranz sollte am Sonntag nach der in der Pfarr- ^ Zur josephinischen Gottesdienstreform siehe meine Arbeit: Die Reform des Gottesdienstes zur Zeit des Josephinismus in Österreich, Regensburg 1976. ^ Zur Geschichte Sdiärdings: J. Lampredit, Historisch topographische und statistische Beschreibung der k. k. landesfürstl. Gränzstadt Schärding am Inn und ihrer Umgebungen, 2 Bde., Schärding 1887. Von den Vor fällen im Jahre 1790 wird darin nichts erwähnt. Dies dürfte auf das Fehlen entsprechender Akten in den Schärdinger Archiven zurückzuführen sein. Die folgenden archivalischen Angaben beziehen sich auf einen Faszikel im Oö. Landesarchiv, Archiv der Landesregierung 304. ^ Zu Dechant Josef Dosch und seine Ernennung zum Pfarrer in Schärding, vgl. H. Ferihumer, Als Schärding landesfürstliche Pfarre war, in; Die Heimat Nr. 85, Beilage der Rieder Volkszeitung, Jg. 78, Nr 2 v. 12. 1. 1967. Den Hinweis auf diesen Artikel verdanke ich Herrn Stadtpfarrer August Zauner. — Josef Dosch wurde 1789 zum Pfarrer von Schärding ernannt und verließ die Stadt bereits wieder 1792. Er wurde Pfar rer in der St.-Matthias-Pfarre in Linz und zugleich Domkapitular. Er starb 1807. '' Eingabe vom 4. 6. 1790.

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