Paul Peuerl als Orgelbauer in der Welser Stadtpfarrkirche Von Wolfram Tuschner Mit 2 Textbildern Unter den österreichischen Tonsetzern des 17. Jahrhunderts nimmt Paul Peuerl (um 1575 bis etwa 1625) einen hervorragenden Rang ein. An der Schwelle zwischen Renaissance und Barock erwarb er sich durch die Erfindtmg der viersätzigen Variationensuite^ die Achtung der Fachwelt und beeinflußte damit die weitere Entwicklung der Orchestermusik im deutschsprachigen Raum so nachhaltig, daß bereits 1617 Johann Hermann Schein — der fünfte Vorgänger Bachs im Thomaskantorat — mit seinem „Banchetto musicale'' einen geistreichen Beitrag zur weiteren Populari sierung dieses Kompositionstyps leisten konn te^. Daneben widmete sich der vielseitige Mei ster auch der Vokalkomposition^ und trat für die Verbreitung des Generalbaßspieles in unseren Landen ein^; auch die Literatur auf dem Gebiet der Instrumentalkanzone bereicherte er durch zwei fünfstimmige, polyphone Sätze und über traf hier dank seines Geschicks in der Themenfindung und seiner fundierten Technik manche seiner italienischen Vorbilder. Erwähnenswert ist jedoch, daß sein bahnbrechendes Gesamtwerk — dabei sind lediglich die uns überlieferten Kom positionen gemeint — zur Gänze während seines ungefähr 17 Jahre dauernden Aufenthaltes in der oberösterreichischen „Eisenstadt" Steyr ent standen ist, an deren evangelischer Schulkirche er das Organistenamt innehatte®. Eine zweite, nicht minder interessante Seite im Leben des „Orgimachers und bestelten Organi sten Zu Steye/% als der sich Peuerl selbst be zeichnet®, zeigen uns die Daten auf, welche über sein handwerkliches Wirken Aufschluß geben. Der Meister, dessen Fähigkeiten auch im Rah men des Orgelbaues als überdurchschnittlich anzunehmen sind, galt in seinem Fach als erfahrener Experte. Es ist bekannt, daß er vor züglich in der Lage war, einen Auftrag — ange fangen von den Planungsarbeiten bis zur künst lerischen Ausgestaltung des Prospekts — in allen seinen Phasen selbst auszuführen*^. Bis jetzt be kannte Quellen belegen in Österreich drei In strumente, an denen er innerhalb eines Zeit raumes von zehn Jahren (1609 bis 1619) ge arbeitet hat. Peuerls Stationen verteilen sich demgemäß folgendermaßen: 1609: Orgel der Pfarrkirche St. Georg in Horn, Niederösterreich; 1614: Orgel der Steyrer Schulkirche (vormals Dominikanerkirche); 1619 wurde dem Prote stanten schließlich die Ehre zuteil, den Orgelbau auftrag in der Wilheringer Stiftskirche durch führen zu dürfen®. Da Bestellung und Durch führung bereits in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges datieren, muß das dem Handwerker von seinen Auftraggebern entgegengebrachte Ver trauen besonders groß gewesen sein. Offenbar steht Peuerls Berufung nach Steyr 1609 im Zusammenhang mit der im Jahre 1608 plötzlich eintretenden Wendung der politischen Lage zugunsten der oberösterreichischen Prote stanten®. Als Folge des „Bruderzwistes im Hause Habsburg" geriet die gegenreformatorische Be wegung kurzfristig ins Stocken; diese Atem pause nützten die evangelischen Stände klug taktierend aus. Ihre Zusammenkunft im nieder österreichischen Horn brachte ihnen vertraglich eine wesentliche Lockerung der Religionsaus übungsbestimmungen ein^®. Als Vertreter der Steyrer Bürgerschaft nahm Christoph Kirner am Horner Treffen teiP^, während der Welser Rats bürger und nachmalige Bürgermeister Rupert Trinker als Delegierter der landesfürstlichen Städte schlechthin fungierte^®. Zu diesem Zeitpunkt hatte Peuerl noch die Stel lung des Schulorganisten an der Homer Stadt pfarrkirche inne, sollte jedoch alsbald, nach acht- ^ Paul Peuerl, Neue Paduanen, Nürnberg 1611. ^ Hans Sdinoor, Gesdiidite der Musik, Gütersloh 1954, S. 114. ® Paul Peuerl, Weltspiegel, Nürnberg 1613. * Paul Peuerl, Ganz neue Paduanen, Nürnberg 1625. ® Vgl. Denkmäler der Tonkunst in Österreich, Bd. 70, bearb. v. K. Geiringer, Alle Titelblätter zu Peuerls Druckausgaben weisen Steyr als Wohnsitz aus. ® Gerald K. Mittersdiiffthaler, Die Orgeln der Stifts kirche Wilhering, Oö. Heimatblätter, Jg. 28 (1974), Heft 3/4, S. 110. ' Othmar VJessely, Neues zur Lebensgeschichte Paul Peuerls, Jb. Oö. Musealverein, 95. Bd., Linz 1950, S. 301. ® K. Mittersdiiffthaler, a. a. O., S. 109. ® Wessely, a. a. O., S. 299. Erich Zöllner, Geschichte Österreichs, Wien 1966, S. 206. F. X. Pritz, Geschichte der Stadt Steyr, Nachdruck der Ausgabe 1837, Steyr 1965, S. 236. Konrad Meindl, Geschichte der Stadt Wels, 1. Teil, Wels 1878, S. 94. 63
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