OÖ. Heimatblätter 1978, 32. Jahrgang, Heft 1/2

fahrlässiger Verrat mit der Todesstrafe geahndet werden kann. 4. Ich weiß, daß alle Angelegenheiten, die mit der Trans ferierung der Patienten in andere Anstalten zusammen hängen, als Geheime Reichssache anzusehen sind. 5. Ich weiß, daß diese Verpflichtimg auch für die gesamte Zeit nach eventueller Beendigung meines Dienstverhält nisses gilt. Ich habe den Inhalt der vorstehenden Erklärung, nach dem er mir vorher mündlich erläutert worden ist, genau durchgelesen und eigenhändig wie folgt unterschrieben." Aus den „Veränderungsmeldungen''^®, wie sie täglich im KLM angefertigt wurden, läßt sidi heute nur mehr unvollständig die Zahl derjeni gen Menschen feststellen, die nadi Hartheim ge bracht wurden. OPol.-Rat H. Marsalek hat die bisher ermittel ten (rmvollständigen) Zahlen der in Hartheim Vergasten zusammengestellt und kam zu folgen dem Ergebnis^®: aus Mauthausen aus Gusen aus Dadiau zusammen 1941 unvoll-j 646 1132 1156 1942 ständig) 223 510 1355 1943 — — > 3166 3166 1944 2282 698 2980 8657 Wie knapp damals der nadimalige österreidiisdie Bundeskanzler Dr. Alfons Gorbadi dem Tod in Hartheim entgangen ist, beschreibt ein Artikel in der „Arbeiterzeitimg'^ vom Mittwoch, 24. Sep tember 1969®®: Anfang 1940 habe Hartheim für seine Experi mente 300 Häftlinge aus dem KL Dachau ange fordert. In der ausgesonderten Gruppe befand sich auch Dr. Gorbach. Über Einspruch eines Aufsehers wurde er aber wieder aus dieser Gruppe entfernt, weil er wegen seiner schönen Handschrift in der Dachauer Lagerkanzlei wei terhin benötigt wurde. Die Kriegsereignisse des Jahres 1944 machten es auch vielen ideologisch stark verblendeten An gehörigen der NSDAP und der SS klar, daß der Zeitpunkt der Rechenschaft für ihre Maßnahmen unaufhaltsam näherrückte. Im Vertrauen auf die strikte Geheimhaltung aller Vorgänge und auf die Angst der Wissenden sann man nun darauf, alle Zeugnisse und Belege der Mordtaten zu be seitigen. In den Euthanasieanstalten schien ihnen dies am ehesten möglich zu sein. Ein Amerikaner, August E. H. Eweis, ehemali ger Häftling des KLM, stellte der amerikani schen Untersuchungskommission im Mai 1945 über das Schloß Hartheim folgenden Bericht zur Verfügimg®^. „. . . Im November 1944 lagen auf dem Scbreibtlsdi des Bauleiters (SS-Bauleitung KLM) zwei geheime Schrei ben, die ich in einem unbewachten Augenblick lesen konnte. Das eine lautete: ,Privatkanzlei des Führers Die technischen Einrichtungen der Landesanstalt Hart heim sind sofort zu beseitigen. Der alte bauliche Zu stand ist sofort wieder herzustellen. Über den Fortgang der Arbeiten ist zweitägig über den Kommandanten des KLM Bericht zu erstatten. „ , , gez. Bracke Das 2. Dokument war ein Funkspruch über das KL Ora nienburg an das KLM: ,Personenkreis zur Geheimhaltung bei Abbruch Hart heim gering halten!' Darunter stand eine handschriftliche Verfügung des Kommandanten des KLM, SS-Standartenführer Franz Ziereis (mit Kopierstift geschrieben): ,Bewachung erheblich einschränken, nur noch 4 aktive SS-Männer, da die Abbrucharbeiten im geschlossenen Hof durchgeführt werden.' Zum Bauführer wurde SS-Hauptscharführer Wetschy be stellt. Aus einem Gespräch mit Wetschy erfuhr ich, daß in Hartheim Gaskammern und 2 große Krematorien bestanden, eine Anzahl von Zimmern, in denen an scheinend Benzininjektionen durchgeführt wurden und daß außerdem zwei Schuppen voll mit Prothesen vor handen waren. Nach seinen Auslassungen wurden die Einrichtungen von einem SS-Sonderkommando betrie ben. Er selbst äußerte sich, daß er Angst vor diesen fast immer betrunkenen SS-Angehörigen hatte und daß sie sich rühmten, viele Menschen in ihren Öfen lebend verbrannt zu haben. Im übrigen sollen viele Einwohner von Hartheim davon gewußt haben. Russen, Polen, Deutsche, Tschechen und andere gingen diesen grausigen Weg. Mir selbst fällt ein gewisser Gru ber ein. Am Abend habe ich mich mit ihm im Kranken lager noch unterhalten, er war gesund und munter. Am anderen Tag war er schon nach Hartheim gebracht. Er soll angeblich durch eine Differenz mit dem Lager ältesten imd weil er um diese Transporte eine Äußerung gemacht hatte, als völlig gesunder Mensch auf die Trans portliste gekommen sein. Archiv des Museum Mauthausen, Wien, Herbststraße Nr. 57, Ev.-Zl. B 15/Nr. 6. 49 H. Marsalek, a. a. O., S. 124. Archiv d. Museum Mauthausen, Wien, Herbststraße Nr. 57; Ev.Zl. B 15/24-39. Archiv d. Museum Mauthausen, Wien, Herbststraße Nr. 57, Ev.Zl. B 15/17. 58

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2