OÖ. Heimatblätter 1978, 32. Jahrgang, Heft 1/2

des Schlosses war für die Anrainer eine harte Informationsbarriere. Was trotzdem an Einzel heiten aufgenommen wurde, ist durdi Antipathie oder Sympathie zum damaligen System verzerrt oder durch die lange Zeit verblaßt. Als eine gute Gesamtsdiildenmg einer damals be teiligten Person betrachte ich die schriftlich nie dergelegten Aussagen der geistlichen Sr. Feli citas, die aus Alkoven stammt tmd in Hartheim bei der Pflege der Kinder beschäftigt war. Das Original der Niederschrift befindet sich im Besitz der Direktion des Kinderdorfes St. Isidor (Direk tor Georg Erber). „Von 1934 bis zur Auflösung der Anstalt im Sommer 1938 war idi im Schloß Hartheim in der damaligen ,Idiotenanstalt' in der Küche beschäftigt. Immer wieder mußte ich auch bei den Pfleglingen mithelfen, wenn gerade Not war. Wir kochten damals für 200 Pfleglinge, die von 20 Barmherzigen Schwestern mit Hilfskräften betreut wurden. Als die Nazi die Anstalt im Sommer 1938 innerhalb einer Woche auflösten, zog ich mit den Pfleglingen nach Niedernhart. Von dort wurden sie sehr rasch, noch 1938, abtransportiert. Mein Bruder Michael, der damals daheim war, kam sehr schnell zu mir und teilte mir vertraulich mit, daß im Schloß die früheren Pfleglinge verbrannt wurden. Bei meinem Dienst in Niedernhart konnte ich die Abtransporte beobachten. Die ,Begleits(hwestern' waren nur als Schwestern verkleidet, um die Patienten zu täu schen. Die meisten spürten, was kommen würde. Man che knieten sich vor dem Direktor der Anstalt, Dr. Lon auer, nieder und baten ihn mit erhobenen Händen, sie nicht wegzuschicken. Es half ihnen nichts. Renitente Pfleglinge bekamen Spritzen. Die meisten der Pfleg linge waren schon sehr schwach, weil sie auf der dama ligen Abteilung 8 bis zum Skelett abgemagert waren. Die 200 Pfleglinge aus Hartheim waren innerhalb von 2 Wochen abtransportiert. Mein Bruder beschwor mich, ja nichts zu sagen, da den Leuten in Hartheim und Umgebung strengste Strafen angedroht worden waren, wenn sie auch nur ein Wört chen darüber verlieren würden, oder ,etwas gesehen' hätten. Die Leute waren darüber in eigens einberufenen Versammlungen informiert worden ... Immer wieder kamen auch der Gauleiter Eigruber mit Dr. Lonauer sowie anderen Größen des damaligen Regi mes, um Augenzeugen der Menschenvernichtimgen zu sein. Der Maurer Sterrer, früherer Hausmaurer des Schlosses, interessierte sich für die Vorgänge ganz genau und schlich sich deshalb abends in das Schloß. Er konnte beobachten, wie die Transporte ankamen und die Men schen in die Todeskammem getrieben wurden. Es waren drei Verbrennimgsstellen eingerichtet. Eine in der ehemaligen Heizung, eine im ehemaligen Backofen und die dritte und größte im Hof, wo heute noch der Wasserspeier fehlt, der dem Kamin dieser Verbren nungsstelle weichen mußte. Da ich an meinen freien Tagen und im Urlaub daheim in Alkoven neben dem Schloß war, konnte ich die drei sehr großen Autobusse, die zum Menschentransport in das Schloß eingesetzt waren, beobachten. Zuzeiten des Hochbetriebes fuhren sie 3- bis 4mal im Tag, auch in der Nacht. Hochbetrieb war vor allem dann, wenn die deutsche Wehrmacht wieder in ein fremdes Land ein marschiert war. Wenn Hochbetrieb war, hat es Tag und Nacht geraucht. Haarbüschel flogen durch die Kamine auf die Straße. Die Knochenreste wurden auf der Ost seite des Schlosses gelagert und in Tonnenwagen zuerst in die Donau geführt, später auch in die Traun . . . Der Sprache nach waren die männlichen void weiblichen Schergen aus Berlin und Norddeutschland." Auch in Hartheim erwies es sich, daß mit Fort schreiten der Aktion alle durch Vorschriftenbe züglich Behinderung, Rasse oder geographische Räume gesetzten Grenzen überschritten wurden. Darüber schreibt die „Volksstimme'' am 27. 2. 1964 unter dem Titel „Im Mörderschloß Hart heim": „. . . Massenhaft kamen die Opfer nicht nur aus der ,Ostmark', sondern auch aus dem sogenannten ,Altreich', aus Böhmen und Mähren, aus Ungarn und Jugo slawien. Es wurde auch davon gesprochen, daß sich unter den Opfern nicht nur Geisteskranke und Geistes schwache befanden, sondern auch geistig normale Men schen aus Altersheimen, die als ,unnütze Esser' angese hen wurden .. ." War die Tötung vollzogen, bemühte man sich, durch die formelle Vorgangsweise des Verwal tungsapparates gleichsam die Legalität der Insti tution und ihrer Handlimgen zu demonstrieren. Es gibt eine Reihe von Schreiben der Euthanasie anstalt Hartheim, in denen Angehörige vom „plötzlichen und unerwarteten Tod" des Behin derten verständigt imd Dinge aus ihrem Besitz überwiesen werden. Daß man es mit der Rück gabe (besonders bei Juden) nicht immer so genau nahm, beweisen zwei Aussagen von Frauen aus Hartheim. Frau Aloisia Ehrengruber erinnert sich^^, daß jede der jungen Frauen im Schloß, die sich im Garten sehr freizügig aufgeführt hät ten, über mehrere Pelzmäntel verfügte. Frau Maria Achleitner^^ berichtet, daß ein Ar beiter der Gutsverwaltung, der im Obergeschoß Interview mit dem Verf. am 24.12.1974. Interview mit dem Verf. am 24.12.1974. 55

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