OÖ. Heimatblätter 1978, 32. Jahrgang, Heft 1/2

ständen ist audi dieser Punkt als erledigt anzu sehen/' Im Juli 1941 bekam die „Kanzlei des Führers" einen Bericht des Oberlandesgerichtspräsidenten von Frankfurt/M. in die Hand, in dem auf die ungeschickten Benachrichtigtmgsschreiben der Euthanasieanstalt Hartheim an Hinterbliebene hingewiesen wurde. Brack bat sofort um Ab schriften der beanstandeten Schreiben, „damit ich feststellen kann, von welchem Zeitpunkt sie datieren, da gerade in dieser Anstalt vor kurzem ein Wechsel in der Leitung stattgefun den hat. Der bisherige Leiter hat taktisch, das gebe ich zu, teilweise nicht ganz richtig gele gen"^». Auch von Seiten der Kirche gab es harte Pro teste. Als Beispiel hiefür kann die Haltung des Bischofs von Münster, Clemens August Graf von Galen dienen^®. Nachdem er von der Kanzel auf die Tötung der Behinderten hingewiesen hatte, erstattete er am 27. 7. 1941 bei der Staatsanwaltschaft des Lan desgerichtes Münster Anzeige, daß er erfahren habe, daß in wenigen Tagen eine große Anzahl „unproduktiver Volksgenossen" verschickt und vorsätzlich getötet wercien sollten^®. Hitler und die „Kanzlei des Führers" waren sehr bemüht, von den Vorgängen um „T 4" möglichst wenig an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Sie befürchteten, daß die Kriegsanstrengungen dar unter zu leiden drohten. Sie entschlossen sich daher, das Problem im kurzen Weg zu lösen. L. Gruchmann zitiert die Anweisung der „Kanz lei des Führers"^^: „Bei einem gerichtlichen Vorgehen gegen Galen würden die Angelegenheiten, deren Erörterung wir nicht wünschen, z. B. die Durchführung der Euthanasie,... Gegenstand der Gerichtsverhand lung werden und das ist unerwünscht." Es sei daher besser ... „wenn Galen kurzerhand in ein KZ gebracht werden würde". Da jedoch Hitler während des Krieges die Ver schärfung des Kampfes gegen die katholische Kirche vermeiden wollte, entging Galen der Gestapo. Hitler wollte erst nach dem Kriege auf „Heller und Pfennig"^^ mit ihm abrechnen. In einer schwierigen Lage befand sich das Reichsjustizministerium. Einerseits wurden alle Strafanzeigen an diese höchste Instanz weiter geleitet tmd waren nach den gesetzlichen Bestim mungen auch zu verfolgen; andererseits stand aber fest, daß die Tötungsmaßnahmen in der Absicht Hitlers lagen. Staatssekretär Freisler sammelte alle Akten und überwies sie in gewissen Abständen (z. B. 24. Juli 1940, 26. August 1940, 2. und 5. Oktober 1940, 4. März 1941.. an die „Kanzlei des Füh rers", immer mit Hinweisen auf die Schwierig keit in der gesetzlichen Situation; daß sie „zu einer bedenklichen Unsicherheit ihrer Arbeit führten" und „die Maßnahmen über die Besei tigung Lebensunfähiger nicht zur Zuständigkeit der Reichsjustizverwaltung gehörten"^®. Alle diese Proteste tmd der Druck der öffent lichen Meimmg bewirkten wohl, daß sich Hitler entschloß, die Aktion „T 4" abzublasen; nicht deswegen, weil er seine Ansicht geändert hatte, sondern weil es ihm wahrscheinlich zu riskant war, sie tmter den gegebenen Bedingtmgen wei terzuführen. „Dies geschah genau so geheim tmd formlos, wie clie Aktion begonnen hatte, ohne einen schrift lichen Befehl oder eine amtliche Mitteiltmg. Am 24. August 1941 gab Hitler in seinem Haupt quartier Brandt die mündliche Weistmg, die Ak tion ,T 4' zu stoppen tmd Brandt teilte diese Weisung Bouhler telefonisch mit^^." Die Aktion „T 4" wurde im Herbst 1941 tat sächlich eingestellt. Damit war die „Töttmg er wachsener deutscher Geisteskranker arischer Ab stammung" abgeschlossen. Weiterhin blieb aber die „wilde Euthanasie'', d. h. die Töttmg gei18 L. Grudimann, a. a. O., S. 267; zitiert aus dem Schrei ben Bracks an Freisler v. 4. 8. 1941, Nürnberg, Doc. NO-843. 18 L. Gruchmann, a. a. O., S. 261. 28 J. Neuhäusler, Kreuz und Hakenkreuz. Der Kampf des Nationalsozialismus gegen die kath. Kirche und der kirchlidie Widerstand. Teil II, München 1946, S. 366. 21 L. Grudimann, a. a. O.; zitiert aus: H. Pidcer, Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier 1941/42, Bonn 1951, S. 374, Eintragung vom 4. 7.1942, abends. 22 L. Grudimann, a. a. O., S. 265. 23 L. Grudimann, a. a. O., S. 265; zitiert aus: Dok. PS681, Nürnberg. 24 L. Grudimann, a. a. O., S. 278; zitiert nach den Akten d. GStA. Frankfurt/M. zum Ermittlungsverfahren ge gen Heyde und Bohne. Bl. 474/1960. 50

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