OÖ. Heimatblätter 1978, 32. Jahrgang, Heft 1/2

von Frage-(Melde)bogen die Unterlagen für das Programm. 2. Die „Gemeinnützige Stiftung für Anstaltspflege", Sie hatte die finanzielle Basis zu schaffen. 3. Die „Gemeinnützige Krankentransport Ges. m. b. H." Sie sorgte für den Transport der zum „vorverlegten Gnadentod'' Bestimmten in die Durchgangs- und Beobachtungsanstalten imd daim weiter in die Vemichtungsanstalten. Der nächste Schritt war, Ärzte imd Anstaltsleiter zu bestellen, die sich als Nationalsozialisten „be währt" hatten oder der SS angehörten. Aufgabe dieser Ärzte war es, als „Gutachter" über das Leben der mit den Meldebogen erfaßten Behin derten zu entscheiden. Drei voneinander imabhängige Gutachter erhiel ten je eine Fotokopie des Meldebogens eines Pa tienten übermittelt. Die mit dem Erstgutachten versehenen Fotokopien gingen dann weiter an den „Obergutachter". (Prof. Heyde, Professor Nietsche...)® Diese entschieden schließlich, ob ein Patient in eine Beobachtimgsanstalt eingewiesen wurde. Diese Beobachtungsanstalten dienten der SammIxmg der Patienten vor ihrer schubweisen Über führung in die Euthanasieanstalten, erschwerten aber auch die Nachforschungen der Angehörigen. Da die Anstaltsdirektoren über den Charakter der Aktion zu Anfang im unklaren waren, schil derten sie ihre besten, weniger schwer kranken Arbeitskräfte als schwächlich, um sie für die Anstalt zu erhalten, verloren sie aber gerade da durch®. Wenige Wochen nach der Ausfüllxmg der Melde bogen trafen bei den betreffenden Anstalten Benachrichtigxmgen ein, daß aus Gründen „planwirt schaftlicher Maßnahmen des Reichsverteidi gungskommissars eine Reihe von Verlegungen notwendig seien". Als Euthanasie-Vernichtungsstätten wurden ein gerichtet: Hadamar in Hessen (bei Frankfurt a. M.) Hartheim bei Linz Grafeneck in Württemberg (Stuttgart) Brandenburg an der Havel Sonnenstein bei Pirna (b. Dresden) Bernbruck bei Naumburg. Unter die Bezeichnung „ganz besonders be währt" wurden Hadamar imd Hartheim ein gestuft^®. Die Aktion startete am 9. Oktober 1939 mit dem Versand der Meldebogen. Vorerst wollte man alle kriminellen Psychopathen, alle Sicherheitsverwahrten, einschließlich der Homosexuellen, beseitigen. Doch waren dabei vom Anfang auch schon politische Häftlinge, denen vom Gutachter, um sie vor der Todesstrafe zu retten, aus Gefäl ligkeit der § 51 StBG. zugebilligt worden war^L Bald aber lassen sich diagnostische Unterschei dungen nicht mehr feststellen. Der Todeskreisel reißt Menschengruppen in den Vernichtungssog, die nach den Vorschriften nie hätten erfaßt wer den sollen: viele bestens integrierte Insassen von Heil- imd Pflegeanstalten, Kriegsinvalide, zeit weise erkrankte und ältere Menschen mit Ab bauerscheinungen. K. Dörner^® schätzt die Zahl der durch die Aktion „T 4" Getöteten auf 80 bis 100.000. Daß es um die immer wieder beteuerte „wissen schaftliche Genauigkeit" und „kritischste Beurteilxmg" sehr schlecht bestellt war, geht aus dem Schriftwechsel zwischen der Heilanstalt EgelfingHaar (deren Direktor OMR Dr. Pfannmüller war Mitglied des Gutachterausschusses) und dem Obergutachter Heyde (Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten,Berlin, W 9) hervor. Dr. Pfannmüller erledigte in der Zeit zwischen dem 14. November 1940 tmd dem 1. Dezember 1940 2109 (!) Gutachten^®. Die Angehörigen hatten keine Möglichkeit, hel fend einzugreifen. Bis sie sich durch die verschie denen Anstalten durchgefragt hatten, war die Tötung schon vollzogen. Nach Abschluß des „Fal les" bekamen sie einen Brief mit folgendem (gleichgeschaltetem) Inhalt^^: „Sehr geehrte ... Es tut uns sehr leid, Ihnen mitteilen zu müssen, daß Ihre Tochter . . ., die am . . . im Rahmen von Maß- ® Mitsdierlidi-Mielke, a. a. O., S. 185. ® Klaus Dömer, Nationalsozialismus und Lebensvemiditung, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 15. Jg. (1967), 2. Heft. 10 „Volksstimme" vom 21. 2. 1964, „Mörderschule Hart heim bei Linz". 11 K. Dörner, a. a. O., S. 144. 12 K. Dörner, a. a. O., S. 144. 12 Mitscherlich-Mielke, a. a. O., S. 193. 1^ Mitsdterlidt-Mielke, a. a. O., S. 195. 48

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