OÖ. Heimatblätter 1978, 32. Jahrgang, Heft 1/2

Auffällig ist auch, daß Rote Kreuze immer nur an Wegen stehen, und zwar nicht an beliebigen Stellen, sondern nur an Kreuzwegen, an Wegabzweigimgen, an Wegscheiteln und manchmal auch dort, wo in der Nähe eine Wasserstelle ist. Dies wiederum läßt darauf schließen, daß diese Kreuze auch als Wegmale errichtet worden sein könnten. Wann mm bestand dafür Bedarf? Möglicherweise in der Zeit, wo unsere Vorfah ren noch ein Nomadenleben führen mußten und für ihre Viehzucht am Wiederfinden guter, wie der grün gewordener Weideplätze interessiert waren. Solche Steige und Pfade konnten durch Steinmandl oder Steinpfähle oder auch Holz pfähle gekennzeichnet worden sein^^. Diese Wegemale könnten möglicherweise auch durch naturfremde Farben besser sichtbar gemacht wor den sein, wozu Ockererde für Rot, gebrannter Kalk für Weiß xmd mit Abfallfett vermengter Ruß für Schwarz gedient haben könnte. Frau Berta Runge bringt auch zu dieser Frage bemerkenswerte Gedanken. Sie geht davon aus, daß der Ausdruck „Rot" der älteste germanische Ausdruck für Farbe überhaupt ist. Rot und die Nichtfarben Weiß und Schwarz hatten geheim nisvolle Bedeutung. Offenbar hat sich schon in der Frühzeit eine Farbsymbolik entwickelt, die auf psychologische Effekte zielte. Rot scheint jedenfalls von Anfang an mit Fruchtbarkeit imd mit Totenritualen verbunden gewesen zu sein^^. Frau Runge meint mm, es könnte möglich gewe sen sein, daß die Male, an denen Tiere geopfert wurden, je nach der Farbe der Opfertiere von der Bevölkerimg rote, weiße oder sdiwarze Male genannt wurden. Jakob Grimm schildert in sei ner Mythologie auch, daß es nächst dem Ge schlecht der Opfertiere auch an der Farbe gele gen war tmd daß vor allem die weiße Farbe die günstigste war. Schon bei den Persern war von weißen Rossen vielfach die Rede. Die Votjaren opferten einen roten, die Tscherkessen einen weißen Hengst. Der Wassergeist erheischte ein schwarzes Lamm. Ein schwarzer Ochse und eine weiße Kuh durften nicht im Stall geschlachtet werden. Der Aschacher Heimatforscher Hiermann be richtete, daß die Übergabe von Malefizpersonen an das Landgericht stets formal an den Burg friedgrenzen erfolgte, und zwar an den Stellen, wo Rote Kreuze standen^^. Diese Beziehimg der Roten Kreuze zum Gericht wird noch untermau ert, weil Rot noch im Mittelalter die Farbe des Rechtes war. Die Höfe der Femeschöffen hießen Rothöfe. Der Scharfrichter trug einen roten Man tel. Seine Arbeit war blutig, und die Farbe des Blutes ist rot. Vermutlich wird in allen Deutungen ein Körn chen Wahrheit stecken, und es dürfte der Mühe wert sein, diese Körnchen herauszufinden, da es sich bei den Roten und andersfarbigen Kreuzen um ein volkskundlich wichtiges und bisher zu wenig beachtetes Phänomen handelt. Vielleicht hat auch die geographische Lage dieser farbigen Kultmale ein Wörtchen mitzureden, weil die so unterschiedliche Anzahl doch zu denken gibt: Niederösterreich und Wien 195 Steiermark 51 Oberösterreich 39 Burgenland 21 Tirol 3 Kärnten 2 Salzburg 1 Vorarlberg 0 Vorgenannte Ziffern lassen den Schluß zu: Je gebirgiger das Land, desto weniger Farbkreuze, aber umso mehr Wetterkreuze, bzw. je mehr Weideland, desto mehr Farbkreuze. Die Wetter kreuze, die nicht nur mit zwei oder auch drei Querbalken ausgestattet sind, weisen auch die germanischen Wettersymbole auf, nämlich Speer und Hammer, was auf eine frühe Entstehungs zeit deutet, da der Wettergott Thor mit Speer und Hammer, den Symbolen für Blitz und Don ner, dargestellt wurde^®. Eine weitere merkwürdige Auffälligkeit besteht darin, daß die Roten und sonstigen, andersfar bigen Kreuze zum Teil mit den Wetterkreuzen, zum Teil mit christianisierten Kultstätten wie Kapellen, Kirchen, Wallfahrtsorten, Kalvarien- ^ Fester Ridiard, Protokolle der Steinzeit, München - Berlin 1974, S. 303. Runge Berta, Irdning, Studie über „Rot'' am 9. 3. 1975, S. 4. 2® TOpitz Alois, Wien, Bericht vom 29. 5.1976. 2® Wie Anm. 12, S. 79. 44

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2