OÖ. Heimatblätter 1978, 32. Jahrgang, Heft 1/2

Das Geheimnis der „Roten Kreuze' Von Ernst Pietz Ein einsames Kreuz in der freien Natur oder im Wald stimmt den aufmerksamen Wanderer irgendwie nachdenklich, und das umso mehr, wenn das Kreuz rot gefärbt ist, als wollte es auf sich aufmerksam machen. Vielleicht ist auch etwas Besonderes an diesen Kreuzen? Derzeit sind in unserem Bundeslande Oberösterreich bekannt: 23 Rote Kreuze 3 Rote Kreuzkapellen 1 Rote Kreuz Säule 1 Roter Herrgott 2 Rote Marter 4 Weiße Kreuze 1 Weiße Marter 1 Schwarze Marter 1 Blaues Kreuz 1 Gelbes Kreuz 1 Grünes Kreuz Jedenfalls überwiegt die rote Farbe, zumindest dem Namen nach, weil nicht jedes „Rote" Kreuz auch wirklich rot gefärbt ist. Das gleiche gilt auch von den anderen Farben. Es scheint doch eine Art Geheimnis über diesen farbigen Kultmalen zu schweben. Und es ge lüstet, den Schleier zu lüften, zumindest es zu versuchen. Was berichtet beispielsweise der Volksmtmd über die Roten Kreuze? Beim Roten Kreuz im Walde vor St. Wolfgang am Stein im Mühlviertel nahm man Abschied, wenn man für längere Zeit aus dem Heimatorte weg mußte, um wieder gesund nach Hause zu kommen^. Beim Roten Marterl östlich des Hirschensteins im Mühlviertel soll es einen blutigen Schuß wechsel mit Schmugglern gegeben haben^. Beim Roten Kreuz in Amesschlag, jetzt „Berg michelkreuz" genannt, soll ein Mann vom Berg michel einen Buben, der zwei Tauben gestohlen hatte, erschlagen haben. Nach einer anderen Mei nimg soll das Kreuz an die Pest eriimern^. Das größte Rote Kreuz dürfte das Kreuz zwi schen dem Dorf Zulissen und der böhmischen Grenze an einer Wegabzweigung mit seinen fünf Metern Höhe sein. Leider ist das Querholz be reits vermorscht. Der Sage nach liegen hier preu ßische Krieger begraben^. Das steinerne Mal am Ufer der Donau zwischen den Stromkilometern 64 und 65 ist durch ein Rotes Kreuz vor imd nach dem Mal gekennzeich net. Beim Vorbeifahren an den Kreuzen ver mieden die Schiffsleute seinerzeit das Fluchen. Landeinwärts des Males im Walde sind Wälle®. Beim Roten Kreuz am Südende des Dorfes Rufling bei Linz wurden Verträge und Tauschge schäfte der Bauern durch Handschlag so gültig gemacht, als wären sie bei einem Notar abge schlossen worden®. Bei der Rote-Kreuz-Kapelle bei Aspach im Innviertel wurde der Sage nach die vom Gründl berg herabbrausende Wilde Jagd aufgehalten. In einer Seitennische dieser Kapelle steht eine phallusartige Steinsäule, die einer heidnischen Fruchtbarkeitsgöttin geweiht gewesen sein soll tmd zu der die Frauen aus der Umgebung um Nachkommenschaft wallfahrteten"^. Übrigens wurde diese auch als Feststein verehrt. Die Rote-Kreuz-Säule im Herrenholz bei Hötzing im Innviertel auf Kote 578 steht nach der Sage auf einem Platz, wo französische Soldaten mit ihren Waffen begraben liegen®. Vor mehr als himdert Jahren hat ein Jägersmann am Hengstpaß an der Grenze gegen Steiermark eine Kapelle an der Stelle eines Roten Kreuzes direkt über einer heilbringenden Quelle errich tet®. Die in dieser Kapelle aufgehängten Votivbilder erinnern an wunderbare Heilxmgen von Erblindeten oder sogar von blind Geborenen. Und nach der Sage brach ein todkranker Ritters mann bei seiner Rückkehr vom Kreuzzug gerade an dieser Stelle zusammen. Er konnte aber noch beobachten, wie eine dem Verenden nahe Maus zu dem Wasser kroch, sich daran labte und dann mtmter in ihr Loch zurücksprang. Ntm schleppte sich auch der Ritter mit letzter Kraft zur Quelle, trank von dem Wasser, wusch seine Wunden ^ Fietz Ernst, Erhebung am 1.10.1934. ^ Lehner Werner, Bericht vom 1. 6.1976. ® Wie Anm. 2. * Ebenda. ® Fietz Emst, Von alten Kultmalen in Oberösterreidi, im Eigenverlag, Linz 1974, S. 28. ® Fietz Ernst, Erhebung am 16. 9.1958. ^ Runge Berta, Irdning, Bericht vom 22. 5.1975. ® Wie Anm. 7. — Vgl. auch Graus grub er - Assmann: Kapellen, Bildstöcke und Kreuze im östlichen Haus ruck; Oö. Heimatblätter, 27. Jg. (1973), S. 60. » Wie Anm. 5, S. 53. 38

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