OÖ. Heimatblätter 1978, 32. Jahrgang, Heft 1/2

Tagen die Unterlage. Finnland und Schweden bleiben nicht zurück. In Tanum gibt es unter den vielen Felszeichnungen eine rechtsläufige Spi rale neben einem von Ochsen gezogenen Pflug. Die bronzezeitliche Spirale macht den Wunsch nach Fruchtbarkeit deutlich. Diese Symbolik lebt weiter in den Bildsteinen, die man in den Museen von Visby und Stockholm antreffen kann. In Irland begegnet man den berühmten Grab kreuzen, in deren Mitte Christus steht mit dem Kreuz in seiner Rechten und in der Linken die Doppelspirale. Zum Thema der „Trojaburgen'' hat auch die Sitte Bezug, Äcker in Spiralform anzulegen, wie dies noch heute von den afrikanischen Dogan geübt wird. In Südtirol, insbesondere im Vintschgau, gab es Gebiete mit dem sogenann ten „Radmähen''®, das in Form von Spiralen, Kreuzen oder Sternen erfolgte. Man erhoffte sich davon größere Fruchtbarkeit. Anläßlich eines Truppentransportes in Rußland konnte ich einen alten Russen mit roter Bluse sehen, der ein Korn feld aus der Mitte heraus mähte. Dieser Brauch soll in der Ukraine weit verbreitet gewesen sein. Spiralmuster treffen wir auch in der Auszier unserer Lederranzen®, in Rüstbaumschnitzereien unserer Bauernhäuser u. a. an. Ein Gitter in Klosterneuburg bringt nicht weniger als 50 Spi ralmuster in großartiger Auszier. Hier laufen die altheiligen Muster und Vorstellungen bis in die Zeit des Jugendstils. Je mehr die kreisende Linie anwächst, desto mehr wächst ihre Bedeutung. Die organische Fruchtbarkeit unter dem Zeichen der Sonne als Beherrscherin des Jahreslaufes. Im Zusammen hang mit den Tänzen erfährt die Spirale eine großartige Erweiterung. Kehren wir wieder zu Theseus zurück. Er hat den Minotaurus getötet, die mondverbundene Ariadne hat ihm die Rückkehr ermöglicht. Die befreite Jugend Athens tanzte in Labyrinthen einen Spiraltanz. Auf der Insel Delos hielten die Tänzer den „Faden der Ariadne" in ihren Händen. (Die Rechnung über den Erwerb der Fackeln und des Seiles hat sich erhalten.) Nacht tänze sind von der Molukkeninsel Ceram, Mond tänze auf Neuirland bekannt. Den Kranichtanz sah ich mitten in Athen von Soldaten getanzt, ebenfalls auf der Insel Korfu. Noch heute halten sie sich dabei an Tüchern fest. Ein Mädchen bil det oftmals den tänzerischen Mittelpunkt, so z. B. in Finnland. K. V. Kerenyi führt uns weiter, wenn er sagt: „Uralt und weltweit ist die Form des Spiraltan zes als Bild der Unterweltfahrt"^. In Rußland ist die Herrin des Spiraltanzes „Mutter Erde", denn der Flug ist die zweite Möglichkeit, aus dem Totenbereich zurückzukehren. Hier löste der „Flug der Ente" den „Faden" ab. Man tanzt in die Spirale (bei uns ins Haus) hinein, und nach der Umdrehimg (zunächst nach links in die Rich tung des Todes) wird in die Richtung der Geburt getanzt. Alles in einem geradezu rasenden Tem po; das gab dem „Schleunigen" auch seinen Na men. Auch in den Schwerttänzen erinnern noch einige Formen daran. Wie weit sich der englische Geweihtanz mit unserem Schleunigen berührt, kann ich nicht sagen; fest steht, daß er im Freien stattfindet. Den „Moriskentanz" kennt man vom Münchener Stadtmuseum. Zweifellos ist hier auch eine weibliche Figur die zentrale, wohl als Venus. Einer meiner Studenten, der den Schleu nigen in seiner Heimat getanzt hatte, war noch bei der Erzählung davon überaus erregt. Otfried Kas tner ® Hans Fink: Verzaubertes Land. Volkskult und Ahnen brauch in Südtirol, Innsbruck 1973, S. 216. ® Otfried Kastner: Ranzen, Gürtel, Federkiel. Alte volks tümliche Fleditkunst, Linz 1974. ' Karl V. Kerenyi: Auf Spuren des Mythos, MünchenWien 1967. 113

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