OÖ. Heimatblätter 1978, 32. Jahrgang, Heft 1/2

Sammlern (oft in Form von Bausteinen), der für die örtliche Feuerwehr, für die Schule oder für die Armenkasse zweckgewidmet war. Die Sammler sddossen sich zu Interessenverbän den zusammen und gaben eigene Fachzeitschrif ten heraus. In Oberösterreich gab es solche Ver einigungen in Linz, Steyr, St. Georgen im Atter gau und in Pfarrkirchen bei Bad Hall, einschlä gige Zeitschriften erschienen in Wels („Export blatt für Briefmarken und Notgeld'') und in Mauerkirchen („Nora, illustrierte Zeitschrift für Saihmelwesen und Weltverkehr"). Ausstellun gen wurden veranstaltet, in denen wohl Notgel der aus verschiedenen Zeitepochen gezeigt wur den, die zeitgenössischen Ausgaben überwogen jedoch bei weitem. Nachdem die Ausstellungen in Krems wad Salzburg Erfolg hatten, veranstal tete die Linzer Notgeldsammler-Tauschvereinigtmg im September eine Ausstellung in Linz, die im Glassalon des Paradiesgartens in der Römer straße Platz fand^^. Naturgemäß beschäftigte sich auch die Jugend mit dem Notgeldsammeln. Dies wird wohl zu Unzukömmlichkeiten in den Schulen geführt ha ben, denn die Schuldirektionen erhielten schließ lich die Weisimg, diesen „Unfug" in den Schulen nicht mehr zu dulden^®. Auch an den Bahnhöfen — vor allem in Linz und Wels — kam es zu Reibereien, weil die durchfahrenden EntenteZüge von Notgeldhändlern förmlich belagert wurden^®. In den Tageszeitungen läßt sich genau verfolgen, wie sich die kritischen Stimmen meh ren und der „Notgeldrummel" in immer heftiger werdenden Artikeln angeprangert wird^^. Inzwischen griffen die zustäncligen Behörden ein und drohten für unbefugtes Herausgeben von Notgeld schwere Strafen an. Auch das Finanz ministerium ließ bereits am 28. August 1920 verlauten, daß keine weiteren Bewilligungen zur Ausgabe von Notgeld erteilt werden; zur Behe bung eines allenfalls noch herrschenden Klein geldmangels sei ausschließlich das Landesnotgeld zu verwenden^®. Ungeachtet dieser Verfügung kamen im August und September noch viele wei tere Notgelder heraus, so daß das Ausgabe verbot wiederholt werden mußte^®. Schließlich, im Spätherbst, ging die Notgeldflut zurück, und zwar so rasch, wie sie im Frühjahr plötzlich anschwoll. Seine Funktion als Kleingeld ersatz hat das Notgeld um diese Zeit bereits weitgehend verloren, weil die Preise inzwischen auf ein Vielfaches angestiegen sind®®. In Oberösterreich wurde das noch umlaufende Notgeld bis zum Sommer 1921 eingelöst. Das Landesnotgeld verblieb vorerst noch im Umlauf, verlor aber am 1. Oktober 1921 ebenfalls seine Gültigkeit. Bis Jahresende war die gesamte Not geldaktion beendet. So verschwand dieses interessante zeitgeschicht liche Phänomen fast spurlos imd es blieb nur eine größere Zahl von Notgeldsammlungen, die halb vergessen in irgendeinem Winkel ruhten. Erst infolge der in letzter Zeit spürbar wachsenden Tendenz, sich mehr auf die Werte imserer Ver gangenheit zu besinnen, wird auch dem Notgeld mehr Beachtung geschenkt und ihm wieder jener Platz eingeräumt, der ihm im Rahmen der Ge schichte unseres Vaterlandes zusteht®^. 24 Tages-Post vom 17. 6., 3. 9., 13. 9. und 18. 9. 1920; Tagblatt vom 18. 7. bzw. 2. 9. 1920. Der Reinertrag dieser Ausstellung floß der Freien Vereinigung der Mütter und Frauen von Kriegsgefangenen in Sibirien zu. 2® AStL, Stadtsdiulrat-Protokoll 1920, Nr. 1599; Tages post vom 7. 9.1920. 2® Tages-Post vom 5. bzw. 10. 5. 1920; Tagblatt vom 6. 6. 1920. 2' Zum Beispiel Tages-Post vom 1. 5., 5. 5., 26. 5., 13. 8., 1. 9., 6. 9., 7. 9. und 21. 9.1920. 2® OÖLA, Oö. Landesaussdiuß, Fase. 1133; Verordnung der oö. Landesregierung, Z. 13666, vom 2. 9.1920. 2® Verordnung der oö. Landesregierung, Z. 17241, vom 8.11.1920. 2® Nachfolgende Tabelle zeigt das Ansteigen der Preise. Die Angaben wurden den Landesgesetz- und Ver ordnungsblättern für Oberösterreich entnommen: Juli Anfang Anfang Anfang 1919 1920 1921 1922 Eier —.24 —.50 2.— 45.— Brot zu 980 g 1.64 ? 3.56 46.— Brot zu 1260 g 2.06 4.08 4.60 60.— Milch ab Hof pro 1 —.60 1.20 3.— 22.— Bier, V2-1-Flasche ? 3.80 9.50 *18.— Kälber, lebend, pro kg 4.— 12.50 36.— ? Rinder, lebend, pro kg 5.50 14.50 26.— ? Butter pro kg 10.— 17.40 80,— 710.— Tagesgebühren: Allgem. Krankenhaus 6.— 10.— 65.— 1000.— Frauenklinik 5.— 9.— 60.— 1000.— * Mitte 1921 2^ Ein Katalog des Notgeldes kam 1971 heraus (siehe Anm. 18), und in letzter Zeit wurden Notgeldausstel lungen veranstaltet, wie etwa in einer Urfahrer Buch handlung und in einem Gmundner Geldinstitut. III

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