anweisung des Deutschösterreichischen Staats amtes für Finanzen (so hieß das Finanzministe rium damals) vom 21. 11. 1918 heran, in der geregelt war, unter welchen Bedingimgen öffent liche Körperschaften, Unternehmungen oder an dere Institutionen im Falle eines Notstandes im Zahlungsverkehr sogenannte „Geldersatzzei chen" herausgeben konnten^. Man befürchtete wohl, daß als Folge des verlorenen Krieges tmd des Zerfalls der Donaumonarchie in bestimmten Gebieten ein plötzlicher Mangel an Zahlimgsmitteln auftreten köiinte tmd wollte für diesen Fall gewappnet sein. Tatsächlich wurde im Laufe des Jahres 1919 das Kleingeld immer knapper, besonders die 10- tmd 20-Heller-Münzen verschwanden nahezu völlig aus dem Verkehr. Die in der Zeit von 1914 bis 1918 eingeschränkte Prägtmg von Scheidemün zen wirkte sich natiurgemäß auch jetzt noch aus. Dazu kam, daß der Wert der österreichischen Krone immer mehr sank, wogegen die Währun gen der Nachbarstaaten — Deutschland ausge nommen — wesentlich stabiler blieben. Da die österreichischen Scheidemünzen in der ersten Zeit nach dem Weltkrieg vorerst auch in den Nach folgestaaten ihre Gültigkeit behielten, hatten sie dort wegen des vorhandenen Wertgefälles einen höheren Wert. Die Folge davon war, daß sie im zunehmenden Maße ins Ausland flössen, in der Hauptsache jedoch nach Südtirol. Auch dort waren neben der italienischen Lira die österreichischen Scheidemünzen noch im Umlauf. Weil nun die Demarkationslinie zwischen Nordund Südtirol wesentlich leichter zu überschreiten war als die Grenze zu anderen Nachbarstaaten, hatte sich gerade dort ein schwimghafter Klein geldschmuggel entwickelt. Wurden nämlich öster reichische Scheidemünzen in Südtirol in Lire ein gewechselt (der Umtausch erfolgte im Verhältnis 1:1), erzielte man beim Rücktausch der auf diese Art erworbenen Lire in österreichisches Papier geld hohe Gewinne. Das Wertgefälle von Krone zu Lira vergrößerte sich zudem immer mehr: Während man im Juni 1919 für eine Lira 3.80 Kronen bekam, erhielt man im August bereits 4.60 Kronen, im September sechs Kronen und im November desselben Jahres mehr als neun Kro nen^! Es ist daher nicht verwxmderlich, daß die Zeitungen gehäuft Meldungen über ertappte Kleingeldschmuggler bringen^. Eine davon soll als Beispiel herausgegriffen werden®: Wohin die 20'Heller-Stücke kommen Vor einigen Tagen wurde im Bahnhofe Jenhach ein Mann angehalten, der ein auffallend schwe res Kistchen trug. Der Inhalt stellte sich als 30 Kilo 20-Heller-Stücke heraus. Der Betreffende gab auch ohne weiteres zu, daß er das Geld nach Italien schmuggeln wollte. Er wurde der Bezirks hauptmannschaft Schwaz vorgeführt. Anfang Oktober war man genötigt, die Ausfuhr von Scheidemünzen radikal einzuschränken und nur bis zu einem Gesamtwert von zwei Kronen zu gestatten®. Die Schmuggeltätigkeit wird durch diese Verfügung wohl kaum entscheidend beein flußt worden sein. Naturgemäß trat der Kleingeldmangel zuerst in Tirol auf, am gravierendsten aber in Innsbruck. Hier Abhilfe zu schaffen, war vorerst nicht schwer. Die Stadt Innsbruck hatte nämlich, um für alle Fälle vorbereitet zu sein, bereits im De zember 1918 ein Notgeld in Werten von 10 und 20 Heller sowie 1, 2, 5 und 10 Kronen herstellen lassen. Von dieser Emission wurden nimmehr die 10- und 20-Heller-Scheine in Umlauf gebracht. ^ Vollzugsanweisung des Deutsdiösterreidiisdien Staats amtes für Finanzen vom 21. 11. 1918, betreffend die Ausgabe von Geldersatzzeidien, kundgemadit im Staatsgesetzblatt für den Staat Deutsdiösterreidi, Jahr gang 1918, 8. Stüde, ausgegeben am 26. 11. 1918 (siehe Textbild). ® Abrechnungskurse für die italienische Lira der Deutschösterreichischen Zentralstelle für den Zahlungs verkehr mit dem Ausland in Wien in der zweiten Jahreshälfte 1919. Der Kurs versteht sich für 100 Lire: 2. 6. K 310.— 15. 9. K 600.— 16.6. K 380.— 1.10. K 625.— 1.7. K 380.— 15.10. K 1030.— 15. 7. K 405.— 3.11. K 960.— 1.8. K 445.— 14.11. K 910.— 16.8. K 460.— 1.12. K 1080.— 1.9. K 460.— 15.12. K 1200.— ^ Zum Beispiel Linzer Volksblatt vom 18. 9. 1919, 7. 10. 1919 und 14. 10. 1919; Tages-Post vom 27. 8. 1919 und 4.10. 1919. ® Linzer Volksblatt vom 13. 9.1919. ® Vollzugsanweisung des Staatsamtes für Handel und Gewerbe, veröffentlicht in der Wiener Zeitung vom 3. 10.1919. 104
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2