OÖ. Heimatblätter 1978, 32. Jahrgang, Heft 1/2

fallen seien, denn keine Regierung kann heut zu Tage mehr bestehen ohne der unterstützenden Kraft der freien Grundbesitzer, und sie hat sich selbst den Le bensnerv abgeschnitten, wenn sie nicht die Interessen derselben sorgsam bewacht und beschützt." Diese Resolution ist zu einem Zeitpunkt be schlossen und in Druck gegeben worden, wo zwar die Stadt Wien von den Truppen des Für sten Windischgrätz bereits besetzt und die neue Revolution niedergeschlagen war, aber anderer seits der Reichstag, der in Kremsier tagte, noch intakt war, also zu einer Zeit, in der man be hördlicherseits alles vermied bzw. alles verbot imd unterdrückte, was Ruhe und Ordnung ge fährden könnte. So wurde auch diese Resolution am 27. Februar 1849 beschlagnahmt, um deren Verbreitxmg in Oberösterreich zu verhindern. Am 7. März 1849 ließ der jimge Kaiser Franz Joseph gegen alle früheren Versprechungen den freigewählten Reichstag in Kremsier gewaltsam auflösen. Grenadiere imter dem Befehl des Gra fen Huyn verwehrten den Abgeordneten den Eintritt in den Sitzimgssaal. Kudlich gelang noch am selben Tag seine Flucht aus Österreich. Die konstitutionelle Verfassung und das Wahl recht wurden aufgehoben und außer Kraft ge setzt. So herrschte nun wieder — wie vor 1848 — ein neuer Absolutismus. F. Kern schreibt in sei ner Geschichte des Oberösterreichischen Bauern bundes, „daß dem jungen, unerfahrenen Kaiser Franz Joseph gute Ratgeber fehlten und er be stimmt nicht gut beraten war''. Der Verfassungsentwurf des Kremsierer Reichs tages, der die Monarchie von Grund auf um gestaltet hätte, wurde vom Kaiser nicht sank tioniert, aber seine Gedanken blieben nach wie vor lebendig. Damit wurden aber die Lösung der Verfassungsfrage und die Neukonstituierimg des Staats Wesens um viele Jahre verzögert und ver hindert, daß Österreich damals der modernste Staat Europas wurde (H. Hantsch). Kaiser Franz Joseph regierte bis zum Jahre 1861 absolut, das heißt ohne Hinzuziehung von Volks vertretern. Sämtliche liberalen Verfassungsge setze, wie Mitbestimmung und Wahlrecht, Pres sefreiheit imd dergleichen, wurden wiederum außer Kraft gesetzt. Das Gesetz über die Bau ernbefreiung von Zehent imd Robot und der Untertänigkeitsbefreiung getraute man sich aller dings nicht mehr rückgängig zu machen. Die Be freiung der Bauern blieb also aufrecht. Das lag wohl an der Proklamation von Kaiser Ferdinand, in der die Aufrechterhaltung des Bau ernbefreiungsgesetzes feierlich bestätigt wurde. Und diese Proklamation mag nicht zuletzt eine Folge der von Kudlich gestarteten LandsturmWerbung gewesen sein, die positiver war, als es sich Kudlich selbst damals und 25 Jahre spä ter in seinen „Erinnerungen" eingestanden hat. Daß die liberal-demokratische Volksbewegung des Jahres 1848 an der Konterrevolution des Herrscherhauses scheiterte und manche beabsich tigten Reformen erst 1861 und noch später einer Verwirklichung zugeführt werden konnten, ist und bleibt eine Tragik, die in den seinerzeitigen Machtverhältnissen begründet war. Dem Bürger tum und den Bauern die Schuld an der Nieder lage der Revolution von 1848 zuzuschreiben, wie es R. Rosdolsky in seinen „Materialien der Arbeiterbewegung" tut, erscheint mehr als zwei felhaft. Hat doch auch in Ungarn, wo die ganze Bevölkerung einschließlich der ungarischen Ar mee in offenem Aufruhr gegen das Kaiserhaus stand, die Reaktion den Sieg davongetragen. Über die oberösterreichischen Reichstagsabgeord neten der Jahre 1848/49 ist Kudlich in seinen „Erinnerungen" voll des Lobes, da sie seine libe ralen Bestrebungen immer und überall voll unter stützt hätten. Wesentlich schlechter urteilt er jedoch über die späteren (1872) bäuerlichen Ab geordneten, die er auf Seiten ihrer früheren Geg ner wähnte. Quellenangabe: Ardiiv der Herrsdiaft Gschwendt/Neuhofen. Ardiiv des Stiftes Kremsmünster. Blum, Hans: Vorkämpfer der deutschen Einheit, Berlin 1899. Grüll, Georg: Die Robot in Oberösterreidi (= Forsch. z. Gesch. Oö., 1), 1952. Kern, Felix: Oberösterreichischer Bauernbund, Ried i. I. 1953. Hantsch, Hugo: Die Geschichte Österreichs, Graz 1968. Kudlich, Hans: Rückblicke und Erinnerungen, 3 Bde., Wien — Leipzig 1873; Nachdruck 1924. Kudlich, Hans: Die deutsche Revolution des Jahres 1848. Vortrag. Verlag des Deutschen Gesellig-Wissenschaft lichen Vereins von New York 1898. Linzer Zeitung vom 3. April 1848. Marktarchiv von Neuhofen. 101

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