OÖ. Heimatblätter 1978, 32. Jahrgang, Heft 1/2

2. Die oberste Gewalt, die bisher der Kaiser ganz allein in Anspruch nahm, soll in Hinkunft vom Volk ausgehen und vom Reichstag ausgeübt werden. 3. Die Provinzialstände haben die Angelegenheiten der Provinzen zu besorgen. Hiezu gehören Straßen, Schulen usw. 4. Den Genannten ist Selbständigkeit und Selbstver waltung zuzubilligen. 5. Da die Güter der Kirche und der Klöster den Geist lichen zur Erreichimg des ewigen Seelenheiles sehr hinderlich sind, so sollen sie eingezogen und zur Tilgung der Staatsschuld, zu Unterrichtszwecken und für die Armen verwendet werden. 6. Adel und Adelsprivilegien dürfen in dem neugebore nen Staate nicht geduldet werden. 7. Die Staatsausgaben für das Militär müssen einge schränkt werden. 8. Die Militärdienstzeit soll verkürzt werden. 9. Er werde die Einführung einer Einkommensteuer empfehlen. 10. Da Österreich bereits Abgeordnete zum Frankfurter Reichstag gewählt hat, so sei es verpflichtet, dessen Beschlüsse anzuerkennen. „Diese Rede fand Beifall, und nadi Bekanntgabe des Wahlergebnisses kam mein früherer Gegen kandidat Mitsdika auf mich zu, gratulierte mir in tschechischer Sprache, legte seine Hand auf meine Schulter tmd rief Gottes Segen auf mich herab." (Kudlich „Rückblicke und Erinnerun gen", I. Band.) Am 22. Juli 1848 eröffnete Erzherzog Johann in feierlicher Sitzung den österreichischen Reichstag. Kaiser Ferdinand hatte wegen neuer Unruhen am 17. Mai Wien verlassen, um sich nach Innsbruck zu begeben, von wo er erst am 12. August wieder nach Wien zurückkehrte. Schon in der nächsten Sitzimg, am 23. Juli, stellte der jüngste Reichstagsabgeordnete Öster reichs, eben Hans Kudlich, folgenden Antrag: „Die hohe Reichsversammlung möge erklären, von nun an sei das Untertänigkeitsverhältnis samt allen daraus entsprungenen Rechten und Pflichten aufgehoben." In seiner Antragsbegründung wandte sich Kud lich gegen jede Verzögerung seines Antrages. Er führte unter anderem aus: „Seit 13. März 1848 steht Österreich mit einem Fuß auf dem Boden der demokratischen Freiheit, auf dem anderen, dem bäuerlichen Fuß, noch in mittelalterlicher Knechtschaft verstrickt. Wir müssen die Grund sätze der Freiheit, Gleichheit und Menschen würde ohne Zagen imd Zögern aussprechen." Die Wirkimg dieser Reichstagsrede war auf sehenerregend und erstreckte sich über die ganze Monarchie. Es wurden noch verschiedene Zusatzund Abänderungsvorschläge eingebracht und wieder verworfen. Sie betrafen meist die Ablösungs- bzw. Entschädigungsfrage für die welt lichen oder kirchlichen Herrschaftsinhaber. Im Parlament wurde schließlich ein Bauernbefrei ungsausschuß eingesetzt, dem auch vier ober österreichische Abgeordnete angehörten: Mat thias Herndl (Grein), Johann Huemer (Eferding), Joh.-Georg Meindl (Braunau) und Michael Klaus ner (Ried i. Traunkreis). Noch am Vortag der entscheidenden Reichstags sitzung vom 7. September 1848 konnte man in der Entschädigungsfrage keine Einigung finden. Um aber die Gesetzwerdung der Aufhebung der Untertänigkeit nicht noch weiter zu verzögern oder gar zu verhindern, klammerte man dann die Entschädigungsfrage mit dem Zusatz „vor behaltlich der Bestimmungen, ob und wie eine Entschädigung zu leisten sei" aus. Erst später wurde im Verordnungswege die Entschädigungs frage so geregelt, daß ein Drittel die Bauern, ein Drittel der Staat und ein Drittel die Gutsherrn selbst zu tragen hatten. Bauern aus ganz Österreich dankten am 24. Sep tember 1848 ihrem Anwalt Kudlich mit einem großen Fackelzug in der Reichshauptstadt Wien. KUDLICHS AUFRUF ZUM LANDSTURM Ende September wurde man gewahr, daß zwi schen dem Kaiserhaus und der Armeeführung geheime Verhandlungen stattfänden. Der Kriegs minister Latour wollte einige Regimenter zur Niederwerfung der ungarischen Revolutions regierimg nach Ungarn in Marsch setzen. Die Bevölkerung Wiens widersetzte sich dem Ab marsch der Truppen. Es entstand eine Schießerei, die über 100 Tote kostete. Der Kriegsminister Latour fiel dabei der Wut des Volkes zum Opfer. Er wurde im offenen Aufruhr in seinem Mini sterium am 6. Oktober erdrosselt und auf einem Laternenpfahl aufgeknüpft. Fürst Windischgrätz war bereit, gegen Wien loszuschlagen. Er erschien mit seiner Heeresmacht und eroberte Ende 1848 die Stadt. Schließlich gelang es ihm auch 1849, mit Hilfe russischer Truppen die Revolution in Ungarn niederzuwerfen. 98

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