OÖ. Heimatblätter 1978, 32. Jahrgang, Heft 1/2

Laut „Linzer Zeitung" vom 3. April 1848 überbraditen die Vertreter der vier Stände Oberösterreidis (Prälaten-, Herren- und Ritterstand sowie die landesfürstlichen Städte) persönlich ihre Wünsche tmd Vorschläge bei Kaiser Fer dinand vor. Diese Forderungen der Führer der vier privilegierten Stände waren erstaunlich weit gehend. So wurde unter anderem verlangt: 1. Ein Wahlredit auch für den Bürger- und Bauem stand. 2. Teilnahme der Landesvertretung an der Gesetz gebung. 3. Hebung der Volksbildung. 4. Inniges Anschließen an unsere deutschen Brüder und Vertretung des deutschen Volkes durch ein Deutsches Parlament. 5. Öffentlichkeit des Gerichtswesens tmd Geschwore nengerichte. 6. Eine Freie Presse (Pressefreiheit). 7. Persönliche Freiheit, keine Verhaftung ohne Haft befehl. 8. Aufhebung der körperlichen Strafe. 9. Einschränkung der polizeilichen Gewalt. 10. Freie Assoziation (Vereinsbildung). 11. Gewährung selbständiger Gemeindeverfassungen. 12. Vereidigung des Militärs auf die Verfassimg. Diese oberösterreichische Deputation, die per Schiff auf der Donau nach Wien reiste, setzte sich wie folgt zusammen: Adolf Graf von Barth-Barthenheim, als Führer der Depu tation, Prälat Thomas Mittemdorfer, Abt von Kremsmünster, Matthias Kirchsteiger, Domscholastiker und Stadtpfarrer von Linz, Camillo Graf Starhemberg, Eduard Ritter von Hayden, Carl Ritter von Schmelzing, Carl von Plank, Vorsteher der Handelskammer, Josef Diezer, Fabriksinhaber, Josef Thüry, Bürgermeister von Freistadt, Franz Forster, Syndikus von Vöcklabruck. Alle diese Forderungen finden wir dann auch später bei verschiedenen liberalen und bäuer lichen Resolutionen wieder. Immerhin ist es erstaimlich, wie schnell sich die konservativen Lan desspitzen auf den neuen liberalen Zeitgeist ein gestellt haben. DER ERSTE ÖSTERREICHISCHE REICHSTAG 1848/49 Im kaiserlichen Patent vom 9. Mai 1848 wurde das Wahlrecht für den ersten österreichischen Reichstag festgelegt. Je 250 Bewohner hatten in ihren Wahlkreisen die Wahlmänner zu wählen; diese wählten am 30. Jimi die Abgeordneten, und zwar auf je 50.000 Einwohner einen Abgeord neten. Aus Oberösterreich wurden folgende 16 Abge ordnete gewählt: Dr. Karl Wiser (1800—1889), Rechtsanwalt, Linz. Emil Vacano, Oberbergamtsassessor in Steyr. Johann Plaß (1793—1863), Mayr in der Thann, Ansfelden. Michael Leitner (1804^1876), Zehetner in Goldwörth an der Donau. Matthias Herndl (1816—1876), Handelsmann in Grein. Anton Hofer (1796—1869), Bauer in Leonfelden, später Franz Kreil, Regierungsrat, Linz. Johann Huemer (1809—1870), Simböck, Fraham bei Eferding. Michael Mayr (1802—1870), Neumayr in Hörsching. Ferdinand Hoheneder, Bauer in Olfenhausen, später Anton Peyr, Fabrikant in Vöcklabruck. Leopold Sonntag (1807—1887), Hansmayr in Laakirchen. Michael Klausner, Eckbauer in Ried i. Traunkreis. Georg Lindinger, Reinthaler in Taiskirchen. Kaspar Wiesbauer (1811—1891), Oberbauer in St. Geor gen im Innkreis. Johann-Georg Meindl (1807—1873), Bräuer in Braunau. Josef Mittendorfer (1803—1887), Pulfhuber in Pfarrkir chen bei Bad Hall. Matthias Brandl, Bauer in Lichtenau b. Haslach. Der schlesische Wahlkreis Bennisch entsandte Hans Kudlich. Vorerst wurden noch der tschechi sche Bauer Mitschka und der Deutsche Dr. Diet rich für die Wahl nominiert. Da beim ersten Wahlgang keiner der drei Kandidaten die abso lute Mehrheit erhielt, war ein zweiter Wahl gang notwendig. Im zweiten Wahlgang zog dann der tschechische Bauer Mitschka seine Kandida tur zurück xmd gab eine Wahlempfehlxmg für Kudlich ab, der dann tatsächlich die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhielt und somit als Abgeordneter zum ersten österreichischen Reichstag gewählt war. Seine Wahlrede auf dem Marktplatz der Berg stadt Bennisch hatte einen für ciie heutige und wohl auch für die damalige Zeit starken revolu tionären Akzent. So proklamierte Kudlich in zehn Punkten die Grundzüge einer neuen öster reichischen Verfassung: 1. Der Kaiser soll wie Joseph II. der erste Beamte des Staates sein. Man möge daran denken, daß die Kaiser Leopold und Franz wieder alles zerstört ha ben, was Joseph II. aufgebaut hat. 97

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