Rumpolt^ erwähnt eine „Ungerisdie Turten" und rezeptiert eine „Spanische Turten". Das „Gratzer Koch- und Artzney-Buch" serviert als Konfekt „Das Genuesische"^. Das Granatapfel-Koch buch®, das am weitesten verbreitete und am häufigsten abgedruckte historische Kochbuch Österreichs, vermerkt eine „Copenhagenische Butter-Dorten", eine „österreichische BlätterDorten", eine „Romanische Crostada", eine „Englische-Dorten". Auch Herrschafts- bezie hungsweise Geschlechternamen kommen vor wie etwa,, ,Frangipani'^-Dorten". Warum sollte im chronologisch am nächsten ge legenen Kochbuch, dem Salzburgischen von 1718, nicht eine „Lintzer-Dorten" aufscheinen bzw. der „gute und süsse Lintzer-Taig"? Die auch schon aufgestellte These „Lintzer" käme von Linsen widerspricht vollends der koch historischen Entwicklung. Als Tortenfüllungen bzw. Beigaben werden in den bekannten Koch büchern wohl alle möglichen Obst-Gemüse-Sor ten, auch Schalentiere verwendet, nie aber Lin sen. Bei einer so langen „linsenfreien" Torten tradition wäre eine Rezeptbenennung nach Lin sen völlig widersinnig. Hingegen erscheint es naheliegend, daß Linz in folge seiner Lage an der Donau und an Straßen, die in den böhmischen Raum und in den Süden führten, über eine eigenständige, gehobene Koch kultur verfügte. Das Wort Torte stammt von mlat. tortum (zu torquere: drehen), gewundenes Gebäck, in ' Deutschland zuerst 1418 belegt (Lüb. Urk. B. 6,88 „unam tortam sicut in nupciis"); gleich zeitig mnl. taerte. Im Kochbuch „Küchenmeisterei", Nürnberg 1460, wird die Bereitung einer Krebstorte geschildert. Damals bezeichnete Torte einen Kuchen mit Auflagen von Obst und dergl. in einer besonderen Art formiert®. Zur Bereitung Die erwähnten Kriterien behielt die Torte audi noch in der Renaissance, wie dem „New Koch buch" von Rumpolt, Frankfurt 1581, zu entneh men ist. Torten weisen sich darin als Mürbteigböden aus, die mit verschiedenen Auflagen bzw. Füllungen belegt wurden, unter anderem auch Mandeln, die mit Zucker und Rosenwasser auf bereitet waren. Auch eine Füllung von Ribiseln wird erwähnt. Die Würzung der Torten bestand bei Rumpolt fast durchwegs aus Zucker und Zimt. Immerhin wäre es möglich, daß im Laufe der Entwicklung eine Mandeltorte und eine Ribi seltorte übereinandergelegt wurden. Die köst liche Geschmackskomponente von gezimtetem Mürbteig mit Mandeln und Ribiseln könnte an geregt haben, eine Variante in dieser Zusammen setzung neu zu rezeptieren. Rumpolt empfahl: „Mandel-Turten warm oder kalt auf den Tisch geben". Warm wurde auch das Mandelkoch ser viert, das entweder über dem Feuer gerührt oder im Ofen gebacken wurde. Das gerührte Mandel koch oder -mus war das Feinste, was die alt deutsche Küche anzubieten hatte. Dieses Rezept scheint denn auch als erstes Rezept im Kochbuch des Meister Hannsen 1460 mit sei ner berühmten Reimrede auf®. Aus den Varian ten des Mandelkochs und der Mandeltorte dürfte der Mandelteig abgeleitet worden sein. Etwa hundert Jahre nach Rumpolt ist der „Mandeltaig" im Grazer Koch- und Artzney-Buch 1686 (S. 55) bereits etwas derartig Selbstverständ liches, daß er keiner Erläuterung mehr bedarf. Eine „guet Manndldorten" ist in Graz 1568 sogar urkundlich erwähnt. Die Ähnlichkeit der „Man del- bzw. Zimmet-Dorten" im Grazer Kochbuch mit der nachmaligen Linzer-Torte ist unverkenn- * „Ein new Kochbuch" von Marx Rumpolt, Frankfurt a. M., 1581, „Ungarische Turten": S. 19/9, „Spanische Turten": CLXXVII. ^ „Ein Koch- und Artzney-Buch", Anonymus, Grätz 1686, S. 32. Bearbeitet von H. Neunteufl in: Kochkunst im Barock, Graz 1976 (vgl. unter Schrifttum). ' ,yEin gantz neues nutzbares Kochbuch" von „einer Hoch-adeligen Persohn", Wien 1697; in mehr als 12 Auflagen. 1699, S. 75 ff. Kroatisches Adelsgeschlecht, Besitzer u. a. der Burg Zengg (heute Senj). ® Hans Wiswe: Kulturgeschichte der Kochkunst, Mün chen 1970, S. 220. ® „Wer ein gut muß wil haben das mach von sibennlei sachn du must haben, milch, salz, und schmalz, zugker, ayer, und mel saffran. Dar zue so Wirt es gell. Ain mandel muß machn." Reimvorrede der Handschrift „von allerley kochen von Maister Hannsen des von Wirtenberg Koch ...", 1460, Universitätsbibliothek Basel. Farbige Reproduktion in: Kulturgeschichte der Kochkunst von Hans Wisice, S. 27.
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