OÖ. Heimatblätter 1977, 31. Jahrgang, Heft 3/4

Kulturgeschichte der Linzer Torte Von Herta Neunteufl Mit 3 Textbildern Kochrezepte pflegen nicht vom Himmel zu fallen. Selbst der genialste Koch vermag ein so ausge wogenes Rezept wie das der Linzer Torte nicht in einer Stunde der Erleuchtung oder des Zufalles zu schaffen. Erst die jahrhundertelange Entwick lung der Kochkultur bringt über Vorstufen und Varianten die Leistung eines begnadeten Kochs im gelungenen Geschmacksakkord zum Finale. Das Kriterium der Linzer Torte ist ihre feste, aber doch saftig-lockere Masse aus Butter, Eiern, Zukker, Mandeln, Mehl und Gewürzen. Sie ist eine klassische Vertreterin der Backkunst der Barock zeit. Enthält sie doch wie das barocke Lebenselexier von jedem etwas: vom Bitteren und Süßen, vom Sauren und vom Scharfen, vom Schweren und vom Duftigen. Ihr unübertroffenes Geheimnis umschließt die süße Bitternis der Mandel, die liebliche Dreieinigkeit von Zimt, Nelke und einem Hauch Muskat und wie im ur alten Kinderreim, der übrigens den Anfang zum altdeutschen „Kochbuch des Maister Hannsen des von Wirtenberg Koch" (1460) darstellt: Eier und Schmalz, Zucker und Salz — selbstverständ lich nur ein Körnchen — und Mehl. Zum Namen Zum erstenmal wird die Linzer Torte namentlich in Conrad Haggers „Saltzburgischem Kochbuch" 1718 (siehe Textbild) als Rezept gebracht, ja sie ist darin sogar mit einem Kupferstich konterfeit und zeigt bereits das traditionelle Gittermuster. Dem künstlerisch hohen Niveau dieses schönsten historischen Kochbuches Österreichs angepaßt, zeigt das Gitter eine vom Zentrum ausgehende kunstvolle Verflechtung, die durch ein Mittel motiv und die Umrahmung dekorativ aufgewer tet ist (siehe Textbild). JDer^^oclxtnn IDot'iBTt. N° 10^ ©«öwtewttlifüiTcSwßeiv^Ätö/ feti^orfen/ uaö ßNfVSmm. s:.?Siet{el gjf. fdißneS tüdlfcS 3. Viertel Q4,« SSuftcc / flcfä()fett Suto / mit et« toenigSalß/ «b(|öoii 3.2cmoni Bie fleitt# geriebene ©^eljfen/fammt Dem ©op / oucß 10. big 12. SperDoffee/ utiD i.SSictfeigbf.gelioffene oDer geriebene SSJanDeln/ mitei« ttenfg frift^ SSfllfet / cDecfanren S^am/fc^bn trugen ang?# fo i(I er fertig. Sfus Difem Saig ttta(®b nta« aHet^anS geflö^fette un5 flöDere ©cöilfTeb Sorten / mit einer jcDerseit rclb(i= beliebigen Siiil unD Siuöfc&nitf i nnD fobalD er gebad)en iji / fo gebort ein •»cigSog Darauf; tbueibn »on Der blecbernenS^gÜel Öerab/ auf ©iibetoDer Sinn / anD siere foltben/ fo gut Du fan(£/ twDgibe ibnsuSifcb. , Stem / »on Difem Saig mat^f man au® ©i^marren auf <in lötccö / unD etwas Diinn gebaren / ein Sog Daritber/ "uD nacö föelieben geft^mitten / auf eine ©djitfiel ge» t'w/ mit ?goSmavm unD gorbeer geaiert / wnD S« Sifcö Sütragen. Das Auftauchen im Kochbuch Conrad Haggers besagt nicht, daß der Autor sie erfunden hätte. Der weitgereiste, erfahrene „Mundkoch" des Erzbischofs Graf Franz Anton Harrach (1709—27) dürfte ein vorhandenes Rezept registriert und vielleicht zur Perfektion gebracht haben. Die Torte ist vermutlich nach einer in Linz üblichen Teigart genannt worden. Die gelegentlich gehörte Vermutung, ein Koch namens Lintzer hätte sie erfunden, widerspricht der historischen Namens gebung von Speisen, insbesondere von Torten. Diese wurden ursprünglich nach den Landstri chen und Ländern benannt, aus denen sie kamen, keineswegs jedoch nach dem Koch. Das präch tige Kochbuch der Renaissancezeit von Marx

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