OÖ. Heimatblätter 1977, 31. Jahrgang, Heft 3/4

bisher zu beurtheilen hatte"®, bezeichnete. Sie brachte dem jungen Kunsthistoriker (promoviert am 2. April 1900) ein mit 3000 Goldkronen® für damalige Verhältnisse unfaßbar hoch dotier tes Staatsstipendium ein, das ihm einen längeren Aufenthalt an den Stätten klassischer Kunst in Griechenland und Italien ermöglichte. (1903 wurde seine Dissertation „Vier Kapitel aus dem Thanatosthema" in Wien gedruckt.) Als Frucht seiner klassischen Studien im Süden brachte er das Manuskript zu einer Biographie des griechischen Bildhauers „Praxiteles" mit, de ren Vorwort er noch in Rom (1902) schrieb. Sie erschien 1903 in Berlin in der Reihe „Die Kunst", die kein Geringerer als Richard Muther heraus gab. Ubell befand sich in einer erlesenen Auto ren-Nachbarschaft mit Karl Scheffler, Hermann Uhde-Bernays, Rainer Maria Rilke und Julius Meier-Graefe. Ein Jahr später folgte in der glei chen Reihe seine Lebensbeschreibung des Bild hauers „Phidias"^ und in der Reihe „Die Litera tur" des gleichen Verlages — Julius Bard, Berlin — „Die griechische Tragödie". Gleichzeitig mit diesen hervorragenden kunst geschichtlichen Publikationen veröffentlichte Her mann Ubell in Berliner, Münchner und Wiener Literaturzeitschriften Essays und Feuilletons zur modernen Literatur, schrieb über Arno Holz, Gerhart Hauptmann, Christian Morgenstern, Hermann Bahr, Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal geistvolle und kritische Abhand lungen. Sein eigenes lyrisches Schaffen stand gleichwer tig neben dem von Max Mell, Franz Karl Ginzkey (vgl. Anm. 14), Stephan Zweig, Stephan George u. a. und überraschte durch völlig neu artige formale Kühnheiten, die sich als eigenstän dige Formfindungen qualifizierten. Sein Lyrik band „Stundenreigen" birgt eine Fülle der fein sinnigsten und empfindsamsten Gedichte. Am 1. Oktober 1903® trat Dr. Hermann Ubell — einer Berufung folgend — seinen Dienst als ® a) Handschriftliche „Beurtheilung der Doktordisser tation des cand. phil. Hermann Ubell ,Vier Capitel aus dem Thanatosthema'" (ZVs Seiten) von Dr. W.(ilhelm) Gurlitt, Professor der class. Archäologie, vom 14. Juli 1899; Wortlaut des letzten Absatzes: „Im Ganzen aber beweist die Arbeit eine gründliche Kenntniß der Monumente und der einschlägigen Lite ratur, sowie die hervorragende Befähigung des Verf's ein wissenschaftliches Problem zu erfassen und mit richtiger Methode zu bearbeiten. Zudem sind aber der ganzen Ausarbeitung Bemerkungen eingestreut, die den Verf. als einen feinen Kopf erweisen, seine selbstständige Erfassung moderner Kunst und moder ner aesthetischer Literatur wohltuend bezeugen. Zum Schluß spricht der Unterzeichnete daher sein Urtheil dahin aus, daß die vorliegende Arbeit, trotz der Mängel, die ihr als Erstlingsarbeit anhaften, die beste Doktordissertation ist, die er bisher zu beurtheilen hatte, und stellt den Antrag, daß der Verfasser, Her mann Ubell, zur strengen Doktorprüfung zuzulassen ist."(i) P) Original im Archiv der Universität Graz, Phil. Rigorosenbuch 1898—1910, Nr. 437. b) Und im „Gutachten über die Dissertation des Her mann Ubell ,Vier Capitel über das Thanatosthema'" von Dr. Josef Strzygowski, k. k. Univ.-Professor, vom 11. Juli 1899 heißt der Schlußsatz: „In jedem Falle ist die Arbeit als Dissertation eine vorzügliche. Der Unterzeichnete beantragt daher, Her mann Ubell zu den strengen Prüfungen zuzulassen." Hermann Ubell studierte vom Wintersemester 1893/94 bis zum Wintersemester (Abschluß) 1898/99(^) an der k. k. Franzens-Universität in Graz und schloß die „strengen Prüfungen" (sieben an der Zahl!) alle mit „ausgezeichnet" ab.(') (^) Vorlesungsverzeichnis der Univ. Graz, Archiv. P) „Der Candidat ist somit einstimmig mit Auszeich nung approbiert." (Prüfungsprotokoll v. 16./17. Juli 1899.) Vom 1. 10. 1899 bis 30. 6. 1902 war Ubell Bibliothekar an der Universität Graz. Die Promotion fand am 2. April 1900 statt (Prom. Prot. Nr. 358). Alle Handschriften im Archiv der Universität Graz, Phil. Rigorosenbuch. An dieser Stelle ist es mir ein Herzensbedürfnis, meinem Kollegen Dr. Franz Premm, Graz-Gmünd, Nö., und dem Universitätsarchivar Univ.-Doz. Dr. W. Höflechner, Graz, für ihre Mühe zu danken. ' „Tagblatt" Linz, Nr. 152, 6. Juli 1937, S. 6 („Hofrat Dr. Ubell"). ' Diese und die zwei anderen Publikationen sowie die „Vier Kapitel über den Thanatos": in der Universi tätsbibliothek Graz, und zwar unter folgenden Kata lognummern: „Thanatos": I 103348/1; „Phidias": I 107331; „Die griech. Trag": I 141350. ' Handschriftlicher Tätigkeitsbericht des Verwaltungs rates des Museums Francisco-Carolinum vom 21. XII. 1903, ad. ZI. 654/03 (angefordert vom Landesausschuß im Erzherzogtume Österreich ob der Enns am 12. De zember 1903, ZI. 25.659; Maschinschrift), S. 4: „Die seit dem Tode des Kustos Reischek (7. IV. 1902, Jahresbericht 1902, S. 6; d. Verf.) noch immer unerle-

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2