OÖ. Heimatblätter 1977, 31. Jahrgang, Heft 3/4

Pflanzen und Tiere in oberösterreichischen Kinderreimen, -liedern und -spielen Von Otto Kampmüller Mit 18 Notenbeispielen, 2 Abbildungen und 2 Textskizzen Unter den nahezu 25.000 Beiträgen, die von ober österreichischen Schülern und Lehrern auf meine Rundfrage nach Kinderreimen, -liedern und -spie len eingesandt wurden^, machen diejenigen, die sich mit Pflanzen und Tieren beschäftigen, eine der größten Gruppen aus. Das läßt aber keines falls Rückschlüsse auf die Lebendigkeit dieser Reime, Lieder und Spiele zu; es ist vor allem darauf zurückzuführen, daß solches Spiel- und Sprachgut verhältiüsmäßig leicht niederzuschrei ben ist. Außerdem werden für einen Teil der Bei träge wahrscheinlich Bilderbuchverse die Vorlage gebildet haben, für einen anderen Teil Bastelbücher und Anleitungen in Kinder- und Jugend zeitschriften. Einiges wurde den Kindern von El tern und Großeltern angesagt, anderes wußten sie noch vom Kindergarten her, der heute mehr als das Elternhaus als Traditionsbewahrer wirkt; in der Vorschulerziehung singt man sehr häufig Tierlieder und benutzt man sehr gerne Pflanzen xmd Pflanzenteile, wie Blüten, Samen, Rinde, Mark, Blätter, Wurzeln, Früchte usw. zum Spie len und Werken. Vergleiche mit anderen Sammlungen^ zeigen deutlich, daß die lokalen Unterschiede zwischen den einzelnen Reimen und Spielen sehr gering sind. Kindertümliches Spielgut ist zäh und über lebt manchmal Jahrhunderte. Neues fügt sich nur langsam an das Alte. Dennoch muß man heute wiederholen, was Blümml und Höfer^ schon am Ende des vorigen Jahrhunderts gesagt haben: „. . . viel ist vielleicht schon verlorengegangen . . . Doch jetzt ist es noch Zeit, das Wenige, was von früher übergeblieben ist, zu retten und für die nachkommende Generation aufzubewahren." Vielfach ist die Pflanze ein Hilfsmittel, um Ge genstände spielerisch nachzubilden oder darzu stellen. Die Phantasie schafft dabei immer wieder neue Variationen. Ich kann daher nur beispielhaft einen kleinen Teil davon erwähnen, was allge mein üblich ist, sofern die dazu nötigen Pflanzen vorhanden sind: 1 Aus ERDÄPFELN, in die man Hölzchen steckt, werden Manderl und Tiere gemacht. 2 Man kann aus einer Kartoffel auch einen Vogel machen, indem man Hühnerfedern in sie hinein steckt. Wirft man nun diesen „Vogel" in die Luft, dann beschreibt er eine sonderbare und, je nachdem man die Federn gesteckt hat, immer wie der neue und überraschende Flugbahn. Man kann sogar erreichen, daß er bumerangartig zum Aus gangspunkt zurückkehrt. Besonders reizvoll wirkt das zischende Geräusch, das der mit Federn aus gestattete Erdapfel beim Fliegen verursacht. In den ausgehöhlten KÜRBIS, in den man Augen, Nase imd Mund eingeschnitten hat, wird eine Kerze gestellt. Dieses Schreckgespenst, das meist am Fenster des Kinderzimmers steht, schaut noch furchtbarer aus, wenn die Löcher für Augen, Nase und Mund innen mit rotem Seidenpapier überklebt wurden. Aus gedörrten ZWETSCHKEN, FEIGEN oder DATTELN wird der „Zwetschkenkrampus" ge macht und am Nikolaustag kleineren Geschwi stern geschenkt. Aus der roten Blüte des KLATSCHMOHNS werden kleine Püppchen hergestellt. Man schlägt die Blütenblätter nach unten und bindet sie in der Mitte mit einem Grashalm ab. Auf diese Weise bekommt man den Oberkörper der Puppe und das rote Faltenröckchen. Der oben heraus ragende Fruchtknoten mit den dunklen langen Staubgefäßen stellt den Kopf mit den struppelig abstehenden Haaren (oder mit der Krone) dar. Sogar mit einer winzigen FLIEDERBLÜTE kann man ein Manderl darstellen. Man zwickt sie in ' Nähere Hinweise auf diese Sammlung finden sich bei: O. Kampmüller, Oberösterreichische Wiegenlieder. In: Oö. Heimatblätter, Linz 1976, H. 3/4, S. 173, und O. Kampmüller, Oberösterreichische Kinderspiele. Linz 1965, S. 7 fif. " Adalbert Riedl und Karl M. Klier, Lieder, Reime und Spiele der Kinder im Burgenland. Eisenstadt 1957. — Emil K. Blümml und Fr. Höfer, Die Beziehungen der Pflanzen zu den Kinderspielen in Niederösterreich. In: Ztschr. f. österr. Volkskunde, 5 (1899), S. 132—135. ' Blümml und Höfer, a. a. O., S. 132.

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