Die Kreativität ihrer Bürger ist eine essentielle Grundlage der Demokratie! Die Frage, die dieser Feststellung logisch folgt, muß nun heißen: Was tut die Demokratie, um die Kreativität ihrer Bürger zu fördern? Bevor wir aber diese Frage beantworten können, tut sich eine andere auf: Was fördert denn die Kreativität? Gibt es hier Anhaltspunkte? Die schon genannte Erika Landau® führt kreativitätsfördernde Voraussetzimgen an und be zieht sich dabei auf den auch bei uns sehr be kannten Carl Rogers. Dieser bezeichnet als iimere Voraussetzungen für kreatives Verhalten 1. Offenheit der Umwelt gegenüber, 2. innere Wertmaßstäbe, 3. Fähigkeit, mit Elementen und Konzepten zu spielen. Rogers versteht unter Offenheit das Gegenteil von Abwehr, das heißt, nicht in vorgefaßten Kategorien zu denken, sondern frei von Vor urteilen Informationen zu sammeln. Auf unsere Thematik xungelegt, heißt Offenheit auch Kom promißbereitschaft. Womit noch einmal die Im plikation von Kompromißbereitschaft mit Kom promißfähigkeit unterstrichen wäre. Die iimeren Wertmaßstäbe sind für Rogers elementare Grundlage der Kreativität. Der Ursprung der Beurteilung müsse von innen kommen tmd könne sich, ohne die Außenkritik außer acht lassen zu wollen, doch nur in einer gewissen Unabhängigkeit und Freiheit von Außenkritik entwickeln. Und daß sich die Fähigkeit, mit Ele menten und Konzepten zu spielen, mu: in Frei heit entfalten kann, ergibt sich wohl schon aus dem Zeitwort „spielen". Wer spielt schon unter Zwang? Fällt bei diesen inneren Voraussetzungen der Kreativität schon der Umstand der Freiheit auf, so wird dieser noch augenscheinlicher dadurch, daß Rogers auch zwei äußere Bedingtmgen für Kreativität anführt, und zwar neben der psycho logischen Sicherheit die psychologische Freiheit, worunter er die gewährende Umgebung ver steht, die dem Individuum Freiheit gestattet. Freiheit scheint also grundlegende Voraussetzung für Kreativität zu sein. Diese Freiheit als Voraussetzung für Kreativität ergibt sich aber auch aus dem vorher schon aus gesprochenen theologischen Ansatz: Der Mensch ist der erste Freigelassene der Schöpfung. Er lebt in der Spanmmg, einerseits Ebenbild des tmendlich freien Schöpfers zu sein, andererseits aber ist er Geschöpf und als solches vielen Ge setzen xmterworfen. Weim man nun den gött lichen Auftrag aus dem ersten Kapitel der Gene sis, Vers 28 „Mehret Euch! Füllet die Erde! Macht sie Euch Untertan!" als Weiterführung der Schöpfung zur Vollendung hin betrachtet, als Aufforderxmg Gottes an die Menschen, an der Schöpfung mitzuwirken, so sind damit eindeutig die schöpferischen Kräfte des Menschen an gesprochen, seine kreativen Fähigkeiten, seine Ebenbildhaftigkeit mit dem unendlich freien Schöpfer. Und es ist gar nicht anders denkbar, als daß sich diese menschliche Schöpferkraft auch nur in Freiheit entfalten kann. Freiheit ist also sicher die Grundlage der Krea tivität! Als ein Beweis dafür können auch die Unter suchungen von Jack Gibb® gelten. Er hat 1951 festgestellt, daß die kreativen Leistungen unter Streß sowohl in Quantität als auch in Qualität sinkende Tendenz aufweisen. Auch die Auftrags werke vieler Dichter und Komponisten weisen nicht die hohe Qualität ihrer sonstigen, ohne äußeren Druck entstandenen Werke auf (Mo zarts Requiem ist eine Ausnahme von der Re gel)! Die Frage an die Demokratie muß also lauten: Stellt sie die Freiheitsräume zur Verfügung, die der Entwicklung der Kreativität dienen? Im all gemeinen kann man diese Frage doch mit „ja" beantworten. Eine gezielte, kreativitätsfördernde Pädagogik darf man von einer Gesellschafts form nicht erwarten, wohl aber noch neben der Sicherung der Voraussetzungen, wie eben der Freiheitsräume, die Förderung und Unterstüt zung entsprechender pädagogischer Maßnahmen. Die Frage danach soll daher auch gestellt tmd im Verlaufe meiner Ausführungen noch beantwor tet werden. ' Ebenda, S. 86 f. * Ulmann, Gisela: Kreativität, 2. Aufl., Weinheim-BerllnBasel 1970, S. 137 f.
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