OÖ. Heimatblätter 1977, 31. Jahrgang, Heft 3/4

Gebiete der niederösterreichischen Volksmusiksammlung und -forschung ein Forum gegenseitiger Begegnung und gemeinsamer Arbeit anzubieten". So kommen neben Volkskundlern und Musikwissenschaftern auch Volks liedsammler mit Beiträgen und persönlichen Berichten zu Wort. Leopold Schmidt stellt in seinem Referat „Volksgesang in Niederösterreich" Überlegungen über die Lage des Volksliedes an der Schwelle des letzten Viertels des 20. Jahrhunderts an, wobei er der Rolle des Rundfunks im Arbeitsbereich des Volksliedes besondere Aufmerk samkeit schenkt. Die Bemühungen dieses jungen Me diums um das Volkslied hat eine kaum vorhergesehene Entwicklung vorbereitet. „Der Rundfunk brachte sehr bald neue und immer wieder neue Lieder, brachte alle Schlager, alle Songs, alle Hits in rascher Folge, aber dichter Intensität, wodurch das eigene Singen älterer Art innerhalb eines Vierteljahrhunderts völlig überlagert werden sollte." Im zweiten abgedruckten Referat versucht Helmut Fiel hauer in einer kulturräumlichen Gliederung Niederöster reichs einen geographischen und sozialgeschichtlichen Hintergrund für das bessere Verständnis der anderen Referate zu erstellen. Sollte dieses Referat tatsächlich diesem Zwecke dienen, so gehörte es doch an die erste Stelle dieser Publikation. Der Nichtkenner Niederöster reichs wird darin jedoch zu wenig Information über die Kulturräume des Landes finden und sich vielmehr einer eingehenden Kritik der Kulturraumforschung vor allem durch die „bürgerliche Volkskunde" gegenübersehen. Der Großteil der abgedruckten Referate befaßt sich mit dem Volkslied. So schreibt z. B. Karl Horak über Flug blattlieder aus Niederösterreich, Gerlinde Haid-Hofer über das Neujahrssingen und Franz Eibner über gestalt analytische Aspekte einer Sammlung von Materialien zur Liedüberlieferung. Als Berichte von Liedsammlern scheinen Aufsätze von Leopold Bergolth und Anton Tachezi auf. Allen diesen Referaten über das Volkslied stehen nur je ein Aufsatz über den Volkstanz und die instrumentale Volksmusik gegenüber, was einer recht einseitigen Auslegung des Begriffes „musikalische Volks kultur" entspricht. Die Thematik dieser Publikation be dingt, daß nur ein kleiner Leserkreis angesprochen wird, wodurch die relativ einfache Ausstattung verständlich wird. Unverständlich bleibt allerdings eine gewisse Lieb losigkeit, die sich im verdruckten Titelblatt ausdrückt. Helmut Krajicek Herta Neunteufl: Kodikunst im Barode. Aus der Welt der steirischen Küche um 1686, Graz—Wien 1977 (Leykam-Verlag), 120 Seiten mit Abb., Kleinoktav, kart. S 160.—, Ln. S 180.—. Herta Neunteufl, geb. Strasser, eine seit vielen Jahren in Graz lebende Linzerin, ist die Verfasserin eines Büch leins, das in der Kleinen Leykam-Reihe erschienen ist. Die Autorin setzt sich darin mit der Kochkunst des Ba rocks auseinander, wobei ihr als Quelle ein 1686 „Bei denen Widmanstetterischen Erben" in Graz anonym er schienenes „Koch- und Artzney-Buch" dient. Es ist dies das erste Grazer Kochbuch und wahrscheinlich auch das erste gedruckte österreichische Kochbuch überhaupt. Nicht nur das: Es erwies sich als oft wortwörtliche Quelle für den „Freywillig—auffgesprungenen Granat-Apffel" der „Eleonora Maria Rosalia Herzogin von Troppau etc. etc. geb. Fürstin zu Eckenberg", der Schloßherrin zu Eggen berg bei Graz. Freilich scheint diese vornehme und kluge Dame nicht auch die Urheberin des Kochbuchs gewesen zu sein, das ihr als Quelle für ihren „Granatapfel" ge dient hat, der zwei Jahrhunderte als Standardwerk in Mitteleuropa gegolten hat. Das bescheidenere ältere Kochbuch ist aber darüber hinaus ein reich sprudelnder Quell der Erkenntnis über das Leben in der Barockzeit, den Frau Neunteufl verstanden hat, zu erschließen. „Graz und die Zeit um 1686", „Alte Kochbücher ewig neu" und die „Spezielle Gharakteristik der Barockküche" sind die drei Kapitel, in denen die Autorin den Leser mit der allgemeinen Problematik vertraut macht, ehe sie die einzelnen Abschnitte des ersten Grazer Koch buches kommentiert. Von den Luxusbäckereien der da maligen Zeit ist die Rede, auch „von allerley FleischSpeisen, allerley Köch und allerley Milch" und wie der lei Kapitelüberschriften einst zu heißen pflegten. In der Folge werden die Original-Kochanweisungen wiedergege ben, denen unserem Geschmack angepaßte Rezepte ge genübergestellt sind, so daß dieses kleine Büchlein nicht nur theoretisches Wissen vermittelt, sondern auch prak tische Anleitungen gibt. Das Hauptgewicht liegt freilich im wissenschaftlichen Teil. Mit sehr viel Geduld — die Verfasserin erwähnt in einem Nachwort die jahrelangen Studien zu diesem Buch —, mit umfassender Sachkennt nis und Akkuratesse ist hier auf die Kulturgeschichte der Kochkunst, auf sprachliche Entwicklung, volkskund liche Bezüge und zeitgeschichtliche Aspekte, auf Maße und Gewichte und was sonst irgendwie für dieses Thema relevant ist, eingegangen worden, so daß diesem optisch kleinen Werk vom Inhalt her eine weit über das Lokale hinausgehende Bedeutung zukommt. Wer immer sich nur ein wenig mit der Geschichte der Kochkunst befaßt oder sich für nicht alltägliche Rezepte interessiert, wird in dem mit mehreren zeitgenössischen Illustrationen aus gestattete Büchlein manch Neues und Interessantes fin den. Liselotte Schlager Karl llg: Pioniere in Argentinien, Chile, Paraguay und Venezuela. Durch Bergwelt, Urwald und Steppe erwan derte Volkskunde der deutschsprachigen Siedler. Inns bruck-Wien-München 1976 (Tyrolia-Verlag), 318 Seiten, 47 Farbbilder, 19 Zeichnungen und 5 Kartenskizzen. S 240.—. Wie in seinem ersten Buch über Südamerika, „Pioniere in Brasilien", spricht der Ordinarius für Volkskunde an der Universität Innsbruck auch in diesem zweiten Bande im Untertitel von einer erwanderten Volkskunde. Doch darf man keinen eigentlichen Reisebericht erwarten. In einem umfangreichen ersten Teil wird die Geschichte der deutschsprachigen Einwanderung in diese vier südameri kanischen Länder geschildert. Eine Geschichte, die zwar

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