OÖ. Heimatblätter 1977, 31. Jahrgang, Heft 3/4

Gnadenreiclte IDeiltnaclii! Diel Glück und Ktfol^ im neuen Jeditl Barock gehaltener Breitpfeiler-Bildstock (1868) in Burgstein, St. Oswald b. Freistadt. Aufn.: Josef Friesenecker, St. Oswald b. Fr. (Ein Aufsatz über die religiösen Kleindenkmale in der Pfarre St. Oswald bei Freistadt erscheint in unserer nächsten Nummer.)

Oberösterreichische Heimatblätter Herausgegeben vom Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oberösterreidi; Leiter: W. Hofrat Dr. Aldemar Sdtiffkorn. 31. Jahrgang (1977) Heft 3/4 INHALT Otto K ampmüller : Pflanzen und Tiere in oberösterrei chischen Kinderreimen, -liedern und -spielen .... III Helmut Zöpf1 : Der Stellenwert des Musischen in einer demokratischen Gesellschaft 144 Helmut Ortner : Amateurtheater heute 150 Gustav Otruba : Die Revolution 1848 in den Alpenländern im Spiegel Wiener Flugschriftensammlungen .... 154 P. Benedikt Pitschmann : Plan eines Pfarrhofbaues in Pettenbach durch Johann Michael Prunner (1732) . . . 172 Manfred Brandl : Des ersten Linzer Bischofs erster Hirten brief (1785) 177 Fritz Feichtinger : Kunst als Lebensinhalt und Verpflich tung — Zum 30. Todestag von Hermann Ubell .... 183 Wilhelm Rieß: Fritz von Herzmanovsky-Orlando an Dr. Oskar Schmotzer 190 Herta Neunteufl : Kulturgeschichte der Linzer Torte . . 195 Robert Staininger : Die Bierbrauerei in Neumarkt i. M. . 199 Norbert Grabherr t (Alois Zauner) 202 Der Mundartdichter Josef Moser (Hermann Goldbacher) . . 204 Oberösterreichische Totenschilde (Georg Wacha) 206 Die „Hirschauer Stückeln" (Alois Topitz) 207 Der Baumeister des Ennser Stadtturmes (Walter Aspernig) . 208 Leopold-Kunschak-Preis für Harry Slapnicka 209 Aus der Arbeit des Landesinstituts für Volksbildung und Hei matpflege (Hilde Hofinger) 210 Schrifttum 213

Ansdiiiften der Mitarbeiter: Prof. Dr. Walter Aspernig, Liditeneggerstraße 81, 4600 Wels. Mag. DDr. Manfred Brandl, Kirchengasse 22, 4221 Steyregg. Prof. Fritz Feiditinger, akad. Maler und Graphiker, Finkstraße 2, 4020 Linz. W. Hofrat Dipl.-Ing. Hermann Goldbacher, Bahnhofstraße 10, 4400 Steyr. Hilde Hoflnger, Landesinstitut f. Volksbildung u. Heimatpflege in Oö., Landstr. 31, 4020 Linz. Otto Kampmüller, Mühlenweg 10, 4100 Ottensheim. Dr. Herta Neunteufl, Sdiörgelgasse 60, 8010 Graz. Konsulent Helmut Ortner, Obmann des Landesverbandes für Sdiiulspiel und Amateurtheater, Blümelhuberstraße 20/11, 4020 Linz. Univ.-Prof. Dr. Gustav Otruba, Johannes-Kepler-Universität, Auhof, 4045 Linz. Prof. Dr. P. Benedikt Pitsdunann, Benediktinerstift, 4550 Kremsmünster. Museumsdirektor Dr. Wilhelm Rieß, Hofmannsthalstraße 12, 4600 Wels. Robert Staininger, Wiss. Konsulent der oö. Landesregierung, 4212 Neumarkt i. M. 8. Dr. Alois Topitz, Leystraße 19/18/27,1200 Wien. Senatsrat Dr. Georg Wadia, Direktor des Linzer Stadtmuseums, Bethlehemstraße 7, 4020 Linz. Oberarchivrat Dr. Alois Zauner, Oö. Landesardhiv, Anzengruberstraße 19, 4020 Linz. Dr. Helmut Zöpfl, Lehrbeauftragter für Sprecfakunde und Stimmbildung, Südtirolerstraße 2, 4600 Wels. Buchbesprechungen: Mag. DDr. Manfred Brandl, siehe oben. Prof. Dr. Rudolf Fodiler, Konsulent der oö. Landesregierung, Benzstraße 14, 4020 Linz. Dr. Helmut Krajicek, Förderungsstelle d. Bundes f. Erwachsenenbildung f. Oö., Landstraße 31, 4020 Linz. Dr. Lieselotte Schlager, Archiv der Stadt Linz, Hauptplatz 1, 4020 Linz. Cand.-phil. Elisabeth Schiffkorn, Wehlistraße 244/5/9, 1020 Wien. Prof. Dr. Harry Slapnicka, Leiter d. Abt. Zeitgeschichte u. Dokumentation am Oö. Landes archiv, Anzengruberstraße 19, 4020 Linz. Senatsrat Dr. Georg Wacha, siehe oben. Zuschriften (Manuskripte, Besprechungsexemplare etc.) und Bestellungen sind zu richten an den Herausgeber : Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oö., 4020 Linz, Landstraße 31 (Landeskulturzentrum Ursulinenhof), Tel. (0 73 2) 71 5 17 u. 71 5 18. Redaktion: Wiss. ORat Dr. Dietmar Assmann, Anschrift siehe Herausgeber. Verlag : Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oberösterreich. Druck : Oberösterreichischer Landesverlag, 4020 Linz, Landstraße 41. Klischees: Fa. Krammer, 4020 Linz, Klammstraße 3. Für den Inhalt der einzelnen Beiträge zeichnet der jeweilige Verfasser verantwortlich. Alle Rechte vorbehalten. ISBN3-85393-012-3

Pflanzen und Tiere in oberösterreichischen Kinderreimen, -liedern und -spielen Von Otto Kampmüller Mit 18 Notenbeispielen, 2 Abbildungen und 2 Textskizzen Unter den nahezu 25.000 Beiträgen, die von ober österreichischen Schülern und Lehrern auf meine Rundfrage nach Kinderreimen, -liedern und -spie len eingesandt wurden^, machen diejenigen, die sich mit Pflanzen und Tieren beschäftigen, eine der größten Gruppen aus. Das läßt aber keines falls Rückschlüsse auf die Lebendigkeit dieser Reime, Lieder und Spiele zu; es ist vor allem darauf zurückzuführen, daß solches Spiel- und Sprachgut verhältiüsmäßig leicht niederzuschrei ben ist. Außerdem werden für einen Teil der Bei träge wahrscheinlich Bilderbuchverse die Vorlage gebildet haben, für einen anderen Teil Bastelbücher und Anleitungen in Kinder- und Jugend zeitschriften. Einiges wurde den Kindern von El tern und Großeltern angesagt, anderes wußten sie noch vom Kindergarten her, der heute mehr als das Elternhaus als Traditionsbewahrer wirkt; in der Vorschulerziehung singt man sehr häufig Tierlieder und benutzt man sehr gerne Pflanzen xmd Pflanzenteile, wie Blüten, Samen, Rinde, Mark, Blätter, Wurzeln, Früchte usw. zum Spie len und Werken. Vergleiche mit anderen Sammlungen^ zeigen deutlich, daß die lokalen Unterschiede zwischen den einzelnen Reimen und Spielen sehr gering sind. Kindertümliches Spielgut ist zäh und über lebt manchmal Jahrhunderte. Neues fügt sich nur langsam an das Alte. Dennoch muß man heute wiederholen, was Blümml und Höfer^ schon am Ende des vorigen Jahrhunderts gesagt haben: „. . . viel ist vielleicht schon verlorengegangen . . . Doch jetzt ist es noch Zeit, das Wenige, was von früher übergeblieben ist, zu retten und für die nachkommende Generation aufzubewahren." Vielfach ist die Pflanze ein Hilfsmittel, um Ge genstände spielerisch nachzubilden oder darzu stellen. Die Phantasie schafft dabei immer wieder neue Variationen. Ich kann daher nur beispielhaft einen kleinen Teil davon erwähnen, was allge mein üblich ist, sofern die dazu nötigen Pflanzen vorhanden sind: 1 Aus ERDÄPFELN, in die man Hölzchen steckt, werden Manderl und Tiere gemacht. 2 Man kann aus einer Kartoffel auch einen Vogel machen, indem man Hühnerfedern in sie hinein steckt. Wirft man nun diesen „Vogel" in die Luft, dann beschreibt er eine sonderbare und, je nachdem man die Federn gesteckt hat, immer wie der neue und überraschende Flugbahn. Man kann sogar erreichen, daß er bumerangartig zum Aus gangspunkt zurückkehrt. Besonders reizvoll wirkt das zischende Geräusch, das der mit Federn aus gestattete Erdapfel beim Fliegen verursacht. In den ausgehöhlten KÜRBIS, in den man Augen, Nase imd Mund eingeschnitten hat, wird eine Kerze gestellt. Dieses Schreckgespenst, das meist am Fenster des Kinderzimmers steht, schaut noch furchtbarer aus, wenn die Löcher für Augen, Nase und Mund innen mit rotem Seidenpapier überklebt wurden. Aus gedörrten ZWETSCHKEN, FEIGEN oder DATTELN wird der „Zwetschkenkrampus" ge macht und am Nikolaustag kleineren Geschwi stern geschenkt. Aus der roten Blüte des KLATSCHMOHNS werden kleine Püppchen hergestellt. Man schlägt die Blütenblätter nach unten und bindet sie in der Mitte mit einem Grashalm ab. Auf diese Weise bekommt man den Oberkörper der Puppe und das rote Faltenröckchen. Der oben heraus ragende Fruchtknoten mit den dunklen langen Staubgefäßen stellt den Kopf mit den struppelig abstehenden Haaren (oder mit der Krone) dar. Sogar mit einer winzigen FLIEDERBLÜTE kann man ein Manderl darstellen. Man zwickt sie in ' Nähere Hinweise auf diese Sammlung finden sich bei: O. Kampmüller, Oberösterreichische Wiegenlieder. In: Oö. Heimatblätter, Linz 1976, H. 3/4, S. 173, und O. Kampmüller, Oberösterreichische Kinderspiele. Linz 1965, S. 7 fif. " Adalbert Riedl und Karl M. Klier, Lieder, Reime und Spiele der Kinder im Burgenland. Eisenstadt 1957. — Emil K. Blümml und Fr. Höfer, Die Beziehungen der Pflanzen zu den Kinderspielen in Niederösterreich. In: Ztschr. f. österr. Volkskunde, 5 (1899), S. 132—135. ' Blümml und Höfer, a. a. O., S. 132.

die Daumenfalte am ersten Glied außen imd spricht dabei: Hanserh steh grad! Du wirst a Soldat. Dei Muatta wird woana, Wann's di nimmer hat. Stäbchen steckt; ebenso aus den Schüsselchen der EICHELN6. 10 STROHHALME werden als Blasrohre zum Seifenblasen verwendet^ heute aber nicht mehr die echten, sondern die aus Plastik. Aus einem frischen HASELNUSSTECKEN wird mit Hilfe eines Spagats ein Bogen gespannt, der sogenannte „Ffizipfeil". Ein „Stukkaturrohr" (SCHILFROHR), auf das vorne ein Stückchen HOLLERSTOPPEL gesteckt wird, dient als Pfeil. Hier haben wir ein Beispiel dafür, daß aus einer ernsten Waffenübung ein Kinderspiel geworden ist, wahrscheinlich erst, nachdem die Waffe nicht mehr den Anforderungen der kämpfenden Er wachsenen entsprochen hatte. Der Umgang mit Pfeil und Bogen wird schon von Homer im 8. Jahrhundert vor Christus erwähnt, so im 8. Gesang seiner „Odyssee", Vers 215—218: „Wohl versteh' ich die Kunst, den geglätteten Bogen zu spannen; / Ja, ich träfe zuerst im Hau fen feindlicher Männer / Meinen Mann mit dem Pfeil, und stünden auch viele Genossen / Neben mir und zielten mit straffem Geschoß auf die Feinde." Und im 21. Gesang der „Odyssee", Vers 10 und 11, heißt es: „Unter den Schätzen war der krumme Bogen Odysseus' / Und sein Köcher, gefüllt mit jammerbringenden Pfeilen."^ Im Mittelalter hat man die Tätigkeit des Bogen schießens bereits zu einem Sprichwort „ent schärft". So heißt es im „Narrenschiff" des Sebastian Brant (1457—1521): „Wer mit viel Bogen schießen will, / Der trifft wohl kaum ein mal das Ziel; / Und wer auf sich viel Ämter nimmt, / Der kann nicht tun, was jedem ziemt."® Wieder einige Jahrhunderte später wird aus dem Bogenschießen ein Kinderspiel. 8 Ältere Buben verstehen es auch, aus einem Stück des HOLUNDERSTAMMES, eine „Holler büchse" zu machen, mit der sie dann die Mädchen anspritzen körmen. 9 Rauch-Pfeifen werden aus KASTANIEN ge macht, die man aushöhlt und in die man ein Aus der dicken FÖHRENRINDE werden Schiff chen geschnitzt. Blümml und HöfeH erwähnen für die nieder österreichischen Kinder auch das Schnitzen von Würfeln aus Föhrenrinde, aus Oberösterreich wurde davon nichts gemeldet. 12 Die Pflanze „TAUBENKROPF" wird auch als sogenanntes „SCHNALZERL" bezeichnet: Man schließt die Blütenblätter vorne mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger, reißt die Blüte ab und zerschnalzt sie auf dem Rücken der anderen Hand®. Die Früchte der KÄSEPAPPEL werden in der Puppenküche als Brot verwendet und mitunter auch gegessen. 14 BOHNEN dienen als Geld, übrigens nicht nur Kindern, sondern auch Erwachsenen beim Kar tenspiel. Bei verschiedenen Brettspielen (Mühl fahren, Fuchs und Henn, usw.) werden sie auch als Brettsteine verwendet. * Homers Odyssee, in der Übersetzung von Heinrich Voß. ® Sebastian Brant, Das Narrenschiff. Übertragen von H. A. Junghans. Reclam-Ausgabe, Stuttgart 1964, S. 71. ® Vgl. dazu auch: Eduard Heinisch, Pflanzen im Kinder spiel. In: Heimatgaue, Linz 1936, S. 58—61; S. 59. ' Blümml und Höfer, a. a. O., S. 133. ® Blümml und Höfer (a. a. O., S. 133) führen als „Schnal zerl" noch den Blasenstrauch, dm Volksmunde Kletschenstaude, Enzian, aufgeblasenes Leinkraut, Wald nachtnelke und Klatschmohn an: „Zum Schnalzen (Kieschen) Kelch, unreife Früchte oder Blüthe wird auf die eine Hand gegeben, mit der anderen darauf geschlagen, und nun geht die Klescherei los, d. h. der Kelch etc. springt und die herausströmende Luft ver ursacht einen eigentümlichen Knall."

Zum Kugelscheiben (Grüberlscheiben) nimmt man APFEL- und BIRNBAUMFRÜCHTE im jungen Zustand, und die Gallen von EICHELN. 16 KASTANIEN und EICHELN werden auch als Wurfgeschosse verwendet. 17 KIRSCHKERNE kann man aus dem Mund schnellen und damit seinen Spielpartner be schießen. Außerdem bewerfen sich Buben gegenseitig gerne mit „KLETTEN", die besonders gut auf Woll sachen haften. Noch lieber werden die Kletten hinterrücks den Mädchen auf die Wollwesten oder in die Haare geworfen. 19 Die reifen Früchte des SPRINGKRAUTS läßt man von ganz kleinen Kindern berühren und ergötzt sich daran, wie sie verwundert erschrekken, wenn die Kapseln bei der ersten Berührung aufspringen und die Samen weit weggeschleu dert werden. Nicht umsonst trägt das Kräutlein auch den Namen „Rührmichnichtan". Von einem Halm des „FUCHSSCHWANZES" streift man die Blüten ab und dreht dann das gedrillte Ende des Stengels in die Haare des Part ners. Sie winden sich auf; wenn man nun anzieht, reißt man einige Haare aus. „Wer kann schneller einen Blumenstrauß machen, ich oder der Gärtner?" Dann gibt man dem Gefragten ein RISPENGRAS in die Hand, zieht den Halm rasch nach unten und das zwischen den Fingern Zurückgebliebene bildet den Strauß. 24 Man steckt sich eine CERSTENÄHRE mit dem Halm nach oben in den Rockärmel und schlenkert den Arm, wobei man spricht: „Hansl schliaf, Hansl schliaf!" Die Ähre rutscht von selbst bis zur Achselhöhle hinauf und kitzelt natürlich auch dabei. Besonders reizvoll ist es für Kinder, entweder sich selbst oder andere mit Pflanzen zu schmücken: Aus GÄNSEBLÜMCHEN flechten die Mädchen einen Kranz, den sie sich auf den Kopf legen. Hinter die Ohren steckt man sich KORNBLU MEN, WUCHERBLUMEN u. a. Die Ohren werden auch gerne mit reifen KIR SCHEN behängt. EICHELN werden mit Hilfe eines Taschen messers zu Ohrgehängen geformt. Diesen Halm verwenden Kinder auch als „Crillkitzler". Sie stecken ihn in ein Crilloch, drehen daran und sagen „Grill, Grill, komm heraus!" solange, bis der Grill beim Loch erscheint. Ein Kind hält einem andern ein HIRTEN TÄSCHCHEN hin und sagt: „Reiße einen Koch löffel ab!" Damit meint man die tatsächlich einem Kochlöffel ähnlichschauenden Schötchen. Wird das befolgt, dann wird das abreißende Kind verspottet: „Kochlöffeldieb! Kochlöffel dieb!" Aus LÖWENZAHNSTENCELN werden Ketten gemacht, indem man jeweils das dünne Ende in das dicke Ende einschiebt. Weiters kann man Schmuckketten aus aufge fädelten EICHELN, KASTANIEN oder APFEL KERNEN herstellen. Der klebrige Flügelsamen des AHORNS dient als „Zwicker" (Augenglas, Kneifer), den man sich auf die Nase zwicken karm.

Mit dem Saft von reifen, schwarzen KIRSCHEN und von HOLLERFRÜCHTEN bemalen sich die Kinder beim Spielen das Gesicht, machen sich einen Schnurrbart usw. Einen besonderen Reiz übt der LÖWENZAHN aus, zunächst wegen der leuchtend gelben Blü ten, dann aber auch wegen der langen hohlen Stengel und schließlich wegen der reifen Samen, die man wegpusten kaim. Deswegen heißt die Pflanze u. a. auch „Pusteblume". Der Pflanzen name „Löwenzahn" ist seit dem 16. Jahrhundert bekannt und soll sich auf die spitzgezahnten Blätter beziehen®. Die Pflanze selbst ist viel früher in die Literatur eingegangen. Konrad von Würzburg (ca. 1220 bis 1287) erwähnt schon im 13. Jahrhundert ihre Heilwirkung. Man nimmt sogar an, daß sie zu den „bittern Kräutern" zählt, die im 12. Kapitel des 2. Buches Moses erwähnt werden^®. Noch einige Löwenzahnspiele: vielleicht ist es da drinnen versteckt!" Nun fährt er dem Uneingeweihten mit dem Löwenzahn rasch in den Mund. Und der Hereingefallene muß die Waukerl auspusten. 35 LÖWENZAHN-Blumen werden abgerissen und „geköpft", so daß nur die hohlen Stengeln übrigbleiben. Die kerbt man auf der einen Seite ein und nimmt sie auf der anderen Seite in den Mund, iti dem man sie mit viel Speichel versieht und sorgfältig dreht. Die eingekerbten Teile drehen sich nach außen und bilden Spiralen. Der Stengel schaut aus wie ein sonderbar ge formter SchlüsseP®. Oberneukirchen Sehr willkommen ist die Pflanze dann dem Kind, wenn es sie sich einverleiben kann. Das geschieht allerdings fast nie aus einem körperlichen Be dürfnis wie Hunger und Durst, sondern aus Spieltrieb. Die reifen Samen des LÖWENZAHNS werden Lichterl genannt. Das Spiel heißt deswegen auch „Lichterl abblasen". Die ganze Krone der reifen Samen nennen die Kinder „Laterne". Sie procken einen verblühten Löwenzahn mit vollständiger „Laterne" sorgfältig ab — kein Flugsamen darf sich von selbst lösen — und blasen dann hinein. Jetzt fliegen die Samen davon. Die Laterne ist ausgeblasen. Richard erwähnt, daß dieses „Laterne aus pusten" mit allerhand Orakel verbunden war. Wir haben aus Oberösterreich keine diesbe zügliche Meldung erhalten. Riedl und Klier^^ ver merken, daß dazu folgender Spruch gesagt wurde: „Kinda, gehts schlafn, / Da Vater geht stehln, / D'Muada blast 's Liacht a!" Aus Ober österreich wurden uns keine solchen Sprüche zu diesem Spiel gemeldet. 34 Ein Bub nimmt einen verblühten LÖWENZAHN mit unbeschädigter „Laterne" und sagt zu einem Uneingeweihten: „Verstecke irgend etwas; mit dieser Wünschelrute (gemeint ist der Löwenzahn) finde ich alles." Sobald nun der Gegenstand versteckt ist, sucht er an verschiedenen Orten und befiehlt schließlich: „Mach den Mund auf. Im Frühjahr kauen die Kinder mit Vorliebe den SAUERAMPFER, später im Sommer den HA SENKLEE. Neben Apfel, Birne, Zwetschke, Kirsche werden auch Kerne von GETREIDE, BUCHECKERN, NÜSSE, HASELNÜSSE, DIRNDL, MEHL BEEREN usw. gern gegessen. 38 Aus den Blüten des KLEES wird der Nektar gesogen. Blümml und Höfer^* und ebenso Hei- ' Vgl. dazu: Der Große Duden. Etymologie. Mannheim 1963, S. 411. '"Moses 2, 12, 8: Und sollt also das Fleisch essen in derselben Nacht, am Feuer gebraten, und ungesäuert Brot, und sollt es mit bittem Kräutern essen. " Richard u. Klaus Beitl, Wörterbuch der deutschen Volkskunde, 3. Aufl., Stuttgart 1974, S. 517. Riedl und Klier, a. a. O., S. 90. Dieses Spiel wird bei Blümml und Höfer (a. a. O., S. 134, Nr. 32) als „Apfelbam, Maibam" bezeichnet. Der Spruch, der dabei gesprodaen wird, deutet auf unseren Spielnamen hin: Maibam, Birbam, Apflbam, Zwechpnbam Drah ma mein Schlüsserl z'samm. Blümml und Höfer, a. a. O., S. 132 f.

nisch^^ führen als „Sutzelbleaml" die Blüten der AKAZIE, des WIESENKLEES, des LÖWEN MAULS, der TAUBNESSEL und des BEIN WELLS an. Z. 3: Und a schöns Gipferl dra(u)f. Dann bist recht brav. Bauernkinder bohren junge BIRKEN an, leiten den Saft in Flaschen ab und benützen ihn zur Haarpflege oder trinken ihn. Konrad von Meyenherg (1309—1378) berichtet vom Trinken des Birkensaftes folgendes: „Ich waiz wol in dem maien, wenn der paum gar Saffig ist und man einen span dar auz hauwet, so vlenzt gar vil saffes dar auz, und trinkent ez diu kint auf dem gäw, wan ez süez und stinkt nicht^®." Früher wurden in Oberösterreich die Kinder häufig „in die Beeren" geschickt. Um das HEI DELBEERSAMMELN ist ein reicher Schatz von Kinderreimen und Liedern entstanden. Das meiste davon ist heute wohl schon vergessen. Einiges findet sich noch in volkskundlicher Lite ratur, weniges wird noch von Kindern gesprochen und gesimgen. Am Beginn des Heidelbeerpflüdcens wird der Heidelbeermann oder der Schwarzbeermann um Glück und Beistand beim Sammeln angerufen: Seppbeermann^^ Füll 's Häferl an! Weißkirchen 41 Beerenmann, Beerenmann, Füll ma mein Hafei an. Und a schön's Gipferl drauf, Schrein ma juchhu. Julbadi Bei Georg Stibler^^ wird dieser Beerenmann von 40 und 41 gleich „Gipfelmann" genannt, weil er dafür zu sorgen hat, daß Krug und Häferl der sammelnden Kinder so voll wird, daß oben ein Gipfel von Beeren ist: Gipfelmann, Gipfelmann, Füll ma mein Haferl an; Auf und auf, auf und auf Und a schens Gipferl drauf. Grieskirdien 1934 (Stibler) Um sich vor dem Ausschütten der gesammelten Heidelbeeren zu schützen, legen die Kinder in Helfenberg auf einen Grenzstein drei Heidel beeren, ein sogenanntes Beerenopfer, das sie „Zoll" nennen^®. Werm die Sammler in Gruppen um Heidelbeeren ausziehen, dann rufen sich die Vertreter der ein zelnen Ortschaften auf den Beerenhängen aller lei Aufmunterung und Spott zu, z. B. in der Ge gend von Piberschlag und Vorderweißenbach: Hoabedlbuam, Hoabedlbuam, Piperschläger, Was hab'n dö Hoabedlbuam Im Hoabedlzöga? Gegenruf: Hoabedlbuam, Hoabedlbuam, W eißenbäcker®®. Was habt's denn am Buckl An Hoabödlzöga. Schönegg Dö Tallinger Baun®^, Dö sammeln sö z'samm. E. Heinisch, Pflanzen im Mmderspieil, a. a. O., S. 59 f. Zitiert nach: Karl Wehrhan, Kiinderlied und Kinder spiel. Leipzig 1909, S. 51. " „Seppbeer" oder „Söhbeer" wurden die Heidelbeeren in der Gegend zwischen Wels und Wedßkirchen ge nannt. Vgl. dazu auch Anm. 28. Georg Stibler, Einiges über oberösterreichische Volks weisen. In: Heimatgaue, Linz 1934, S. 1—15; S. 3 f. Vgl. dazu auch: H. Hepding, Über alte Bräuche beim Beerensammeln. In: Ztschrft. f. Volkskunde, 27 (1917), S. 278. — H. Hepding, Die Heidelbeeren im Volks brauch. In: Hessische Blätter für Volkskunde, 22 (1923), S. 1—50. — Eberhard Freiherr von Kuenssberg, Rechts brauch im Kinderspiel. Untersuchungen zur deutschen Rechtsgeschichte xmd Volkskunde. Heidelberg 1952 (2.), S. 35 und 47. 20 Weißenbach = Vorderweißenbach. ^ „Tallinger" oder „Talerische" werden die Bewohner des Tales, der Ebene, bezeichnet.

Dö fress'n uns d'Hoabeer weg, daß mir wieder nix hab'n. Lichtenberg Heuer is a weng besser wia feaht^^, Heuer hat's uns do(ch) d'Hoabeer net g'freart. D' Tallinger wissen's schon. Ruckern ganz Schübeln an, Nehmant eahn d' Häfen mit, Procken s' uns weg. Lichtenberg 48 Wenn mehrere Kinder sammeln, ist natürlich je der neugierig, wieweit der andere sein Häferl schon voll hat. Das verleitet manchen zum Lügen und Prahlen: Voll han i, voll han i. Geht ma nur die groß' Beer a(b). G'log'n han i, g'glog'n han i. Geht ma nuh viel mehr a(b). Grieskirchen 1934 (Stibler)^^ 49 Wer aber sein Häferl wirklich nicht voll bringt, der wird mit folgenden Worten geneckt: Larimasch, Larimasch, Hast dös ganz Holz auspascht^^. St. Pantaleon 1929 (Veichtlbauer)^^ 50 Beim Heimgehen vom Beerenprocken wird ge sungen: Han g'öbnet, han bödnet, Han g'mittelt, han kragelt, Han voll g'habt, han gupft; Han 's Beermandl g'rupft, Han's g'rupft, han's g'rauft, Han d' Födern verkauft, Han's Geldl versuffen. Jetzt bin ih voll Rausch^®! Bei diesen Worten schlenkern die Kinder mit den müden Gliedern oder lassen sich auf einen wei chen Rasen niederfallen und erinnern so tatsäch lich an einen Berauschten. Grieskirchen 1934 (Stibler)"'' 51 Hoamhell, hoamhell. Vom Zöbirfel(d)^®, Ham gessen, Ham trunka, Ham do nix anbrunga. St. Pantaleon 1929 (Veiditlbauer)^' Eine für den Bauern in der vorindustriellen Ge sellschaft sehr wichtige Beschäftigung der Kinder war das Hüten. Auch dabei entstanden Reime, Lieder und Spiele. Wenn das Vieh eine gute Weide fand, hatten die Hüterbuben Zeit zum Schnitzen von allerlei Figuren und die Mädchen zum Schmuckanfertigen aus Blüten und Stengeln oder zum Herstellen von Püppchen aus Tannen zapfen oder aus Blütenblättern. Zwischendurch wollte man manchmal die „genaue Zeit" wissen. Auch da wußte man sich mit einem Pflanzenspiel zu helfen: 52 Mit der KORNRADE, die im oberen Mühlvier tel auch „Uhrblume" genannt wird, kann man nach Kindermeinung die Uhrzeit feststellen. Man pflückt sie kurzstengelig ab, nimmt den Stengel knapp unter der Blüte und dreht ihn mit Dau men und Zeigefinger, bis sich die Blütenblätter wie die Zeiger einer Uhr zu drehen beginnen, wobei man aus der Stellung der Blüten die Zeit abzulesen versucht. Dabei spricht man: Lieber Gott, karmst du mir sagen. Wieviel Uhr hat es geschlagen? ^ Johann Sigl, Unsere Volksmundart. In: Beiträge zur Landes- und Volkskunde des Mühlviertels, 17. Bänd chen, Rohrbach 1933, S. 19—52. S. 26: fert = voriges Jahr. Georg Stibler, a. a. O., S. 3 f. paschen oder audi pratschen = gehen mit großen Schritten. Johaim Veichtlbauer, Einige Ergänzungen aus St. Pan taleon zu Dr. Commendas „Volkskundlichen Streif zügen". In: Heimatgaue, Linz 1929, S. 81—83; S. 81. K. Wehrhan (Kinderlied und Kinderspiel, Leipzig 1909, S. 24) berichtet einen ähnlichen Spruch: Roll, roll, roll! Mei Topp is voll, Mei Bauch is leer, Mei Kopf is schwer, Heuer sein viel schwarze Beer. G. Stibler, a. a. O., S. 4. ^ Zöbirfeld = Feld, auf dem die „Zöbir" (= Zechbeere, eßbare Beere, zum Unterschied von der Preiselbeere, die damals noch als ungenießbar galt) wädist. Vgl. dazu auch Anm. 17. J. Veichtlbauer, a. a. O., S. 81.

Nicht zu früh und nicht zu spät. Bis der Zeiger richtig steht. Altenberg Eine etwas komplizierte Art, die Uhrzeit festzu stellen, wurde uns aus der Welser Gegend über liefert: Einen GRASHALM knickt man etwa in Länge des Ringfingers ab, dann steckt man ihn so zwi schen kleinen Finger und Ringfinger der rechten Hand, daß er in Fingerlänge senkrecht empor ragt. Hierauf legt man beide Hände mit einge zogenen Daumen und ausgestreckten Fingern waagrecht nebeneinander und richtet sie so ge gen die Sonne, daß der Schatten im rechten Winkel über die Finger fällt. So viele Finger der Schatten nun berührt, soviel Uhr ist es. Weißkirchen 1914 In Auen an den größeren Flüssen des Landes und in aufgelassenen Schottergruben gibt es viele WEIDEN; die Kinder schneiden davon gerne Ruten ab und bauen damit Hütten. Auf dieses Kinderspiel hat übrigens schon vor 2000 Jahren der lateinische Dichter Tibull (50 bis 19 V. Chr.) hingewiesen. Er schreibt im 1. Ka pitel des 2. Buches seiner „Gedichte": „Viele Kinder der Sklaven, ein Zeichen gesicherten Wohlstands, j Spielen, aus Rutengeflecht bauen sie Hütten sich auf®"." Natürlich kann man mit den Weiden auch noch manche andere Dinge machen. Am bekanntesten ist die Herstellung von Pfeifchen aus Weidenrinden®^. Die erste schriftliche Erwähnung der „Rindenpfeifflin" findet sich bereits im Jahre 1575 in Johann Fischarts „Gargantua", und zwar im Spielverzeichnis des 25. Kapitels. Heute wis sen nicht mehr viele Kinder, wie man ein Wei den- oder Felberpfeifchen macht. Die wenigen Sprüche, die wir für diese Abteilung erhalten ha ben, stammen zum Teil von älteren Gewährs leuten, zum Teil aus früher angelegten SammlunRindenpfeifchen werden aus Gerten von WEI DEN (FELBER), mitunter aber auch aus ESCHEN gemacht. Dazu muß man von einem etwa 7 bis 10 cm langen Stock die Rinde abklopfen. Am besten geht das im Frühling, wenn der Baum im Saft steht. Die so entstandenen Pfeiferl wurden daher in Oberösterreich auch Maienpfeiferl ge nannt. Das Abklopfen ist eine langwierige Ar beit. Es geschieht am besten mit dem Rücken des Taschenmessers. Man muß vorsichtig klopfen, bis sich die Rinde leicht vom Holz löst. Bei dieser Arbeit wurden früher meist Pfeiferlsprüche ge sungen oder im Klopftakt heruntergeleiert. Sie sollten einerseits die Rinde beschwören, herun terzugehen und nicht zu zerreißen, andererseits sollten sie dafür sorgen, daß der Klopfrhythmus eingehalten wurde®®. Fölberne Rindn, Laß di schindn. Laß di schobn, Sunst hau i di in Grabn. Krumau (Heimathaus Freistadt) Z. 4: Laß dir dei(n) Fell übern Kopf abi schabn. Laß d' di nit schabn. Wirf i di in Grabn, Fressen di d' Würma und d' Schabn. Freistadt um 1880 (Heimathaus) Pfeiferl, geh a. Geh mit mir in Klee a. Klaffer Pfeiferl geh a(b), Sunst wirf ih dih ön Bah, 3» Zitiert nach: Tibull, Gedichte. Aus dem Lateinischen übertragen und erläutert von Friedrich Walther Lenz. Reclam-Universal-Bibliothek Nr. 1582, S. 31. 31 Vgl. dazu: K. Paganini: Die Herstellung der Weidenpfeifen. In: Wiener Ztschrft. f. Volkskunde, 38 (1933), S. 109—111, miit Abb. — R. Löschnauer, Das Pfeiferl machen. In: Kinderspiele unseres Ortes (Sieggraben). Volk und Heimat VIII (1955, Heft 11). 33 Vgl. dazu: K. Bücher, Arbeit und Rhythmus. 6. Aufl. Leipzig 1924, S. 362, mit Melodie.

Sunst wirf ih dih in Schindtergrabn®^, Da frössn dih aft d' Maus und d' Schabn. Sipbadizell 1930 (Ruiimann) Pfeiferl, geh a(b), Ih wirf dih ön Bah, Hängan da d' Lumpn Und d' Haderna nah. Sigharting (Ruitmann) Wenn das Pfeiferl fertig ist und das Kind mit dem Pfeifen gar nicht aufhören will, wird es von der Mutter oder von älteren Geschwistern ge neckt: Didlö, Didlö, 's Pfeiferl tuat schö(n). Aber wann's amol brocha is, Tuat's nimmer so schö(n). Helfenberg Pipei, Pipei, geh a(b). Friß ön Bau'n ön Klee a(b). Laß eahm nu a Scheckal stehn. Daß er ka(nn) i(n)s Wirtshaus geh(n). Vorderweißenbach und Alberndorf Z. 5: Gibt eahm die Wirtin a Mili, Mili, Mili mag i net. Wirft 's a aft in Schindergrabn, Fressn 's Hund und Rabn, Rabn, Rabn. ca. 1880 (Heimathaus Freistadt) Pfeiferl, Pfeiferl, geh ou, Brouk an Bauern ön Klee ou, Los eahm nou a bisserl stein. Daß er kaun ins Wirtshaus gein. Krumau (Heimathaus Freistadt) Pfeiferl, Pfeiferl, geh. Sonst werf ich dich in Schnee, Sonst werf ich dich in Schindergrabn, Daß dich alle Leut' erschlagn. Andorf O du mein Felbamerl, Laß di sehen winden; Laß da dein Hauderl Von Köpferl a(b)schinden! Grieskirdien 1934 (Stihler)^* Büchsenböderl, geh a. Friß an Bauern an Klee a. Laß iehm dort und da a Schöckl stehn; Kann a heut und morgn öns Wirtshaus gehn. Grieskirchen 1934 (Stihler)'* Wenn man haben will, daß das Kind mit dem Pfeifen aufhört, sagt man: Dulileilei, 's Pfeift tuat schön, 's Pfeift muaß schlafn. Und du muaßt heihei. Mitteraubach, P. Neukirchen Pfeiferl kaim man auch aus dem LÖWENZAHN machen. Dazu reißt man ein ungefähr 5 cm lan ges Stück des Stengels ab, drückt es auf einem Ende flach zusammen und steckt es, trotz des bitteren Geschmackes, zum Blasen in den Mund. Ebenso läßt sich aus dem Stengel des WASSER SCHIERLINGS ein Pfeifchen machen. Man nimmt ein ca. 10 cm langes Stück und ritzt einen 3 bis 4 cm langen Schnitt hinein. Fertig ist das Pfeif erl. Pfeiftöne kann man aber auch mit anderen Hilfs mitteln erzeugen. Wolfram von Eschenbadi (ca. 1170—1220)35 erwähnt bereits das Blasen auf BLÄTTERN. Man spannt dazu ein Grasblatt zwischen den beiden Daumen und bläst durch ä' Etymologie-Duden: Das dt. Verb mhd. schinden, ahd. scinten „enthäuten", „schälen" steckt audi im engl. skin und bedeutet „Haut, Feil". Schinden bedeutet im eigentl. Sinn das Abhäuten gefallener Tiere. Der Tier kadaver wurde im sogenannten „Schindergrabn" ver scharrt. — In diesen Sprüchen ist auch der Zusammen hang gegeben mit Haut (= Rinde) abziehen, ab schälen. ^ G. Stibler, a. a. O., S. 2 f. Hier zitiert nach; Wehrhan, a. a. O., S. 51.

einen Spalt zwischen dem Blatt imd den Dau men in die hohle Hand. Wenn man das „Schüsselchen" der EICHEL zwischen die abgebogenen Finger klemmt und scharf darüber bläst, entsteht ebenfalls ein Pfeifton®®. Röhrenblüten aus, legt sie auf den Handrücken und schlägt mit der anderen Hand von unten so daran, daß die meisten Blüten herunterfallen. Die Anzahl der noch oben gebliebenen gibt die An zahl der zu erwartenden Kinder an. Wenn beim ersten Schlag noch zu viele Blüten auf dem Handrücken bleiben, fügt man einen zweiten und notfalls auch einen dritten Schlag an. Wenn man das Blütenblatt des KLATSCH MOHNS ausgespannt auf die Lippen legt und leicht bläst, entsteht ein eigenartiger Summton. Linz-Kleinmünchen 1920 Manchmal werden Pflanzen auch als Entschei dungshilfen in zweifelhaften Situationen oder zum Deuten der Zukunft verwendet: Die WUCfiERBLUME (MARGUERITE) dient als Liebesorakel und hat davon auch seinen Na men „ORAKELBLUME": Während man den Orakelspruch sagt, werden die weißen Rand blüten der Reihe nach ausgezupft. Das letzte Blütenblatt bestimmt den Zustand: Verliebt, Verlobt, Verheiratet. Zusatz zum Orakelspruch von 74: Geschieden, Gestorben, Verdorben. Zu 74 ein anderer Orakelspruch: Er liebt mich. Von Herzen, Mit Schmerzen, Insgeheim, Ganz allein. Ein bißchen. Ein wenig, Oder gar nidit. LÖWENZAHNSTENGEL werden etwas gespal ten und ins Wasser gelegt. Sie ringeln sich dann auf und bilden allerlei Figuren, aus denen man Buchstaben herauslesen oder die Zukunft deu ten kann. Am ehesten hätte man hier einen Zusammen hang zwischen Pflanzenspielen der Kinder und Bauernregeln erwartet, denn es ist bekannt, daß die Eigenschaft des Sich-Einrollens oder -Entrollens, die gewisse Pflanzenteile aufweisen und die man sich bei der Herstellung von Hygrome tern zunutze gemacht hat, dem Bauern hilft, das Wetter vorauszusagen. In dieser Absicht hängt man an den Türen von Ställen und Almhütten Tannenzapfen auf und beobachtet Disteln: „Wenn sie sich öffnen, bedeutet es Regen®^." Aber für Kinder ist jede praktische Ausnützbarkeit eines Naturgesetzes beim Spiel völlig un interessant. Wir konnten keinerlei Parallelen zwischen Wetterregeln und Kinderreimen fest stellen. „Spielen wir verstecken!" — „Gut, aber wie losen wir aus? Durch Abzählen oder durch Halm ziehen?" — „Durch Halmziehen. Wer auf die Hand schlägt, in der ich den HALM habe, muß einschauen." Dieses „Halmziehen" finden wir schon am Ende des 14. Jahrhunderts in einem allegorischen Lehr gedicht „Der Tugenden Schatz" vom elsässischen Dichter Meister Altswert erwähnt. Später führt es Johann Fischart (ca. 1546—1590) als Kinder spiel an. Allerdings wurde es früher nicht so ein fach wie hier durchgeführt, sondern als Orakel: Auch nach der Anzahl der Kinder, die man zu erwarten hat, kann man die Orakelblume befra gen. Man zupft zu diesem Zweck die gelben Vgl. dazu: E. Heinisch, a. a. O., S. 59. " Vgl. dazu: Albert Hauser, Bauernregeln. Zürich und München 1973, S. 106.

„So viele Halme das Mädchen aus dem Stroh dach zieht, bis sie eine Ähre findet, soviel Jahre bleibt sie noch ledig®®." Nach ZingerZe®® geht das Halmziehen auf uralte Rechtsbräuche zurück. So soll im Mittelalter die Übergabe eines Halmes (vielleicht als Ersatz des Rasens) oder Stabes (festuca) eine sinnbildliche Form der Grund stücksübereignung gewesen sein. Wehrhan*'* weist darauf hin, daß das Losen auch dann noch „Halmziehen" genannt wurde, als man längst keinen Halm mehr dazu verwendete. Das folgende Beispiel soll zeigen, daß man die Namen von Pflanzen auch für Abzählreime ver wendet : Im Walde stehen BUCHEN und du mußt suchen. Im Walde stehen EICHEN und du mußt weichen. Im Walde stehen TANNEN und du mußt fangen. Im Walde stehen FICHTEN und du mußt dichten. Schlägl Georg Stihler** berichtet von einem kindertümlichen Erntelied: Wenn die Kinder mit improvisierten Fahnen zu den vollbeladenen ZWETSCHKENBAUMEN zur Ernte ziehen, singen sie: Heidö, heidö, Zwötschken han schon zeitö. Wann na kein Reif nöt kam Uber mein Zwötschkenbam! Ich bringe noch einige Beispiele für kindertümliche Reimspielereien, die mitunter auch von Er wachsenen beeinflußt wurden: Buabn, Cehts ma net in d' RUABNl Dö weißn Mögts net beißn, Dö gelbn Mag i selbn. 84 Da RADI Für Kathi, D' RUABN Für d' Buabn, D' RAUNA Für d' Mauna. Hellmonsödt Walding Drenta da Doana, wo d' FELBERSTÖCK stehn. Dort hat da alt Teufel den jungen darennt. Er hat 'n darennt und er hat 'n danaht Und er hat eahm dös Einwendi auswendi draht. Lacken, Kollerschlag Manchmal werden Pflanzen in Kinderreimen auch einfach als „Füller" verwendet. Auch dafür einige Beispiele: 86 ZIZALBAM, Zizalbam, Wachst in mein Gartn, Wann dös kloa Liesal kam. Sagst, sie soll wartn, Wann's fragat, wo i bin. Sagst, i war g'storbn. Wann sie recht woana tat. Sagst, i kimm morgn. Untergeng Wenn ein Bub zwischen zwei Mädchen sitzt, wird er von anderen mit folgendem Spruch ge neckt: Zwischen ROSEN und Blüten Sitzt der Esel in der Mitten. Wenn er schlagfertig ist, dann erwidert er mit folgendem Reim: Zwischen Dornen und Hecken Kann auch eine Rose stecken. Hellmonsödt Spannenlanger Hansel, nudeldicke Dirn! Gehn wir in den Garten, Schütteln wir die BIRN'! Schüttle ich die großen. 38 Beitl, a. a. O., S. 320. 39 Ignaz Vinzenz Zingerle, Das deutsche Kinderspiel im Mittelalter. Wien 1868. Innsbruck 1873 (2.), S. 32 f. Wehrhan, a. a. O., S. 52. ^ G. Stibler, a. a. O., S. 4.

Schüttelst du die klein'. Wenn das Sackerl voll ist, Gehn wir wieder heim. Es brennt rund ums Haus und brennt doch kein Loch heraus. (BRENNESSEL) ROSMARIN und TYMIAN Wächst in unserm Garten. Mutter, gib mir einen Mann, Will nicht länger warten. Höre, was die Mutter sagt; Sauer ist nicht süße. Nimm dir keinen Pferdeknecht, Der hat krumme Füße. Nimm dir einen aus der Stadt, Der gewichste Stiefel hat. Es brennt Tag und Nacht und verbrennt doch nicht. (BRENNESSEL) Es hat neun Häute und beißt alle Leute. (ZWIEBEL) 93 Welche Kerze wächst auf dem Felde? (KÖNIGSKERZE) Z. 1: PETERSIL und SUPPENKRAUT Wächst in unserm Garten. Jungfer Anna ist die Braut.. . Die Reime 86—88 sind Reigenrelikte. Die Melo die ist ganz einfach und besteht nur aus drei Tönen: Pe-fer-sil und Sup-pen-knaut wachst in unserm <3ar-ien... Diese Tonfolge wird fortwährend wiederholt. Die Kinder fassen einander bei den Händen und führen singend einen einfachen Schreittanz aus. Weitere Reigenlieder, die Pflanzennamen be inhalten, habe ich in den „Oberösterreichischen Kinderspielen" angeführt*-, so kommt dort in Nr. 203 bis 208 und 213 die HOLLERSTAUDE vor, in Nr. 219 der APFELBAUM, in Nr. 244 und 245 geht es um KIRSCHEN und in Nr. 210 und 220 bis 223 um APRIKOSEN, VEILCHEN und VERGISSMEINNICHT. Auf meine Rrmdfrage nach volkstümlichem Sprach- und Spielgut der oberösterreichischen Kinder habe ich auch einige hundert Rätsel er halten. Darunter waren viele Pflanzenrätsel. Am häufigsten wurden BRENNESSEL und ZWIEBEL in Rätseln verstedkt: Weiß wie Schnee, Grün wie Klee, Rot wie Blut, Schmeckt allen Kindern gut. (KIRSCHE) 95 Wo wächst der beste WEIN? (Nirgends, überall nur Trauben)*® Wann hab'n d' Leut an großn Glaubn, (Beim ERDÄPFELKLAUBN) Liebenau (Ruttmann) Es wachst aus da Erdn Und ziagt an iadn (jeden) an: ön Kaisa und ön Kini Und a ön Bedlmann. (FLACHS) St. Gotthard Klein wie der Kümmel, Blau wie der Himmel, Grün wie das Gras — Sag, was ist das? (FLACHS) Rohrbach O. Kampmüller, Oberösterreichdsdie Kinderspiele, a. a. O., S. 70—108. Adalbert Depiny, Volksrätsel aus P. Amand Baumgar tens Nachlaß. In: Heimatgaue. Linz 1935, S. 192—196. Sie stammen vorwiegend aus Vorchdorf.

A rundes Haus mit a paar Stubn, In jeder kugeln Kinder rum. (MOHNKAPSEL) Sandl Steht a Manderl in de Höh, Hat die Hosn voller Flöh. (MOHNKAPSEL) Sandl Um viele Pflanzen haben sich Kinder- und Volks lieder gebildet. Sie sind aber meist so weit ver breitet und so allgemein bekannt, daß wir sie hier nicht eigens anführen. Nur exemplarisch sei auf einige wenige hingewiesen: TANNE (O Tannenbaum...); LINDE (Am Brunnen vor dem Tore...); ROSE und HOL LER bzw. FLIEDER (Rosenstock, Holderblüh, wann i mein Dirnderl sieh.. .); HEIDENRÖSLEIN (Sah ein Knab' ein Röslein stehn...); HASELNUSS (Schwarzbraun ist die Hasel nuß...); NARZISSE, HIMMELSCHLÜSSEL, HYAZINTHE, TÜRKENBUND, ROSE, LI LIE, KAISERKRONE (Es ist ein Schnitter, der heißt Tod...); ZWIEBEL (Will ich in mein Gärtlein gehn, will mein Zwiebel gießen...); ROSEN, NELKEN, WEINSTOCK (Schön ist die Jugend...); LILIE (Drei Lilien...); FLIEGEN PILZ (Ein Männlein steht im Walde.. .); VEIL CHEN (Ei Veilchen, liebes Veilchen...); LÖ WENZAHN (Löwenzahn, Löwenzahn, zünde dein Lichtlein an!); KRAUT und RÜBEN (Kraut und Rüben haben mich vertrieben; Hätt die Mut ter Fleisch gekocht, wäre ich geblieben); APFEL BAUM (Apfelbaum, Apfelbaum, stehst in unserm Garten, wirf mir doch die Äpfel runter, ich will nicht mehr warten.); APFEL, BIRNE, ZWETSCHKE (Schöne rote Äpfel, schöne gelbe Birnen, Zwetschken mit dem harten Kern essen alle Kinder gern); HEIDELBEER (Heidelbeer, Heidelbeer, o mei Häferl is no leer! Wann's nur schon bald Abend wär und mein Häferl voll wär); KIRSCHE (Ju, ja! Grün ist der Kirschen baum, ju, ja, grün ist der Baum); KIRSCHEN, TRAUBEN, ÄPFEL (Rote Kirschen eß ich gern, schwarze noch viel lieber ...); GÄNSEBLÜM CHEN (Gänseblümchen, Gänseblümchen, blühst auf unsrer Wiese! Kommt der kleine Hans daher, pflückt dich für die Liese). In den Liedern für Erwachsene halten sich Tiere und Pflanzen die Waage; in den ausgesproche nen Kinderliedern aber gibt es ungefähr doppelt soviel Tier- wie Pflanzenlieder. Das könnte dar auf hindeuten, daß für die Kinder Tiere dodi viel faszinierender sind als Pflanzen, was man aber wieder bezweifelt, wenn man bedenkt, daß die Kinder mit den Pflanzen immer wieder neue Beschäftigungsmöglichkeiten erfinden^^, wogegen sie sich bei den Tieren mehr mit dem Traditio nellen begnügen. Tiere sind mehr oder weniger bloß literarisches Beiwerk, auch dort, wo sie noch eine wichtige Rolle im Leben des Kindes spielen, wie zum Beispiel im MühlvierteP®. Man spielt nicht mehr mit Tieren, so wie früher; man läßt sich von Tieren erzählen. Aber selbst die alten Tiermärchen, in denen vielleicht noch Überreste mittelalterlicher Volksdichtung stecken, geraten schon vielfach in Vergessenheit. Früher wurden sie dem Kind immer wieder von Eltern und Großeltern vorgesagt. Schon fürs Aufstehen der Kinder wußte die Mutter den folgenden KettenAuf, auf! sagt da Auf (die EULE). Is schon Tag? sagt da ÄFF. Na, was denn, sagt die HENN. Gehn ma uns g'wandtn! sagt die ANT'N. Wer ma schon bald roas'n? sagt die MOASN. Wo aus? sagt d' MAUS. Ins Gras, sagt da HAS. Kimmt da WIDDA, steßt uns nieda. Dös is koa Gspoaß, sagt die GOASS. Gehn ma am Tanz! sagt die GANS. Laß ma a Ruah! sagt die KUAH. Wenn das Kind zu irgendeiner Verrichtung auf gefordert werden sollte, so geschah auch das mittmter poetisch, etwa mit dem folgenden Ketten- ** Vgl. dazu die Nr. 1—39. Vgl. dazu auch: O. Kampmüller, Kind und Tier. In: Jugendrotkreuz und Erzieher, Bonn 1964, 7, 108—110, und O. Kampmüller, Eine Arche Noah für diese Zeit. In: Eltern Zeitschrift, Zürich, 1967, 4, 67—69.

Gehn ma, gehn ma! Sagt da BREMA. Wo denn hi(n)? Sagt da GRI(LL). Tanz'n, tanz'n, Sag'n die WANZ'N. Hab koa(n) Kladl, Sagt das FADL. Wirst scho(n) kriag'n. Sagt die FLIAG'N. Von wem? Sagt die RENN. Von da Godl, Sagt da JODL. Ha, an Schoaß! Sagt die GOASS. Sagt ma das? Sagt da HAS. Aber ja! Sagt da FLOH. Sagt da HAHN. I mua mi erst g'wand'n. Sagt d' ANT'N. I brauch nu a Haub'n, Sagt die TAUB'N. Was hast denn da im Sackl? Sagt da Hackl^®. A paar Oal (Eier), Sagt da Hoal^®. Gehn ma auf d' Eisenbahn! Sagt da Sporahäuslmann^®. Da führ'n s' uns ja z'samm. Sagt da Schulmoasta z' Pram. Das wird aba lustig. Sagt die Schulmoasta-Gusti. Heut' is's aba kalt. Sagt da Frowold^®. Is net so aus. Sagt da Beadbaus^®. Wird schon wieder wearna. Sagt da Opazeana^®. Walding Z. 19: Bitte nein. Sagt das SCHWEIN. Z. 13: Nu von mir. Sagt da STIER. Dumme Nudl! Sagt da PUDL. G'hört si(ch) das? Sagt da HAS. Bitte nein! Sagt das SCHWEIN. 105 Z. 19: Scheiß di net an! Sagt da HAHN. Gebts a Ruah! Sagt die KUAH, Und die Stalltür fliagt schon zua. Kremsmünster Untergeng Ottensheim Heute nacht ist Ball, Sprach die NACHTIGALL. Wo? Sprach der FLOH. Auf der Tenn', Sprach die RENN'. Was werden wir essen? Sprachen die WESPEN. Nudeln, Sprachen die PUDELN. Was werden wir trinken? Sprachen die FINKEN. Bier, Sprach der STIER. Nein, Wein! Sprach das SCHWEIN. Wo werden wir tanzen? Sprachen die WANZEN. Im Haus, Sprach die MAUS. Auf dem Tisch, Sprach der FISCH. Hier handelt es sidi wahrsdieinlich um Haus- oder Personennamen.

Auf dem Herd, Sprach das PFERD. Wir werden schlafen, Sprachen die KATZEN. Ich will a Ruh! Sprach die KUH. Ottensheim Wie die vorhergehenden Beispiele zeigen, wur den diese Reimgeschichten nicht nur übernom men, sondern zum Teil auch selbständig umge dichtet und neu gedichtet. Versuche, die Sprache der Tiere nachzuahmen, sind kaum erkennbar. Auch die Wesensart der Tiere wird in diesen Reimereien in keiner Weise berücksichtigt. Man kann darum auch keinerlei Parallelen zu Fabeln finden. Heute kommen Kinder vielleicht noch am ehe sten mit KATZEN in Berührung. Diese Tiere üben auf viele Menschen eine ganz eigenartige Bezauberung aus: man kann sie streicheln, bis sie schnurren, man kann ihnen übers Fell strei chen, daß in der Dunkelheit die Funken sprühen, sie wirken liebenswert, aber auch gefährlich und dämonisch, selbst dann, wenn man nicht weiß, daß sie im Mittelalter als die Tiere der Hexen galten und daß der schwarze Kater Symbol des Teufels war. Diese starke zwiespältige Verwur zelung im Gefühlsleben des Menschen mag dazu beigetragen haben, daß Katzen-Kinderreime und -spiele so zahlreich eingeschickt wurden. Freilich ist auch hier vieles Reimspielerei, zu der die Katze oder eigentlich bloß ihr Name herhalten muß. Es gibt aber auch einige Reime, in denen auf die Lebensweise der Katze eingegangen wird, und sogar solche, in denen ihre Ausdrucks weise sprachlich nachgeahmt wird, wie z. B. im folgenden: Wie die Katzen schnurren: Ri(t)stroh^^, Habernstroh, Katz is um d' Supp'n froh. Altenfelden (Kadane) Miau, Mio, Miau, Mio, Laß stehn, sonst brennst du lichterloh. Offensichtlich wurde dieser Spruch, der uns mehrmals eingesandt wurde und unter dem ein mal stand: „Damit ermahnt man die kleinen Kin der, nicht zu feuerin", aus dem Bilderbuch „Struwwelpeter" des Frankfurter Arztes Hein rich Hoffmann (1809—1894) übernommen. Unser Katz hat Katzerln g'habt, Dreie, sechse, neune, Gans, des hat a Ringerl auf. Dös is schon das meine. St. Marienkirchen bei Schärding Z. 2: Siebne, achte, neune. Die das schwarze Fleckerl hat. Ja, das ist die meine. Oberneukirchen Z. 3: 's neunte hat kein Schweif erl kriegt. Steck ma's wieder eine. Gramastetten Einige dieser Kosereime sind über hundert Jahre alt. Einen ähnlichen Spruch bringt bereits Matthias Höfer'^^: „Unser Katz hat Katzerl bracht, simme, achte, neune, das, das weiße Pratzerl hat, dasselbe ist das meine." In zahlreichen Varianten wurde der Spruch ge meldet. Unser Katz heißt Mohrle, Hat ein schwarzes Ohrle, Hat ein schwarzes Fell, Und wenn es was zu schlecken gibt. Dann ist sie gleich zur Stell. Pabneukirchen Die Katze sagt: Nußbam, Bir(n)bam, Wann amal a Maus kam! Sipbachzell 1930 (Ruttmann) " Ri(t) Stroh wurde das zerrüttete Stroh genannt, z. B. jenes, das beim Dachdecken vom Schaub herausfiel. Matthias Höfer, Ethymologiisches Wörterbuch der in Oberdeutschland, vorzüglich aber in Österreich üblichen Mundart. 3 Teile. Linz 1815; I, S. 109.

115 Z. 3: Augen, die sind grün. Und abends, wenn es dunkel wird. Beginnen sie zu glühn. D' Bäuerin hat d' Katz verlor'n, Woaß net, wo s' is, Rermt im Dorf auf und a(b): „Muzei, wo bist?" 's Muzei is g'fangen word'n. Sitzt im Arrest, D' Bäuerin hat a koa(n) Geld, Daß ihr's auslöst. Lichtenberg Weikersdorf Bim, bam, d' Katz is krank, (Dabei wird die Nase des Kindes hin und her bewegt.) Mesner läut', Kaiberl schreit: Au. (Dabei wird das Kind hineingezwickt.) 118 Z. 4: Kuah schreit: Muh! 119 D' Mietz is krank Sitzt verdrießlich auf der Bank. Linz 1928 (Commenday 120 Bim, bam, beier. Die Katz frißt keine Eier. Was mag sie daim? Speck in der Pfann. Es kann angenommen werden, daß viele Reime Reste ursprünglicher Spiele sind. Häufig handelt es sich um Reigen. Das Spiel ist in Vergessen heit geraten oder abgeändert worden. Bestehen blieben Teile des Spieldialogs, des Reimes: 's Katzerl kinnt mi beiß'n. A: Nimmst da halt a Staberl, Haust da 's ihr aufs Schnaberl, Dann wird s' di nimma beiß'n. Das wird auch als Reigen gespielt. Mehrere Kin der bilden einen Kreis. A marschiert herum und beginnt seinen Spruch, indem es ein bestimmtes Kind damit anredet. B weigert sich zuerst, mit zukommen, wird aber dann von A mit dem Spruch doch gewonnen, bei der Hand gefaßt und mitgezogen. Auch das Spiel „Katz und Maus" kann als Rei gen ausgeführt werden. Hier haben sich aber Spiel und Reim schon fast vollkommen vonein ander gelöst. Der Reim wird noch gerne ge sprochen und das Spiel wird noch häufig gespielt. Aber beides wird kaum mehr miteinander ver bunden: Katz und Maus. Die Kinder bilden einen Kreis. Ein Kind stellt die Maus vor und steht innerhalb des Kreises, ein anderes ist die Katze, steht außerhalb des Kreises und soll die Maus fangen. Katze: Maus, Maus, komm heraus 1 Maus: Nein, nein, ich mag nicht. Katze: Dann kratz' ich dir die Augen aus. Maus: Und ich, ich schlüpf beim Loch hinaus. Nach diesem Spieldialog beginnt das Fangspiel zwischen Katz und Maus. Aus dem Spiel „Katz und Maus" ist später das bekannte „Drittab schlagen"®® geworden. 123 Wir fahren nach Jerusalem, Wer fährt mit? Die Katze mit dem langen Schwanz, Die fährt mit. Das ist der literarische Rest eines Fingerspiels, das ich an anderen Orten beschrieben habe®'. Hans Commenda führt in seinen „VolkskundA: Annamirl, Katzeng'schirrl, Geh mit mir in Keller Um a Weinl, um a Bierl, Um an Muskateller. B: I trau mi net, i trau mi net. Hans Commenda, Volkskundlictie Streifzüge durch den Linzer Alltag. In: Heimatgaue, Linz 1928, S. 32—52, S. 157—165, S. 219—233; 1929, S. 274—278; 1930, S. 8 ff., 210 ff., 1931, S. 180 ff. IX (1929), S. 224. Beschrieben bei: O. Kampmüller, Spiele, spielend leicht. Wien 1974 (2.), S. 82. " O. Kampmüller, Oberösterreichische Kinderspiele, a. a. O., S. 22.

liehen Streifzügen durch den Linzer Alltag"®^ ein Gespräch zwischen Katze und Hausfrau an, hin ter dem man noch ein bißchen den „pädagogi schen Zeigefinger" der Eltern oder Großeltern merkt: Katze: Frau, Frau! Hausfrau: Ei, Kätzchen, sag, was rufest du wieder? Katze: Schau, schau! Hausfrau: Nun, Kätzchen, sag, was soll ich sehn? Katze: Au, au! Hausfrau: Armes Kätzchen, bist ja ganz zer rissen! Katze: Wau, wau! Hausfrau: Der Hund, ei, der ist auch verletzet. Wer hat ihn denn so sehr zerfetzet? Katze: Miau, miau! Hausfrau: Du, Kätzchen? Nun, so laß dein Kla gen, Ihr hätt' sollen auch vertragen. Altenberg Alberndorf Ich weiß schon, was ich tu: Ich häng' der Katz' a Glock'n an Und sag, es is a Kuh. Katz is beim Rauchfang aus. Hat sich ins Schweiferl brennt, Bua, dö is g'rennt. Katzle, baratzle. Laß dich nicht erwische. Spring unter die Bänke Und unter die Tische. Nach der Melodie „Holz in der Puttn, Loahm in der Gruabn, lustig san d' Holzhackerbuabn": Holzhackerliesl, Bamsteigergretl, Mir ham an Koda (Kater), der hat an Schädl, Ham ma eahm in d' Müli ei(n)taucht. Der Koda, der hat g'schaut. Altenfelden (Kadane) 129 Da Hahndidl Am Stoariedl Hat 's Häuserl vakaft. Hat 's Gelderl versoffa, Is in d' Mauslucka g'schloffa Und hat da Katz' ön Schwoaf abrocha. Liebenau 1928 (Ruttmann) Dieser Reim soll den Obergang bilden zu der nächsten Gruppe, zu den MAUS-Reimen und -Spielen. Seit jeher wurde von Kindern und Er wachsenen das flinke und possierliche Wesen der Maus beobachtet tmd in ihren Spielen nachge bildet. So entstanden Finger- und Kitzelspiele, wie etwa das folgende: Vater oder Mutter ahmen mit den Fingern ein laufendes Mäuslein nach und „kranken" damit beginnend bei den Füßen oder Händen des klei nen Kindes, das auf ihrem Schoß sitzt, körperaufwärts bis zum Brustkorb des Kindes. Dabei sprechen sie folgenden Reim: Krauka Mausi Übers Hausi. Wo wird's denn rast'n? In Karli sein Titititikast'n! Beim letzten Wort wird das Kind gekitzelt. Grau, grau Mäuschen, Bleib in deinem Häuschen, Frißt du mir das Butterbrot, Kommt die Katz' und beißt dich tot. Im Reim „Frißt du mir das Butterbrot" spielt die Meinung vom diebischen Mäuschen herein. Zu dieser Charakterisierung bedürfte es aber keines Reimes, denn schon der Tiername „Maus" wird auf das altindische „musnati" zurückgeführt, was soviel wie „stehlen", „rauben", „Diebin" bedeu tet. In unserem „mausen" (für stehlen) klingt diese Bedeutung noch nach®®. H. Commenda, Volkskundliche Streifzüge, a. a. O., IX, S. 225. " Etymologie-Duden, Mannheim 1963, S. 430. Vgl. dazu auch: R. Riegler: Das Tier im Spiegel der Sprache. Leipzig 1906.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2