OÖ. Heimatblätter 1977, 31. Jahrgang, Heft 1/2

Weiterbestand und Wohlergehen war nicht zu zweifeln. Sollten sie es nicht vorgezogen haben auf ihren angestammten Siedlungsplätzen zu ver bleiben, bot sich ihnen auch eine Besitzvermeh rung auf der anderen Seite des Stromes. Viel leicht werden sich deshalb auch Leute von Batavis-Bojotro nicht haben entschließen körmen, die heimische Scholle zu verlassen, wie Eugippius berichtet und denen die Beteiligung am Exodus dringend zu empfehlen war. Es herrschten hier wie dort Lebensverhältnisse, die günstig waren. Eine wesentliche Verschlechterung wurde offen bar auch von römischen Bevölkerungsteilen nicht erwartet, da sich einige überhaupt unzugänglich zeigten und nicht bereit waren, mitzuziehen^''. Sie hofften vermutlich sogar, ihr Besitztum retten zu können, wurden jedoch von den Thüringern offenbar erschlagen, als diese, wahrscheinlich nicht ungehindert, in ihren neuen Besitzstand eintreten wollten. Bei dieser Entwicklung war die Bevölkerung auf der anderen Donauseite von den Verhältnissen begünstigt. Dieses Gebiet wird somit zuvorderst verschont geblieben sein von Plünderungen und Besitzentreißung mit all seinen üblen Begleit erscheinungen. Die stabilen Verhältnisse dieses Gebietes waren dann der Garant für ein rasches Abebben der die Umwälzung begleitenden Ge schehnisse und die Voraussetzung für eine rasche Konsolidierung der Lebensverhältnisse. Der Abzug der Römer „Liebe Söhne, haltet den glänzenden Sieg in die sem Kampf nicht eurer Stärke zugute: wisset vielmehr, daß euch Gottes Hilfe jetzt deshalb die Freiheit sicherte, damit ihr in knapper Zeit spanne, die euch gewissermaßen als Waffenstill stand gewährt ist, von hier aufbrecht. Sammelt euch darum und begebet euch mit mir hinab nach der Stadt Lauriacum'®.'''' Diese Worte richtete Severin an seine Landsleute bei der Räumung der Ortschaften Batavis-Bojotro. Alemannische Krie ger hatten sie vorher bedrängt. Die Worte kön nen nur an die Teilnehmer einer Schicksals gemeinschaft gerichtet gewesen sein, deren Los es war, in die Heimat zurückzukehren und dabei auch die Heimat zu verlassen. Auch aus diesen Worten ist eigentlich erkennbar, daß Severin beim Verlassen Ufernoricums offensichtlich eine Vereinbarung vollzog, die zum Inhalt hatte, von Rom besetzt gehaltene Gebiete (auch in Raetien) zu räumen und germanischen Völkerschaften zu überlassen. Diese Räumung erfolgte um das Jahr 478 n. Chr. Zehn Jahre danach räumten die Rö mer auch Gebiete im östlichen Bereich des norischen Limes. Die Donau verlor ihre Funktion als Grenzfluß. Das Spannungsfeld, daß diese Umgruppierung auslöste, kann aus der damaligen geschichtlichen Konstellation heraus da oder dort vermutet wer den. Am norischen Limes war es jedenfalls nicht gelegen. Obwohl es zu einzelnen Gefechten kam, wie sie die „Vita" schildert, vollzog sich hier das Geschehen in einer Weise, das keinen dra matischen Charakter trug. Diese Übergriffe der „Barbaren" können keinesfalls einen Zusammen bruch der Siedlungslandschaft hervorgerufen haben'®. Ein Überrennen römischer Positionen ist aus keiner Stelle der so vorzüglich berichten den „Vita" zu erkennen. Somit erkannten aber die Bewohner wahrschein lich auch nicht die Notwendigkeit, heimatlichen Boden zu verlassen. Es wird vermutlich eine Ver einbarung über die Köpfe der Bevölkerung hin weg abgeschlossen worden sein, die ihr aus ge wichtigen Gründen nicht bekannt gegeben wor den war. Vieles deutet darauf hin, daß dann aus schließlich religiöse Gründe dazu herhalten muß ten, politische Konsequenzen zu verdecken. So ist es eigentlich nur allzuverständlich, wenn die angesprochenen Bewohner trotz Ermahnun gen sich nicht entschließen konnten, BatavisBojotro und die umliegenden Ortschaften zu ver lassen. Entweder es gab keine Furcht vor Mord und Totschlag oder, was wahrscheinlicher ist, die Bindungen an die heimische Umgebung war so fest, daß gewisse Unsicherheiten in Kauf genom men wurden. Nur eine über lange Zeiträume er- " Vita, c. 27. Vita, c. 27. G. StadtmüUers Meinung von der Verödung des Lan des (s. Anm. zu 5) wird den Aussagen der Vita des halb sicherlich ebensowenig gerecht wie auch die von A. Aign, wonach „wilde Germanenhorden das Land ungehindert durchstreiften und ausplünderten sowie Mord und Totschlag verbreiteten". A. Aign, Zeugnisse aus Passaus Vergangenheit, Ostbairische Grenzmarken, 1973, S. 178.

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