mit der römischen Besatzung das norische Land verließ. Die Berichte der Vita bieten, wie noch weiter darzulegen sein wird, jedoch auch für die Zeit bis zu diesem Zeitpunkt ausreichende Aus sagekraft, um entscheidende Schlußfolgerungen für die sich anschließende Zeitphase ziehen zu können. Die Lebensverhältnisse in Batavis-Bojotro Die Aussagen der „Vita", sofern sie Hinweise auf wirtschaftliche Belange des Landes beider seits des norischen Limes enthalten, fanden bis her wenig Beachtung. Auch F. Lotters Unter suchung des „Wundermannes" Severin, eine der letzten Arbeiten auf diesem Gebiet, beschäftigt sich vornehmlich mit der geschichtlichen Gestalt des Heiligen selbst und geht auf die wirtschaft liche Beschaffenheit des Landes nicht ein^^. Nur H. Zeiß hebt in seinen Ausführungen zu den Donaugermanen und ihrem Verhältnis zur römi schen Kultur im Zusammenhang mit der „Vita" die Tatsache hervor, daß bei den unmittelbaren Grenznachbarn der Römer lateinische Sprach kenntnisse vorhanden waren^^. Er führt dies darauf zurück, daß der Verkehr mit den ger manischen Städten sehr lebhaft war. Selbst im Winter fand ein Güteraustausch statt, der durch die zugefrorene Donau begünstigt wurde. Auch der Handel auf den rugischen Märkten (jenseits der Donau) selbst muß bedeutend gewesen sein, wenn die Bürger von Batavis Wert darauf legten, Eingang auf die Märkte zu erhalten, stellt H. Zeiß fest. Die Begebenheit, die von ihm hier aufgegriffen wird, erfährt in der „Vita" folgende Erwähnung: „Einmal wandten sich die Bürger von Batavis an den heiligen Mann mit der fle hentlichen Bitte, er möge den Rugierfürsten Feban aufsuchen und für sie um die Handels erlaubnis vorstellig werden." Doch er antwortete ihnen: „Die Stunde steht bevor, da diese Stadt so wie die anderen oberen Ortschaften öde und von der Einwohnerschaft verlassen dastehen wird. Wozu ist es da noch vonnöten, sich um Handelsangelegenheiten in Orten zu kümmern, wo sich künftighin kein Kaufmann wird zeigen können^®." Severin wollte also nicht gewähren, was von ihm flehentlich erbeten wurde. Wir wissen bereits, warum er sich so verschlossen zeigte. Er ließ sich auch nicht erweichen, als die Bewohner nicht lokker ließen und wünschten, „man solle ihnen doch in gewohnter Weise unter die Arme grei fen". Er begegnete ihren Wünschen diesmal mit der schrecklichen Vorhersage, Christi heilige Stätten an diesem Ort (Batavis-Bojotro) werden verwüstet und entweiht. Die Bewohner von Batavis-Bojotro waren, dies spricht die „Vita" zu den Lebensverhältnisseri aus, den Handel mit der germanischen Bevölkerrmg auf der anderen Donauseite gewohnt. So mit kann von seßhafter Bevölkerung auf der Gegenseite und nicht von „Waldläufern" oder umherziehenden Barbarenhorden ausgegangen werden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Unterbrechung der Handelsbeziehungen mit dem bevorstehenden Abzug zu tun hatte. Von aller größter Wichtigkeit ist es jedenfalls, das spät antike Passau bereits in einer wirtschaftlichen Umwelt zu sehen, die auch von den Kräften ge prägt war, die nach dem Abzug der Römer die weitere Entwicklung bestimmen würden. BatavisBojotro erwies und erweist sich in der „Vita" so mit keinesfalls als Stätte römischer Besatzungs konzentration, sondern war offenbar ein höchst lebendiges Gemeinwesen, das an Handel interes siert war. Daraus kann unschwer und unzweifel haft geschlossen werden, daß auch Verkehr und „Wirtschaft" im damals zu erwartenden Um fang florierten. Hier bestand ein wirtschaftlicher Mittelpunkt, der auch (aus welchen Gründen auch nicht) über die Limesgrenze hinweg seine Bedeutung ausstrahlte. Gerade die Entdeckung der spätrömischen Anlagen Bojotros dürfte somit auch den Beweis bedeuten, es herrschte rege Aktivität an der Grenze, die sich auch in der Anlage befestigter Ortschaften in landschaft lichen Mittelpunkten dokumentierte. Die Bevölkerung auf der „anderen Seite" sah den Ereignissen des Abzuges gelassener entgegen als die Betroffenen von Batavis-Bojotro. An ihrem Friedrich Lotter, Das neue Bild des norischen Severin; Archäologie in Oö., Kulturzeitschrift Oberösterreich, 22. Jahrg., Heft 2,1972/73. Hans Zeiß, Die Donaugermanen und ihr Verhältnis zur römischen Kultur nach der Vita Severine, Ostbairische Grenzmarken, 1928, S. 9—13. " Vita, c. 22.
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