den Schüssen von Sarajewo eine Zeitenwende angebrochen war. Abt Czerny — geboren zu Mödritz in Mähren — wurde 1917 zum Mitglied des Herrenhauses ernannt und erhielt 1918 das Offiziers-Ehrenzeichen vom Roten Kreuz mit Kriegsdekoration: hauptsächlich dafür, daß er im Gasttrakt des Stiftes eine Pflegestation für zehn Offiziere und 90 Mann eingerichtet hatte, die die beträchtliche Summe von nahezu 130.000 Kronen erforderte. Außerdem aber nützte Abt Czerny jede Möglichkeit, um vor allem den Kremsmünsterer Studenten eine wohldurchdachte und ge plante vormilitärische Erziehung angedeihen zu lassen. So wurden regelmäßig Geländespiele ab gehalten, die aktive Offiziere der k. u. k. Armee leiteten, es gab einen Schießunterricht — Scharf schießen mit Schützenpatronen auf 120 Schritt im Freien, jeder Schüler hatte 40 bis 50 Schüsse ab zufeuern —, und der Direktor des Kremsmünsterer Gymnasiums — Geistl. Rat, k. k. Regierungs rat und Ritter des Ordens der Eisernen Krone Sebastian Mayr — vermittelte seinen Zöglingen eingehende Kenntnisse über das Infanterie gewehr Modell 88/90 und Modell 95, über Kar tenlesen, Signalisieren und Distanzschätzen; dazu kamen Vorträge über die „Allgemeine Theorie des Schießens"^®. Als nach dem Zusam menbruch im November 1918 die Gefahr be stand, daß Kremsmünster von Plünderern heim gesucht werden könnte, bildete Abt Leander Czerny — selbst Einjährig-Freiwilliger mit Offi ziersprüfung — aus den eben ins Kloster ein getretenen, zum Teil hochdekorierten Kriegsteil nehmern einen Stoßtrupp, der entschlossen war, das Stift zu verteidigen. Das erwies sich zwar als nicht nötig, aber im Sommer 1919 empfingen die Angehörigen dieser Kampfgemeinschaft ihre zum Priester geweihten Mitbrüder mit einer Re volversalve im Konventgarten. (Diese Begeben heit — verbürgt durch Forstrat Dipl.-Ing. P. Ma rian Klinglmair, der an den Ereignissen beteiligt war — teilte mir Univ.-Doz. Dr. P. Willibrord Neumüller mit, dem ich für seine freundschaft liche LFnterstützung und Beratung meinen tief empfundenen Dank auszudrücken habe.) Zahlreiche Studenten und Absolventen des Gym nasiums Kremsmünster bewährten sich als Sol daten an den Fronten des Ersten Weltkrieges. Stellvertretend seien nur zwei Namen vermerkt: Anselm Blumenschein und Bruno Stransky. Pro fessor Dr. P. Anselm Blumenschein — Kremsmünsterer Benediktiner und Assistent der Stern warte — rückte 1915 als Feldkurat zu den Tiroler Kaiserjägern ein und wurde im Kampf um den Col di Lana im April 1916 beim Aufstieg zum Gipfel, wo er der schwer bedrängten Besatzrmg geistlichen Beistand leisten wollte, von einer Granate zerfetzt. Blumenschein ist sogar im österreichisch-ungarischen Generalstabswerk na mentlich vermerkt®®. Bruno Stransky Edler von Stranograd besuchte in Kremsmünster von 1906 an alle acht Gymnasialklassen und maturierte 1914. Stransky wurde zu einem der besten Pilo ten der k. u. k. Kriegsmarine und diente in der berühmten Staffel des Theresienritters Banfield. Am 28. August 1917 erlitt Bruno Stransky über Triest den Fliegertod; obwohl erst 22 Jahre alt und im Rang eines Seefähnrichs, ging Bruno Stransky in die Geschichte der österreichischen Luftwaffe ein. Daß Kremsmünsterer Studenten auch im Zweiten Weltkrieg hervorragend ihre Pflicht erfüllten, kann niemand bezweifeln: lei der fehlen darüber noch entsprechende Unter lagen. 35 Mitglieder des Konvents dienten in der Deutschen Wehrmacht, sechs davon sind gefal len. Am 5. Mai 1945 wurde auf der Sternwarte des Stiftes Kremsmünster die rot-weiß-rote Fahne gehißt, und um 9.30 Uhr drangen die ersten Amerikaner in den Markt ein; der Ver such, das Kloster im letzten Augenblick in Brand zu stecken, mißlang. Das „wehrhafte" Kremsmünster, die „Kloster burg Kremsmünster" ist heute nur noch zu ahnen: manifestiert am besten — wie bereits erwähnt — von Süden her und mit einigen De tails wie etwa mit dem freilich völlig veränderten Brückenturm, mit dem Wassergraben oder der mit Schießluken versehenen Mauer an der Nord front des Konventgartens. Trotzdem ist der „kriegerische Geist vergangener Zeiten" aus Kremsmünster nicht ganz gewichen: er lebt für jedermann faßbar fort in der Rüstkammer, die nach 1959 im Obergeschoß der Prälatur einKremsmünsterer Gymnasialprogramme 66—69, Linz 1916/17/18/19. Österreich-Ungarns letzter Krieg 1914—1918, IV. Band, Wien 1933, S. 210.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2