Kremsmünster — ein wehrhistorisches Porträt Von Rudolf Walter Litschel Miit 4 Abbildungen und 1 Textzeichnung Sämtliche oberösterreichischen Klöster, die eine längere Geschichte aufzuweisen haben, waren in kriegerische Ereignisse verwickelt, aber zu Kampfhandlungen im eigentlichen Sinn kam es nirgends: auch nicht was Baumgartenberg und Waldhausen betrifft, die unter dem Hussitensturm litten, oder das Prämonstratenserstift Schlägl, das von den aufständischen Bauern 1626 besetzt und geplündert wurde, wodurch arge Schäden entstanden. Im benachbarten Niederösterreich lagen die Dinge anders. So bewährten sich die Klosterneuburger Bogenschützen bereits 1303 während des Aufstandes der Wiener gegen Herzog Albrecht, und 1529 gelang es den Türken nicht, in Stift und Stadt Klosterneuburg einzudringen. Zum Widerstand entschlossen erwiesen sich auch die Augustiner von Herzogenburg, die 1683 unter der Führung des Chorherrn Gregor Nast die osmanischen Scharen von ihren Klostermauern fernhalten konnten. Die glänzendste militärische Leistung vollbrachte jedoch Abt Matthäus III. Kolweiß: als im Sommer 1683 türkische Streif scharen vor Lilienfeld auftauchten, tauschte der Abt die Kutte mit dem Panzerhemd und verwan delte mit der Umsicht und dem Geschick eines erfahrenen Feldobristen das Zisterzienserkloster Lilienfeld in eine Festung, die neun Wochen lang nicht nur der Belagerung standhielt, sondern de ren Besatzung darüber hinaus imstande war, dem Feind in einem Treffen außerhalb des Ortes eine vernichtende Niederlage beizubringen. Daß Abt Matthäus ferner eines durch Alkoholexzesse her vorgerufenen Aufstandes in den eigenen Reihen am 15. August 1683 ohne Waffen gewalt — allerdings mit der Drohung, jeden Meuterer sofort erschießen zu lassen — Herr werden konnte, beweist zusätzlich das „Steh vermögen" und die Tatkraft dieses Mannes, der damals bereits mehr als sechzig Jahre alt war. Bei dem Kampf um Lilienfeld hatten die Tür ken beträchtliche Verluste hinzunehmen; die Sieger brachten lediglich einen Gefangenen ein^. Von solchen Ereignissen ist aus der Geschichte des Stiftes Kremsmünster nichts zu vermelden. Diese, vom Bayernherzog Tassilo im Jahre 777 gegründete Benediktinerabtei lag eben immer — scheinbar zumindest — „am Rande der Welt geschichte"^: in manchen Epochen zwar bedroht, doch die Mönche zogen niemals das Schwert, um ihren Besitz zu verteidigen. Es ist deshalb prak tisch unmöglich, über den Wert oder Unwert der Fortifikationen von Kremsmünster zu xurteilen, denn solches könnte nur dann geschehen, wenn die Kremsmünsterer Benediktiner wenigstens einmal gezwungen gewesen wären, eine ähnliche Situation zu meistern wie die Zisterzienser von Lilienfeld — aber erfreulicherweise blieb ihnen das erspart. Trotzdem mutet das Stift Kremsmünster heute noch „wehrhaft" an. Zu diesem Eindruck trägt viel die Lage bei, und man bescheinigte den Er bauern des Klosters ihren „sicheren taktischen Blick"® für eine im Frühmittelalter „politische Landschaft mit eminent wichtiger Grenzlandaufgabe"^. Diese Meinung verliert etwas ihre Gül tigkeit, wenn man das Gelände um das Stift Kremsmünäter genauer studiert oder wenn man es vom Hubschrauber aus betrachtet. Sicherlich war die Südflanke durch den fünfzig Meter hohen Steilabhang zur Talsohle der Krems eini germaßen gut geschützt, aber im Norden gab und gibt es kein natürliches Hindernis, ja noch mehr: die Hügel in diesem Raum gestatten nicht nur einen verdeckten Aufmarsch, sondern sind wie dazu geschaffen, daß sich ein Angreifer raub vogelgleich auf Stift und Markt Kremsmünster stürzt. Die Ansicht, die offene Nordflanke wäre notwendig gewesen, um einen mühelosen Zuzug zu gewähren, ist kaum zu halten, wenngleich eine möglichst nahe Verbindung zur alten Römer straße von Wels zum Pyhrnpaß sicherlich an gestrebt wurde. Es ist deshalb anzunehmen, daß die Wahl für den Bauplatz weniger aus takti schen Erwägungen heraus erfolgte: maßgebend waren in erster Linie die sonnige, windgeschützte Position und die zahlreichen, für den Bestand ^ Norbert Mussbacher, Das Stift Lilienfeld, in Aus stellungskatalog „1000 Jahre Babenberger in Öster reich", Wien 1976, S. 161 f. ' Willibrord Neumüller, in: Kremsmünster — 1200 Jahre Benediktinerstift, Linz 1976, S. 51. ' Otmar Bn. Fotier, Die Waffenkammer des Stiftes Kremsmünster, Zeitschrift für historische Waffen kunde, Band IV, Heft 1, Dresden 1906, S. 11. * Otto Wutzel, in: Kremsmünster — 1200 Jahre Bene diktinerstift, Linz 1976, S. 33.
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