OÖ. Heimatblätter 1977, 31. Jahrgang, Heft 1/2

nahmen Josephs II. (87 ff). Nach verschiedenen Maß nahmen (87—114) erfolgt schließlich eine umfassende „Gottesdienstordnung"; eine angehängte Tabelle (die maßgebliche Gottesdienstordnung für Niederösterreich) zeigt den Grad von Bürokratie und Kompliziertheit der Maßnahmen. Schwierigkeiten in der Zeit Josephs II. — das breite Volk war mit den Neuerungen wenig ein verstanden; selbst josephinische Bischöfe, obwohl Re formen prinzipiell zugeneigt, klagten häufig — spitzten sich gegen Ende seiner Regierungszeit besonders in Vor arlberg zu regelrechter Volksgärung zu. Leopold II. (1790/92), wiewohl taktisch klüger vorgehend, gab „nur geringfügig nach" (320); die Gottesdienstordnung be stand im großen und ganzen aufs neue gefestigt weiter (321). Unter Franz II. (I.) sollten schließlich die Fran zosenwirren im Vordergrund stehen; immerhin stellt H. seine Ausführungen über dessen Regierungszeit zunächst unter das Stidiwort „Die Weiterführung der Gottes dienstordnung unter Kaiser Franz I. bis 1820" (322—374). Im 2. Teil schildert H. einzelne Reformanliegen, die äußere Seite der Messe (401—407), Taufe (408—412), Eucharistie (413 f), Beichte (415 f), Krankensalbung (416—418), dann das Andachtswesen (419—433), BCirchenjahr (435—465), die Begräbnisordnung (466—471), wo H. anhand von Beispielen die Vermutung äußert: „Der Mythos vom toleranten ,Volkskaiser' (Joseph II.) wird unglaubwürdig" (471), dann Kirchenlied und Kirchen musik (472—481), Schmuck und Aufwand in den Kirchen (482—493) und die liturgischen Bücher (494—526), die ja auch Forschungsinteresse von H. darstellten. Die Einstellung der Initiatoren der Neuerungen war pragmatisch; theologische Aspekte spielten nur eine geringe Rolle. Aber „für Joseph II. und seine Nach folger gehörte die Gottesdienstreform zum Hauptwerk der Kirchenreform" (22). Ich finde es zutreffend, wenn H. nicht ohne scharfe Kritik von den josephinischen Maßnahmen spricht. Ist es anthropologisch vertretbar, den Gottesdienst von allen sogenannten „unwesentlichen" Elementen zu säubern? Was ist wesentlich, was un wesentlich? Die Josephiner strebten danach, das sekun däre auszumerzen, das Primäre zu betonen, aber das war fürs Volk zu abstrakt, zu blutleer. „Die Gering schätzung der emotionalen Werte war daher ohne Zwei fel eine anthropologische Verkürzung des Gottesdien stes, gegen die sich das Volk vehement zur Wehr gesetzt hat" (540). Zusehr diente Liturgie auch bloß einer „Belehrung" des Volkes, war also im Ansatz falsch begriffen, war der Gottesdienst staatlichen Inter essen untergeordnet. Von seiner Sicht, der Sicht des Theologen, der gottesdienstliche Belange für wesenhaft wichtiger hält als äußere Maßnahmen wie z. B. Diözesanneueinteilung oder Pfarregulierung, will H. „die josephinischen Reformmaßnahmen als ,Reformkatholizismus' entschieden ablehnen" (541). Hier ist deutlich, welcher Richtung der Josephinismus-Forschung H. sich angeschlossen hat. Er hält es für „ein folgenschweres Verhängnis der geschichtlichen Entwicklung, daß sich die kirchliche Aufklärung rücht durchsetzen konnte, son dern von einer Richtung abgedrängt wurde, die einen engen Anschluß an die allgemeine Aufklärungsbewe gung suchte und daher von deistischen, jansenistischen, antikirchlichen und antikurialen Affekten und Anschau ungen nicht frei war" (39). Das außerordentlich inhaltsreiche Buch bietet reiches Material für Landes- und Ortsgeschichte, für lokale Kirchengeschichte, für die Geschichte der öffentlichen Meinung in jener Zeit, und ist auch für die Kultur geschichte höchst bedeutsam. Biographen der Bischöfe des josephinischen Österreich werden interessante Cha rakterisierungen und Äußerungen über sie finden. Ins gesamt ist der Inhalt des Buches reicher und fesselnder, als es der Buchtitel zunächst vermuten ließe. Oberöster reichische Belange sind vielfach berührt, so wird etwa der radikale Josephiner J. V. Eybel oft erwähnt, die Bischöfe Herberstein, Gall, Hohenwart, verschiedene Priesterper sönlichkeiten der Diözese werden zitiert; die Affäre um das Adlwanger Gnadenbild (im Jahre 1788), um eine „weinende Madonna" in Steyr (1796/97), um Belange des damals sehr konservativen Innviertels; die Linzer Diözesansynode von 1787 u. a. m. Die Auswertung der Archive in Wien, verschiedener Diözesan- und Landesregierungsarchive ist gründlich er folgt. H. konnte das Urteil widerlegen, Archive er brächten für die Geschichte der Liturgie in josephindscher Zeit wenig. Indes bliebe für den Historiker doch noch eine Frage: Wieweit wirkte auch die Publizistik mit, den Gottesdienstreformen den Weg zu bahnen? Das reiche (z. T. polemische) Schrifttum wurde vom Verfasser be wußt ausgeklammert. Manfred Brandl Siedlungs- und Bevölkerungsgesdiichte österreidis. Hrsg. vom Institut für Österreichkunde. Wien 1974 (Verlag F. Hirt), 213 Seiten. S 360.—. Dieser vom Titel her vielversprechende Band besteht aus einer Reihe zum Teil äußerst interessanter und gut geschriebener, aber ziemlich zusammenhangloser Einzel darstellungen. Sie basieren auf Referaten, gehalten auf der 19. Historikertagung des Instituts für Österreich kunde im Jahre 1972 in St. Pölten. Den Beginn macht Elisabeth Lichienberger mit einem wissenschaftstheoretischen Beitrag unter dem Titel „Theoretische Konzepte der Geographie als Grundlagen für die Siedlungsgeschichte". Maria Hornung folgt mit einem kurzen Aufsatz über „Das Zeugnis der Orts namen für die Siedlungsgeschichte Österreichs". Adal bert Klaar gibt einen knappen Überblick über die „Sied lungs- und Flurformen in Österreich", wobei er sich schon in einem Untertitel auf die bäuerlichen Verhält nisse beschränkt. „Bevölkerung und Siedlung des österreichischen Raumes in der Völkerwanderungszeit" behandelt Erich Zöllner, den „Landesausbau Österreichs im Früh- und Hoch mittelalter" Fritz Posch, wobei die enorme Leistung der Innenkolonisation entspechend hervorgehoben wird. An diese beiden zentralen Arbeiten zur Siedlungsgeschichte schließt sich eine interessante Studie von Othmar Pirkl über „Glaubenskampf und Türkenkriege in ihren Aus wirkungen auf das Siedlungswesen und die Bevölke-

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