OÖ. Heimatblätter 1977, 31. Jahrgang, Heft 1/2

Bleibendes im Wechselvollen — Karl Hayd zum 95. Geburtstag Mit 2 Abbildungen Am 8. Februar d. J. hätte der am 14. Oktober 1945 verstorbene Linzer Maler Karl Hayd sein 95. Lebensjahr vollendet^. Dieser Gedenktag gibt Anlaß, den künstlerischen Standort dieses unserem Land so verwurzelten Künstlers zu überprüfen. Gilt seine Kunst noch? Ist sie aus dem Blickfeld geraten? Wurde sie totgeschwiegen? — Oder aber hat sie sich überlebt? Verlor sie an Wertbestän digkeit? Entspricht sie nicht mehr dem Zeit geschmack gegenwärtiger Kunstäußerung? Zunächst einmal ist künstlerisches Schaffen die unverrückbar individuelle Entscheidung des Künstlers. Seine Haltung allein prägt sein Werk. Haltung ist gleichbedeutend mit Stil, ist maß geblich für die Einstellung zum Werk, für das Verantwortungsbewußtsein des Künstlers dem Werk und sich selbst gegenüber. Schaffender und Werk sind unzertrennliche Einheit. Stil ist aber auch Bejahung des handwerklichen Könnens als Voraussetzung künstlerischen Wollens. Andererseits ist das künstlerische Schaffen Ein flüssen cleverer Kunstmanager ausgesetzt, die das jeweils Gängige in der Kunst — oder was sie dafür halten — diktieren. Solche Leute ignorieren einfach bestehende künstlerische Grundgesetze, die das Instrumentarium für Aufbau, Analyse und Kritik bilden, und verwässern durch nebulose Halbwahrheiten und Anschaucmgsweise und Kritikfähigkeit. Was die Malerei betrifft, so ist und bleibt sie entgegen anderer Meimmgen eine „Kunst für das Auge", wie es schon Hans Cornelius® formu lierte. Was in der Malerei nicht anschaubar ist und sich nicht durch Anschauung selbst erklärt — ohne seitenlange Kommentare —, ist keine Kunst für das Auge. Jede Kunst hat ihren Urgrund im gefühlsmäßig-sensorischen Bereich und nicht im intellektuellen: „Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen ..." Goethe wußte, worauf es ankommt und trat immer für das Anschauliche ein. Er hätte sicher den Intellektualismus der heutigen Kunst abgelehnt, ebenso wie ein Publi kum, dem die immer wieder aufgewärmte ab strakte Kunst seit nunmehr über 60 Jahren ser viert wird, und die sie nicht will, weil sie ge fühlskalt, eben intellektuell ist. Hans Sedlmayer® nennt die neuesten Kunsterzeugnisse abstruse Scheußlichkeiten. „Je schreckensvoller die Welt (wie gerade heute), desto abstrakter die Kunst, während eine glückliche Welt eine diesseitige Kunst hervorbringt." Das sind keine Seufzer eines geplagten Zeitgenossen, sondern Äußerun gen Paul Klees^ aus dem Jahre 1915, so als hätte er das Schreckliche unserer Zeit® im Sinne eines unterdurchschnittlichen Kulturanspruchs cmserer vorwiegend materiell eingestellten Mitbürger vorausgeahnt. Die diesseitige Kunst ist die naturnahe Kunst. Alle Versuche progressiver Künstler, die Natur aus ihrem Schaffen auszumerzen — oft aus Un vermögen sie umzusetzen —, mußten letzten Endes scheitern, denn ohne Naturstudium waren sie bodenlos, es fehlte ihnen der Formenreichtum zur Kreativität. Reifer geworden, sahen manche ihre Fehler ein, fingen von vorne an oder blieben im luftleeren Raum unausdrückbarer Ideenberei che. Manche dieser Künstler paßten sich künstle rischen Modernismen an, nur um „in" zu sein, aber ohne Überzeugung. Sie verloren ihre Eigen ständigkeit. Ein Beständiger und Unwandelbarer war der Maler Karl Hayd. Unablässig schöpfte er seine Anregungen aus der Natur und ihrer Vielgestal tigkeit. Immer wieder setzte er sich mit ihr aufs neue auseinander. Und nur dadurch konnte seine Malerei immer wieder hochgespannte Konzen tration sein, die sich nie mit billigen Effekten zufriedengab. Seine Malerei ist immer erlebnis voller Gefühlsausdruck, ohne ins mögliche Ba nale dieses Begriffes abzugleiten. Die Meister schaft Karl Hayds, Stimmungen einzufangen, mit minimalstem Aufwand an Zeichnung und Farbe größte imd geschlossenste Wirkungen zu erzie len, ist unübertroffen. ' Vgl. Edgar Herflein: Der akademische Maler Karl Hayd (1882—1945); Oö. Heimatblätter, 22. Ig. (1968), H. 1/2, S. 84 ff. — Biographisches Lexikon von Oö., 8. Liefg. (1962) und Nachträge (1968). ® Hans Cornelius: Elementargesetze der bildenden Kunst, Berlin 1908. ' ORF, „Salzburger Nachtstudio", 17. April 1972. ^ Paul Klee: Tagebücher (= Du Mont Dokumente, Reihe II), Köln 1957, S. 323. ' Hans Sedlmayer: Verlust der Mitte, Salzburg 1948, S. 217; „Die Kunst ist ,Ausdruck der Zeit' nur neben bei und wesentlich außerzeitlich: Epiphanie des Zeit freien, Ewigen in der Bifechung der Zeit. Die Leugnung des Ewigen ist essentiell auch Leugnung der Kunst."

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