Zum Alter des Welser Ledererturmes Von Walter Aspernig Das Jahr 1976 ist für Wels ein Jubiläumsjahr in mehrfacher Hinsicht. Vor genau 1200 Jahren, am 8. September 776, wird Wels nach dem Ende der glanzvollen römischen Epoche von Ovilava erstmals wieder genannt. In einem Traditions kodex des Hochstiftes Freising, der heute im Bay rischen Hauptstaatsarchiv in München auf bewahrt wird, findet sich eine Schenkung des bairischen Grafen Machelm, deren Inhalt Wels zwar nicht berührt, die aber „in castro quae nuncupatur Uueles" durchgeführt wurde^. Diese erste urkundliche Nennung von Wels im Mittelalter bildete den Anlaß für zahlreiche Festveranstal tungen, Vorträge und Stadtführungen, die eine Rückbesinnung auf die mehrere Jahrtausende umfassende Geschichte des Welser Raumes zum Ziel hatten. Die Stadt Wels machte sich selbst durch die Neuordnung und Neuaufstellung des Stadtarchives und der Sammlung „Vorgeschichte bis Frühmittelalter" im Stadtmuseum die schön sten Jubiläumsgeschenke. Den wissenschaftlichen Höhepunkt des Jubiläumsjahres bildete das inter nationale Symposion „Das Städtewesen Mittel europas im 17. und 18. Jahrhundert", das auf Einladung der Stadt vom 13. bis 17. Oktober 1976 in Wels durchgeführt wurde und namhafte Stadthistoriker aus allen Staaten Mitteleuropas in Wels vereinigte. Die Ergebnisse dieses Kon gresses werden als fünfter Band der „Beiträge der Städte Mitteleuropas" in absehbarer Zeit ge druckt vorliegen. Im Trubel dieser Veranstaltungen blieb kein Raum für ein weiteres Gedenken: Der Lederer turm, das Wahrzeichen der Stadt Wels, müßte heuer ebenfalls gefeiert werden. Zwar ist der Anlaß dazu nicht das Jahr 1376, das eine am Turm angebrachte Inschrift fälschlich als Erbau ungszeit angibt, sondern das Jahr 1326, in dem das Ledertor erstmals urkundlich genannt wird. Allerdings fanden wir diese erste Nennung des Welser Wahrzeichens erst vor einigen Monaten^. Sie konnte deshalb noch keinen Eingang in die stadtgeschichtliche Literatur und in das Bewußt sein der Welser finden. Im Stiftsarchiv Lambach werden zahlreiche mit telalterliche Urkunden aufbewahrt, die teils als Originale, teils als Abschriften in Kopialbüchern erhalten sind. Allein aus dem Zeitraum von 992 bis 1399 sind 411 Nachrichten überliefert®, von denen die meisten im „Urkundenbuch des Lan des ob der Enns"^ enthalten sind. Unter den wenigen nicht gedruckten und daher unbekannt gebliebenen Urkunden Lambachs befinden sich allerdings allein sechs Nachrichten des 14. Jahr hunderts, die für die Geschichte der Stadt Wels von Interesse sind, da sie Welser Bürger, Stadt richter, einen Welser Juden und Welser örtlich keiten nennen®. Eine dieser Urkunden wurde am 24. Juli 1326 in Wels ausgestellt und mit dem (heute fehlenden) Siegel der Stadt versehen®. Es handelt sich hiebei um einen Vergleich zwischen Welser Hausbesitzern, die sich nach längeren Streitigkeiten über die Ableitung von Regenwas ser endlich einigen konnten. Die Lage des einen Hauses wird uns dabei genau angegeben: Es liegt „ze Wels in der Stat oben pei dem Ledertor". Durch diese exakte Lagebezeichnung imd durch den auf der Rückseite der Original-Pergament urkunde vorhandenen Vermerk „Uber unser hawtz ze Wels", der im 15. Jahrhundert ange bracht wurde, läßt sich das Haus beim Lederer turm eindeutig als Stadtplatzhaus Nr. 60 identi fizieren, das im 15. und 16. Jahrhundert im Be sitze des Klosters Lambach nachgewiesen werden kann und von diesem erst 1577 an den Welser Bürger Hans Pürchinger veräußert wurde. Dies erklärt auch das Vorhandensein der Vorurkunde von 1326 im Stiftsarchiv. Damals werden als Besitzer allerdings zwei Adelige, nämlich Engel- ' Erich Trinks, Wels im Jahre 776. (1.) Jahrbuch des Musealvereines Wels 1954, S. 25—42. Zum Grafen Machelm siehe: Wilhelm Stornier, Adels gruppen im früh- und hochmittelalterlichen Bayern. Studien zur bayrischen Verfassungs- und Sozial geschichte, Bd. 4, München 1972. ^ Walter Aspernig, Ledererturm ist älter als 600 Jahre. Welser Zeitung 1976, Nr. 24, S. 6. ' Stiftsarchiv Lambach, Hs. 16—22 (Augustin Raben steiner, Documenta monasterii Lambacensis 992—1499, Bd. I—VI und Repertorium). * OÖUB Bd. 1—11 (1853—1956). ' Diese sechs urkundlichen Nachrichten werden im Nach trag zu Walter Aspernig, Quellen und Erläuterungen zur Geschichte von Wels, deren 1.—3. Teil (1300—1390) im 18.—20. Jahrbuch des Musealvereines Wels 1972 bis 1976 erschienen ist, veröffentlicht. ° Stiftsarchiv Lambach, Urkunde Nr. 92 (Orig. Perga ment) = Kopialbuch 6, pag. 5 = Kopialbuch 7, fol. 248b = Rabensteiner, Documenta Bd. I Nr. 187.
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