OÖ. Heimatblätter 1976, 30. Jahrgang, Heft 3/4

und die Mutter wurde ungeduldig. Dann rief sie die bösen Geister, die sie vorher vertrieben hatte, wieder herbei oder drohte mit allerhand mythi schen Schreckgestalten dem kleinen Kind. Dazu war keine große Verstellimg notwendig, denn die Meinung, das Kind sei ständig von Dämonen umgeben, war früher weit verbreitet. Die Drohung mit dem „bösen Mann" galt als beliebtes Erziehungsmittel. F. M. Böhme®" zitiert den Prediger Geiler von Kaisersberg, der schon 1505 den Schreckreim festgehalten hat: „Gang nit hinaus, der Mann ist draus!" In unserem Lande werden, wie einige Beiträge zeigen, nicht nur die Hunde gefährlich, sondern sogar die Schafe: sie beißen das Kind, das nicht schlafen will, oder stoßen es nieder. Gedroht wird auch mit der Rute, mit dem Schlagen, mit dem Mann, der das Kind in den Sack stecken und auf die Bahn führen wird, mit dem „Widlwukas" und mit dem „Gauwiziwau". Sehr bald durchschaute man diese umstrittenen Erziehungs- und Besänf tigungsmethoden, und bereits 1643 warnte der satirische Schriftsteller Johann Michael Moscherosch (1601—1669) in seinem Hauptwerk „Wun derliche und warhafftige Gesichte Philanders von Sittenwald" „jene unverständigen Eltern und loses Gesinde, welche die Kinder mit Mummel- Butzenmummel, langem Mann, dem schwar zen Mann, der Holzmutter, dem bösen Mann, dem Hopmann, dem Kametfeger und wer weiß was für Narren schrecken". Nur langsam wurden die Schreckgestalten, in deren Bann noch sehr viele Erwachsene standen und mit denen sie ihren Kindern drohten, aus der Vorstellung der Erwachsenen verdrängt und fanden als „böser Wolf", „hinkender Fuchs" oder „wilde Sau" im Märchen und im Spiel der Kinder Platz®^. Wenn heute in Wiegenliedern Schreckgestalten vorkommen, so haben sie längst ihre drohende Wirkung verloren und sind nichts anderes mehr als ein fremdartig klingendes Wort. Manchmal wird das gleiche oder ein ähnliches Wort auch bei Kitzelreimen, zum Kniereiten oder zu den ersten Gehversuchen verwendet®^. So kommt es, daß das Kind höchstens lächeln kann, wenn ihm vom „Wauwau", vom „Gauwiziwau" oder von der „bösen Frau" gesungen wird. 69 Heidi, pupeidi, 's Katzerl rermt ins Stäudi, Rennt a zotterts Hunderl nach. Beißt da Michi d' Fuaßerl a(b). Beiß ihr s' nur net ganz a(b)! Laß ihr nu a Stückerl dran. Daß s' a bißerl hupfen kann! Kremsmünster Leider wurde die Funktion dieses Liedes nicht übermittelt, es ist aber anzunehmen, daß der gleiche Reim auch zum Kniereiten verwendet wurde, bei dem das Kind auf den Knien des Vaters oder der Mutter saß und bei der letzten Verszeile in die Höhe gehoben oder geschupft wurde. Hitschi di, heitschi di. Wannst net schläfst, peitsch i di, Hitschi di, heitschi di. Gramastetten Schlaf, Kinderl, schlaf. Und schau net wia a Schaf, Sonst kimmt vom Schafer 's Hundelein Und beißt mein böses Kindelein, Schlaf, Kindlein, schlaf! Schlaf, Kinderl, schlaf! Im Garten gehn die Schaf, Die sdtwarzen und die weißen. Die werd'n di(ch) glei(ch) beißen. Schlaf, Kindlein, schlaf! Da draußen gehn die Schaf, Die schwarzen und die weißen. Und wennst net schläfst, dann beißen s'. Eidenberg Aschach Reidienthal Franz Magnus Böhme, Deutsches Kinderlied und Kin derspiel. Leipzig 1924, 2. Aufl., S. 95. Vgl. dazu Anna Elisabeth Moeller, Das Kinderspiel in Hessen. Gießen 1935. Vgl. dazu die Kapitel „Erste Gehversuche und einfache Gehspiele" und „Kniereiter- tmd Schaukelspiele" in O. KampmüUer, Oberösterreichische Kinderspiele, a. a. O.

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