Das geistliche Wiegenlied ist eine besondere Gat tung der alten Weihnachts- und Krippenlieder^^. Heute werden geistliche Wiegenlieder häufig bei den allerorten zur Weihnachtszeit auf geführten Hirtenspielen gesungen. Commenäa*^ zeichnet ein Linzer Hirtenspiel auf, das in der Umgebung von Linz, von St. Peter bis Hörsching, meist bei Bauern und Kleinhäuslern zur Weihnachtszeit dargestellt und etwa 1895 zum letztenmal gespielt worden sein soll. Dieses Spiel enthält die einfache Weise eines geist lichen Wiegenliedes, das von „Hirten" und „Engeln" gesungen wurde, während man das „Kind" wiegte: Ei so sei, oh-ne ni ni nein.— De-5us soll derNa-me sein. Ei 50 sei, oh-ne nj ni nein. Die l^rip-pe soll die Wie-ge sein. Im gleichen Spiel ist noch ein anderes geistliches Wiegenlied enthalten, das ebenfalls von den „Engeln" gesungen werden mußte: Las-set uns das Kind-Iein wie-gen im Her-ze-lein,Erip-pe-[e;n wie-gen. längsamer geschnitztes Jesuskind in eine Wiege gelegt tmd unter Liedern vorwiegend von Kindern, aber auch von Erwachsenen gewiegt und dann zum Küssen herumgereicht. Der Brauch wurde nach der Reformation von manchen geistlichen Lan desherren des aufgeklärten 18. Jahrhunderts verboten. Wie Johann Sigl^^ berichtet, konnte man ihn aber in den Jahren 1886 bis 1895 noch in St. Peter am Wimberg beobachten. In dem folgenden Reim fällt die für das obere Mühlviertel typische Mundart mit den Endungen -ei auf: Dirnei, Huntei, Fuaßei. Huitschi, heio, 's Dirnei rennt in Steig a. Rennt eahm a zodats Huntei nah. Beißt eahm d' Fuaßei a(b). Julbach Durch das Schaukeln der Wiege, das Hu(i)tschen, wie es in Österreich umgangssprachlich genannt wird, sollten die bösen Geister vertrieben wer den. Um sie fernzuhalten, wurden häufig auch magische Zeichen in die Wiege geschnitzt oder bestimmte Pflanzen hineingelegt. Eine solche Pflanze war z. B. das sogenannte Kanadische Berufskraut, das angeblich 1655 aus Kanada in Paris mit einem ausgestopften Vogelbalg ein geschleppt wurde und sich seither, dank der Massenhaftigkeit und großen Flugfähigkeit sei ner Früchte, rasch über ganz Europa verbreitet hat. Daneben wurden noch viele andere Pflanzen als „Berufskraut" oder „Beschreikraut" bezeich net und gegen einen Schadenzauber durch Worte, Gebärden, Blicke, das sogenannte Berufen, Ver schreien, Vermeinen, Bereden, Verhexen in An wendung gebracht. Die Ausdrücke „Verschrei es nicht!" oder „Unberufen" erinnern noch daran. Nebenbei sollten die magischen Zeichen tmd Kräuter dem Kinde in der Wiege zu einem ge sunden Schlaf verhelfen. Manchmal halfen sie nicht; das Kind wollte trotzdem nicht schlafen, 0 Je-üu-lein süß, o Je-su-leinsuft. Dieses Lied erinnert an einen alten, heute bereits vergessenen Brauch zur Weihnachtszeit, an das „Kindlwiegen" in den Kirchen. Dabei wurde ein Vgl. dazu J. K. von JoUza, Das Lied und seine Ge schichte. Frankfurt a. M. 1910. Commenda, a. a. O., 1928, S. 51 f. Johann Sigl, Des „Kindlwiegens" letzte Spur. In: Bei träge zur Landes- und Volkskunde des Mühlviertels, 15. Bändchen, Rohrbach o. J., S. 140 f.
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