OÖ. Heimatblätter 1976, 30. Jahrgang, Heft 3/4

Gesamtlebens zu erlauschen." In der „hoamtlichen Weis" gründen sich die gefühlstiefen Wir kungen der Kompositionen auf das Erahnen von Vorgängen in der Natur und den bäuerlichen Menschen — wie sie hauptsächlich Stelzhamer schilderte —, die Vergeiner an eine „stimmungs symbolische Auffassung" (Johannes Volkelt) an näherten. Karl Schallaböck zitiert einen an ihn gerichteten Ausspruch von August Göllerich, der hier gleich falls abgedruckt werden soll®®: „Lieber Herr Professor, ich sage Ihnen, die Brü der Vergeiner haben auf dem Gebiete der ,hoamatlichen Weis' in kunstmäßiger Form geradezu Klassisches, bisher Unerreichtes und auch in Hin kunft nicht leicht Erreichbares geschaffen. Sie ha ben hierin in ganz Oberösterreich nicht ihres gleichen, und zu beklagen ist nur, daß sie für uns und für die Kunst viel zu früh gestorben sind." Eine Orientierung über Vergeiners Personalstil ist hier nicht möglich, weil nur ein einziges Werk, nämlich die Symphonie in C-Dur®" zugänglich war. Neuhofer erwähnt sie in seinem obig er wähnten Aufsatz mit der Beifügung „im klassi schen Stil". Die Architektur des Werkes ent spricht tatsächlich dem Schema des klassischen Sonatensatzbaues. Auch die Orchesterbesetzung (je 2 Fl, 2 Ob, 2 Klar, 2 Fg, 2 Hr, 2 Trp, Pauken und Str) bewegt sich in diesem Rahmen. The matik, Harmonik und Satzkunst bezeugen Ver geiners Können. Vergeiner zeigt sich in dieser Symphonie kaum von seinem Lehrer Anton Bruckner inspiriert, denn fast nichts von dessen musikalischer Um welt hat auf ihn eingewirkt. Nur im Durchfüh rungsteil des 1. Satzes, ferner den absteigenden Unisonopartien im Trio des Scherzos findet die Abkunft des Schülers von seinem Meister einen geringfügigen Niederschlag. Hermann Pius Vergeiner ist kein Neuerer, son dern läßt sein Werk in der Tradition verwurzelt erscheinen; er ist einfach ein Mitläufer der Ro mantik. Die Vornahme einer stilistischen Ein ordnung des Gesamtwerkes kann nur Aufgabe einer musikwissenschaftlichen Untersuchung sein und auf Grund eines entsprechenden Befundes erfolgen. Hier ging es vor allem darum, eine Lebensdar stellung zu geben und das Werkverzeichnis erst mals zu veröffentlichen®^. Unbekannte Briefe an Vergeiner Geehrter Herr! München, 16. Mai 1897 Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Widmung. Ich muss Ihnen denselben schreiben, weil ich wahrscheinlich übermorgen nicht zu Hause sein werde, während Sie meine Tochter unterrichten. Die 3 Tonbilder machen mir ganz besondere Freude. Sie gehören zu den werthvollsten der ganzen langen Reihe, namentlich der Spaziergang des Philosophen, dessen Titel ich auch recht pas send finde. Möchte es Ihnen doch bald beschie den sein, wenigstens eine Auswahl dieser Kom positionen herausgeben zu können. Ich habe heute etliche vor andern Musikfreunden gespielt, die meine Meinung ganz und gar theilen. Mit bestem Gruss und in aufrichtiger Werth schätzung Ihr ergebenster Prof. V. Amira Lieber Herr Vergeiner! Alles was ich in Ihrer Angelegenheit thun zu können glaube ist, dass ich Ihnen hiemit bestä tige, dass Sie die Orgelschule am Wiener-Conservatorium unter meiner Leitung mit Aus zeichnung absolvirt haben. Alles Gelingen wünschend Wien, 8. März 1886 Anton Bruckner (siehe Abb. 3) Schallaböck S. 39. Die Symphonie fand ihre spätere Uraufführung am 28. November 1964 in Freistadt. Dirigent war Richard Weglehner. Vgl. hiezu die Berichte in: Oberöster reichische Nachrichten Nr. 279, 1964; Linzer Tagblatt Nr. 279,1964; Linzer Volksblatt Nr. 279,1964. " Daß in letzter Zeit Vergeiner wieder mehr in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt werden konnte, darf hiemit festgestellt werden. Vgl. W. Jerger, Her mann Pius Vergeiner, Ein Lebensbild, in: Amtliche Linzer Zeitung, Folge 4/1976, Anm. 8.

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