OÖ. Heimatblätter 1976, 30. Jahrgang, Heft 3/4

In dieser letzten Wohnung dürfte er auch gestor ben sein. Jedenfalls trägt die fortlaufende Melde liste der Stadt München über der Namens ein tra gung im Meldebogen, der mit der ersten Anmel dung angelegt wurde, den Vermerk „28.10.1900 N; 10889". Das kann sich nur auf den Tag des Todes beziehen. Anna Schifferer, geb. Vergeiner und älteste Schwester, betreute den Schwerkranken während der letzten vierzehn Tage seines beschwerlichen Lebens in München, doch war jedes Bemühen hoffnungslos. Am 28. Oktober 1900 verstarb Vergeiner an „akuter Lungentuberkulose", zu der noch ein Nierenleiden kam. Der Leichnam wurde von der Schwester und dem bereits ebenfalls schwer erkrankten Bruder Anton heimgeholt. Am 31. Oktober fand die Überführung nach Frei stadt statt; am 1. November wurde Vergeiner auf dem Friedhof zu Freistadt an der Seite seiner Eltern bestattet. Sein Bruder folgte ihm ein Jahr später nach. * Aus gesitteter und wohlangesehener Familie stammend, wuchs Vergeiner im kinderreichen El ternhaus in Freistadt auf. Für ihn waren die fünf Gymnasial]ahre und die Lehrerbildungsanstalt in Linz nur Stationen des Durchgangs. Erst mit dem Eintritt in das Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, erfüllte sich sein lange bei sich getragener Wunsch, das Ziel seiner Sehnsucht anzusteuern: Musik als Lebensauf gabe. Er wollte als schöpferischer und reproduzie render Musiker in der Welt seiner ihm seit lan gem eigentümlichen Vorstellung leben®®. Vergeiner war von einem Sendungsbewußtsein erfüllt. Glänzend ausgebildet, von hervorragen den Lehrern und Prüfungskommissionen bestä tigt, rastlos und redlich, vielleicht in „einer eigen artigen Bindung von Idealem und Realem" (Nicolai Hartmann), wurde ihm diese Welt zu einem Dschungel, in dem er sich nicht mehr zurechtfand. Nirgends ein Ort, der eine längere Bleibe ermöglichte, alles vielfach Improvisation in einem Leben, das untadelig verlief. Er bediente sich keines diplomatischen Spiels; er bewarb sich guten Glaubens landauf, landab um die verschie densten Positionen. Eine Entwicklung, wie sie als selbstverständlich bei vielen seiner Zeitgenossen im Verlaufe ihres Lebens ablief, war ihm nicht vergönnt. Vergeiner wurde, wie er selber ein bekannte, viel aufgeführt und nicht etwa allein in seiner näheren Heimat. Chöre und Kirchen in Wien und ringsum nahmen sich seiner Werke an. Der angesehene Wiener Männergesang-Verein ehrte ihn in seiner 52. Stiftungsfeier am 10. No vember 1894 anläßlich der Aufführung eines sei ner bekanntesten und im deutschsprachigen Raum oft gesungenen Werkes „D' Tanzgredl" mit der Verleihung eines k. k. Dukaten. Ihm fehlte durchaus nicht das entscheidende Agens, der Antrieb; es waren die Lebensumstände, Not, Bitterkeit, Enttäuschung, die auf ihm lasteten und dieses Leben frühzeitig zerbrechen ließen. Mit Wilhelm Kienzl (1857 bis 1941), August Göllerich (1859 bis 1923) und Josef Reiter (1862 bis 1939) gehört Vergeiner zu einem produk tiven Kreis oberösterreichischer Musiker, die einer Generation zugehörig sind. Diese Musiker wuchsen durch ihre vierlei und mannigfache Tä tigkeit weit über ihre heimatliche Region hinaus, ja, sie erlangten den Ruhm und die Anerkennung des Auslandes. Vergeiner war es nicht beschie den, den Weg auszuschreiten; ein eigentliches Wanderleben kennzeichnet seinen bescheidenen Lebenslauf. Vielleicht war er auch von unerklär baren Mächten getrieben. Wer kann heute noch seinen Bruder verantwortlich machen, über den man nur spärlich informiert ist, der aber gerade das Schicksal seines Bruders nicht, zum Vorteil freilich, mitformte. Natürlich hatte er auch Gön ner, aber sie vermochten eigentlich wenig, und zudem fehlte ein Wichtiges: von Vergeiners Wer ken waren nur einige gedruckt, die große Öffent lichkeit hatte keine Kenntnis von ihm erhalten. Es wäre allerdings ein Fehlschluß zu glauben, daß sich Vergeiner nicht bemüht und eifrig nach Ver bindungen gesucht hätte. Seltsam muß es jedoch berühren, daß er keine Beschäftigung in seiner engeren Heimat, z. B. in Linz, fand; dort lag ver mutlich nicht eben wenig im Dämmerschlaf. Das Musikschul Wesen war erst im Aufbau begriffen; die magere und wenig einträgliche Betätigung in der Kirchenmusik und dem Konzertwesen, ein mangelndes Interesse des Publikums, das alles Vgl. hiezu Anm. 44.

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