Vergeiner schildert in diesem Ansuchen seine Verhältnisse und führt u. a. aus^^: „Der Bittsteller ist ohne jedes Vermögen (derselbe war während seiner ganzen Studienzeit am Conservatorium von der Schulgeldzahlung gänzlich befreit) und sind schon seit 3 Jahren alle seine Bemühungen, eine feste Stellung zu erhalten, erfolglos gewesen. Schon seit sei nem 12. Lebensjahr Talent zur musikalischen Composition zeigend, ist die Zahl der Werke schon auf eine beträchtliche angewachsen, wovon viele in Kirchen und Concerten zur Aufführung gelangten und Beifall er warben. Beiliegende Symphonie wurde im Jahre 1891 vom höh. k. k. Unterrichtsministerium preiswürdig er kannt. Ferner schrieb der ergebenste Bittsteller Klavierund Orgelwerke, Sololieder und Chöre, Ouvertüren, Streichquartette etc.... Der ergebenst Unterzeichnete stellt demnach die unterthänigste Bitte, ein hochlöbliches Präsidium des Wiener Gemeinderathes wolle demselben in Würdigung dieser Umstände, ein Stipendium aus der Schwestern FröhlidiStiftung zu verleihen geruhen. Freistadt. September 1893. Hermann Pius Vergeiner Tonkünstler staatl. gepr. Musiklehrer" Über Vergeiners Tätigkeit in München fließen die Quellen spärlich. Bekannt ist, daß sein Bru der Anton ihm bald nachfolgte. Hermann Pius betrat nie wieder oberösterreichischen Boden, auch dann nicht, als seine Mutter 1897 verstarb. Welcher beruflichen Beschäftigung er in Mün chen nachging, darüber weiß Schallaböck nur wenig^®. Er lebte von „Musikunterricht, Mitwir kung bei größeren musikalischen Veranstaltun gen, sei es in der Kirche oder im Konzertsaal (wobei Hermann stets den Orgelpart übernahm) und Gelegenheitskompositionen". In der bayerischen Metropole gelang es ihm, Ver bindungen anzuknüpfen, zu denen ihm allenfalls Univ.-Prof. Dr. Karl v. Amira^®, dessen Tochter er unterrichtete, verhelfen hat. Ihm widmete er auch „3 Tonbilder" für Klavier, über die sich der berühmte Gelehrte lobend äußerte. „Ich habe heute etliche vor anderen Musikfreunden ge spielt, die meine Meinung ganz und gar teilen", schrieb er ihm in einem Brief*^. Der Königl.- bayerische Hofkapellmeister Franz Fischer^® be scheinigte, daß „Herr Hermann Vergeiner, ab solvierter Wiener Konservatorist, staatlich ge prüfter Musiklehrer als Organist, Musiklehrer und Chordirigent aufs beste zu empfehlen sei". 1900 hat er sich um eine Chormeisterstelle im Münchener Gesangverein „Morgenstern" bewor ben, doch war die Stelle zum Zeitpunkt der Be werbung bereits vergeben. Daß Vergeiners Leben auch in München von Unruhe durchzogen war, beweist der vielfache Wohnungswechsel. Am 18. Oktober 1894 hat er sich in München polizeilich angemeldet und sein erstes Logis in der Karlstraße 104/3, bei Krom bach, bezogen. Seine Aufenthalte in den diversen Unterkünf ten — und es waren deren nicht wenige — sind jeweils von kurzer Dauer gewesen und trugen beinahe den Charakter von „Fluchtbewegungen"; sie seien im folgenden der Reihe nach auf geführt^® : Karlstraße 104/3 18.10.1894 Massmannplatz 7/0 15. 2.1895 nach Tölz (heute Bad Tölz) 30. 5.1895 Dachauer Straße 78/2 13. 8.1895 Bayerstraße 85/2 7. 9.1895 ausgezogen 2. 4.1896 Kreittmayrstr. 15/2 r 5. 5.1896 Heßstraße 23/1 r 2. 8.1896 Kreittmayrstr. ll/I r 1.10.1896 Nymphenburger Str. 107/1 Rg 2.12.1896 [Rückgebäude] Krombach Schaber bei Flierl bei Dobler Flamm Michael Seeleitner Joh. Meier Schwarz ** Auszug aus dem im Entwurf erhaltenen Gesuch. " Schallaböck S. 35. Karl V. Amira (1848—1930) hatte seit 1892 einen Lehr stuhl in München (1875—1892 in Freiburg). Berufun gen nach Würzburg (1887), Prag (1889), Wien (1892 und 1907) lehnte er ab. 1917 Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien. Im Nekro log für das Jahr 1931 von Hans Voltelini, ist auf S. 224 folgender Satz Amiras zitiert: „... mich mit dem Gedanken trug, die Jurisprudenz und die Wissen schaften ganz zu verlassen und — da ich ein leiden schaftlicher Musikfreund war — Musiker zu werden." Nach Schallaböck war Amira „Mitglied der Sach verständigen-Kammer für Werke der Tonkunst". (Schallaböck, S. 34, Anm. **). Hier sei auch Herrn Dr. Joachim Rückert (Leopold-Wenger-Institut für Rechtsgeschichte an der Universität München) für Aus künfte gedankt. " Schallaböck, S. 34. Franz Fischer (1849—1918) von 1877—1879 Hofkapell meister in Mannheim, sodann in gleicher Stellung in München, seit Herbst 1912 GMD i. Ruhestand. 4® Ich danke hiermit Herrn Dr. Sdiattenhofer, Stadt archiv der Landeshauptstadt München, der mir be reitwilligst die Unterlagen zur Verfügung stellte.
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