Erste Kompositionen gehen auf die Zeit in Linz zurück, denn Vergeiner war seit frühester Jugend von Musik besessen. Jedoch fühlte er sich zu sehends beengt und die Bitten an die Mutter, ihm endlich das Studium der Musik zu bewilli gen, waren unüberhörbar. Am 2. Juli 1878 (so Schallaböck) verließ er unbegreiflicherweise we nige Tage vor Schulschluß die Lehrerbildungs anstalt und trat nach gründlicher Vorbereitung im Oktober des gleichen Jahres in das Konserva torium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien ein^^. Dort wurde er im erwählten Haupt fach Orgel Schüler von Anton Bruckner, bei dem er drei Jahre verblieb, um dann, 1881, das Zeug nis künstlerischer Reife mit der Note „Aus gezeichnet" (15. Juli) zu erwerben (siehe Abbil dungen 4 u. 5). Er absolvierte die Fächer: Orgel, Harmonielehre, Contrapunkt, Komposition, Kla vier, Geschichte der Musik und Chorgesang mit „durchgehend vorzüglichem Erfolge". (Aus dem Gesuch Vergeiners an das Präsidium des Wiener Gemeinderates 1893.) Schon wenige Monate nach Ablegung der Reife prüfung unterzog er sich am 15. Dezember 1881 der Lehramtsprüfung und wurde von der „k. u. k. Prüfungskommission, der auch Eduard Hanslick angehörte, für das Musiklehramt an Mittelschulen und Lehrerbildungsanstalten" im Fach Gesang an Mittelschulen und Lehrerbil dungsanstalten, im Fach Orgel an Lehrerbil dungsanstalten als „befähigt" erklärt. „Das Lehrbefähigungszeugnis wies mit Ausnahme eines einzigen Gegenstandes, nämlich Musik geschichte, wo Hanslick mit ,genügend' klassi fizierte, in allen Fächern die Note ,sehr gut' auf"23. Neben seinem eifrigen Studium am Kon servatorium — zu seinen Professoren zählten Franz Krenn, Josef Eder und Adolf Prosniz^^ —, es muß ein solches gewesen sein, sonst hätte sich Bruckner keinesfalls zu einer derartigen Beurtei lung verstanden, verbreitert sich Vergeiners kompositorische Tätigkeit: Klavierstücke, Präludien, 8 Fugen, 2 Fughetten — wohl ein früher Niederschlag seiner Studien bei Bruckner und Krenn — folgten; 1879 ein Klaviertrio (Phantasie betitelt), 1881 vier Lieder für Bariton, fünf gemischte Chöre, neun vier stimmige Männerchöre und die ersten vier Män nerchöre in oberösterreichischer Mundart: „Was i wünschen tat" „Grüaß die Gott!" „Dirndl, du g'freust mi!" „Mach's, wie dö mehrern Leut!" Der erste der vier Chöre entstand allerdings bereits 1879. In das Jahr 1881, dem Abschluß jahr in Wien, folgt die Aufführung eines Büh nenwerkes von Vergeiner, das Brachmann ent gangen ist. Es handelt sich um die Komische Operette in einem Akt „Der geprellte Vormund" von Eduard Kargl. Die erste Aufführung fand am 3. September 1881 unter der Direktion von Julius Köstler in Freistadt statt^®. Es ist anzu nehmen, daß Vergeiner nicht nur etliche Vor stellungen dieser Truppen sah, sondern auch mit dem Direktor, wie ebenso mit seinen Darstellern gut bekannt war. Vielleicht wirkte er sogar selbst im Orchester mit. Auch dürfte er schon über eine gewisse dramaturgische Praxis verfügt ha ben, zu deren Erwerbung Köstler beigetragen haben mag. Völlig offen ist allerdings, ob sich Vergeiner mit Streich- und Blasinstrumentenspiel befaßte; die Instrumentation nämlich und der Umgang mit dem Orchester in dem kleinen Bühnenwerk wei sen auf praktische Erfahrung hin. Wie wir bereits vernahmen, wurde sein Bruder Anton in Frei stadt im Violinspiel unterrichtet, und so kann es nicht ausgeschlossen werden, daß er an einem solchen Unterricht ebenfalls teilnahm. Hingegen 22 vVo Vergeiner in Wien domizilierte, konnte nicht festgestellt werden. Nach Mitt. der Bundespolizeidirektion Wien, Zentralnaeldeamt, sind im dortigen Melderegister keine Meldungen mehr vorhanden. 22 Schallaböck, S. 18. Franz Krenn (1816—1897), 1862 Kapellmeister zu St. Michael, 1869—1891 Prof. am Konservatorium. Zu seinen berühmtesten Schülern zählten Gustav Mahler und Hugo Wolf. Josef Eder, Prof. am Konservatorium von 1877—1882. Adolf Prosniz (1829—1917), Prof. am Konservatorium von 1869—1900, und vermutlich auch Johann Faistenberger (Chorgesang) von 1869—1894, Prof. am Konservatorium, Mitglied der Wiener Phil harmoniker und der Hofkapelle (Pauke) von 1868 bis 1894; gest. 1898. Vgl. hiezu Geschichte der k. k. Ge sellschaft der Musikfreunde, 2. Abt.: 1870—1912, verf. von Dr. R. Hirschfeld. Wien 1912, S. 323 ff. Im Ver zeichnis der Absolventen fehlt der Name Hermann P. Vergeiner. 22 Das Plakat, das die Aufführung anzeigte, ist erhalten.
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