OÖ. Heimatblätter 1976, 30. Jahrgang, Heft 3/4

wenn die Buchstaben bei den Heiligen griechisch sind und Christi Hand auf griechische Weise segnet. Als sich Bock vor 119 Jahren zum ersten mal mit dem Kelch beschäftigte, konnte er sich dem „orientalischen" Zusammenhang nicht ent ziehen und brachte einen Vergleich mit einem Detail der Schwertscheide Harun al Raschids — des Geschenkes des großen Kalifen an Karl den Großen (28). Seit auch durch skandinavische For scher das Koptische in seiner Verbindung mit dem germanischen Bereich stärker in unser Be wußtsein gerückt wurde, karm man in diesen Formen des Kelches nicht mehr nur insulare (englische oder irische) oder allein kontinental europäische Elemente sehen. Ziehen wir den Kelch in detaillierte Betrach tung: Das Maß seiner klassischen Proportionen in seinen Teilen wurde wiederholt mathematisch vermessen und seine Gesetzmäßigkeit heraus gestellt. Wir dürfen feststellen, daß seine Form in der römischen Tradition, in der Mittelmeer kunst, in ihren klassischen Maßen wurzelt. (Die Großbuchstaben der Beschriftung könnte man hier ebenso anführen.) Der Kelch ist ein Guß, bei dem die Ovale für die Köpfe ausgenommen sind. Die rassige Kerb schnitt-Technik ließ sich noch nach dem Guß nachschneiden. Wir kennen den Kerbschnitt von den Gürteln der römischen Soldaten aus unzähli gen Beispielen. Bei der Bevölkerung Pannoniens stand diese Technik auch bei Nichtrömern noch lange weiter in Verwendung. Man hätte sie also beim Durchmarsch in die Slowakei leicht auf greifen können. Damit sind Griechenland (Byzanz) und Rom mit ihrem Einfluß im Orna mentalen erschöpft. Doch auch der Zirkelschlag auf den Rhombenfeldern war sowohl den Römern wie auch den Avaren bekannt — ganz im Gegensatz zu den Bewohnern Englands, zu denen dieses Muster nie gekommen ist. (Dieses Muster stammt aus dem Byzantinisch-Arabischen.) In diesen Rhombenfeldern sehen wir (Edelsteine oder) Glasflüsse eingesetzt. Sie sind im Laufe der Jahrhunderte z. T. verlorengegangen, haben sich jedoch auf dem ödenburger Kelch ursprünglich gleichfalls befunden. Das ist keine Eigenheit der Werkstätte allein, sondern ein Rückgreifen auf die Zeit, als die Ostgermanen in der Ebene saßen. Dieser „Farbschmuck" ist schon am Schmuck hunnischer Fürsten in ungarischen Brandgräbern gefunden worden. Der indische Almandin kam auf der großen Karawanenstraße von Indien als sehr beliebter Import, weil er die notwendige Ergänzung zum Gold, das die Königswürde symbolisiert (Symbol des gött lichen Lichtes), bildete. Dies galt auch in vollem Umfang in Byzanz, ja dort entstand das Vorbild. Man muß also nicht unbedingt Zibermayr folgen, doch bringt er die einleuchtendste Erklärung. Ob nun Smaragde, Rubine, Saphire und Bergkristalle am Kelch verwendet wurden, oder nur Glas flüsse, das entscheidet nicht die Frage nach der Anregung. Freilich hat es farbige Steineinlagen auch im Iran gegeben, sie verbanden sich mit der antiken Metalltradition. Der „Farbschmuck" ist jedoch bei den Germanen so beliebt geworden, daß man am ehesten das Richtige trifft, wenn man hier an die Übernahme ostgermanischer Vorbilder denkt. In der allgemeinen Auffassung reihte sich: Irischer — angelsächsischer — „Nord see-Kreis" — vorsyrische Künstler in Nordeng land — wie vor südskandinavischen, avarischen und byzantinischen (ostmediterranen Kreis) (Haseloff). Wenden wir uns nun dem „L ei stenwerk" zu, jenen Umrahmungen, die dazu bestimmt sind, die später eingesetzten Bilder Christi und der Heiligen gleichsam wie Fensterrahmen zu umgeben, sie so zu unterstreichen, jedoch auch zu isolieren — nicht anders als der Zaun um die Krippe, die wir ihn auf langobardischen Reliefs sehen (Cividale, Zara). Dabei wird in germani scher Vorstellung der Zaun von dem heiligen Bild so wie das Bild vom Zaun in seiner Heilig keit gesteigert (27). Zwar ist das Leistenwerk in seinem Bandwerk reich verflochten, trotzdem stammt es aus dem östlichen Mittelmeer (Syrien) und wurde über die spätantike Folklore den bis her in Holz denkenden Germanen bekannt. Ar beiten langobardischer Steinmetze kennen wir gerade in unseren Alpen (nach neuerer For schung auch wesentlich nördlicher) in zahlreichen Beispielen. Die reiche Verflechtung muß jedoch noch lange kein Beweis für eine nordische Grund haltung sein. Flechten und Flechten sind — wie wir zu zeigen haben — eben nicht das gleiche! So sehen wir in Nordspanien etwa in S. Domingo

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