OÖ. Heimatblätter 1976, 30. Jahrgang, Heft 3/4

von Anfang an in Böhmen, Mähren und Ungarn keineswegs leicht zu halten. Die Zeit der Mög lichkeit, mit der Christianisierung auch eine Ger manisierung durchzuführen, war endgültig vor bei. Die primärbairischen Siedler in Österreich verhinderten aber nicht nur die Vereinigung der Nord- und Südslaven, sie bildeten auch den zen tralen Ausgangspunkt für ein Großreich, das schon aus seinem frühesten Werdegang befugt war, nicht nur die Fragen des Ostens zu kennen, sondern aus dieser (oft blutigen) Kenntnis die vielen Ostvölker innerhalb seiner Grenzen bei all ihrer Verschiedenheit zu führen und dies nicht nur unter Prinz Eugen, sondern noch bis Conrad von Hötzendorf. DIE ZÜGE DER BAIERN (siehe Kartenskizze) BIS ZUR ENDGÜLTIGEN LANDNAHME fin den zwischen 1200 v. Chr. bis 568 n. Chr. (Süd tirol) statt. Als Neurer beginnen die Skythen aus dem Weichselraum gegen Osten zu ziehen (ca. 543). Vielleicht unter dem zunehmenden Druck der Nordgermanen, die seit mindestens 1200 V. Chr. vom Festland und der Insel Gotland herüberkamen. Etwa ab 800 v. Chr. kamen die Skiren, etwa ab 650 werden sie die Nachbarn der Goten. Etwa ab 300 v. Chr. ziehen die Bastarnen als erste der großen Gotenwanderungen los. Von der chinesischen Grenze kommt wieder ein „Skythenstamm" (Rozolanen) an das Schwarze Meer zurück, wo sie auf die dort schon seit 200 V. Chr. wohnhaft gewordenen Peukiner, wie jetzt die von der Ostsee gekommenen Beastarnen heißen (nach der Insel Peuke), stoßen. Zihermayr hat die Bajabucht als namengebend für Baiern angesehen. Von den schließlich drei Gruppen der Peukiner sollte sich die westliche im Laufe der Jahrhunderte als die bedeutendste erweisen. Sie ist für das Werden der Baiern die tragende Gruppe, die am weitesten wandert. Neben Völ kern wie den Herulern möchte man sie geradezu als „sanft" bezeichnen. Stets suchen sie mit den Nachbarn auszukommen, sowohl mit den Römern wie mit den Skythen. Dank ihrer reali stischen Betrachtung der jeweiligen Lage haben sie sich als einziges ostgermanisches Volk durch alle Miseren zu halten vermocht. Sie lernten nicht nur den Großteil Rumäniens kennen, sondern auch Ungarn, wo sie die Skiren als Nachbarn hatten, und Serbien und Slavonien (Istrien). Unter ostgotischem Druck weichen sie endlich nach Pannonien aus. Die Verbindung mit den Langobarden wird so dichter als die mit den Skiren. 489 n. Chr. ist die Enns erreicht, in der weiteren Westwendung der Lech und nach 568 wird der Weg nach Südtirol aufgenommen und Bozen etwa um 600 n. Chr. bairisch. Im Laufe der fast 1800 Jahre finden auch einige Bluts vermischungen statt. Die slowakische Landnahme erklärt vielleicht das besondere Verhältnis der Baiern zum Eisen. DER TASSILOKELCH IM STIFT KREMSMÜNSTER Dieser Kelch (26, 28, 29—35), der im Auftrag Herzog Tassilos und seiner Gattin um 770 bis 780 (?) entstand, ist nicht der einzige Kelch dieses Jahrhunderts. Von keinem zweiten wurde jedoch der Grad seiner Auszier auch nur ent fernt erreicht. Keiner gewann jenen hohen künst lerischen Rang, so daß es keine europäische Kunstgeschichte gibt, die ihn nicht abbilden oder doch rühmlich erwähnen würde. Er ist das stol zeste Beispiel der bairischen Frühzeit, einer Zeit, in der zwar die Völkerwanderung vorüber, die Kunst von ihr jedoch noch auf das stärkste be stimmt war. Was wir von Altbaiern und Avaren erzählt haben, muß genügen, um uns erkennen zu lassen, daß Osterreich nicht erst zur Zeit Prinz Eugens nach dem Osten geschaut hat, daß es vielmehr schon in seinen ersten Wurzeln im Osten verankert gewesen ist. Der eiserne Schmuck der Baiern in der Völkerwanderungszeit bzw. der der Landnahme wird — soweit er dem Tierstil II zugehört — bei seiner Aufhellung zu denselben Fragen und Problemen führen wie der Kelch selbst, denn er stellt innerhalb dieser Materie das reife Ende dar. Daß der Kelch Tassi los nicht nur aus der Betrachtung einer Kultur verständlich gemacht werden könnte und daß überdies auch vom Technischen her sehr viele Arbeitsgänge zusammenkommen, ist für ihn cha rakteristisch. Hier muß man lernen, über das rein Bairische hinaus auch in euro-asiatischen Per spektiven zu sehen. „In der Tat haben die Ger manen durch ihre großen Wanderungen zur Aus breitung der asiatischen Formen das Entschei dende beigetragen, sie sind ihre Träger. Schräg-

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