OÖ. Heimatblätter 1976, 30. Jahrgang, Heft 3/4

die „Drei Grafschaften" östlich der Enns wie auch das bairische Kernland westlich ungeräumt der Ausblutung ausgesetzt. Pannonien wurde ein ungarisches Kernland. Auch das Großmährische Reich fand nach nur 70jährigem Bestand (830 bis 900) sein Ende. Den Baiern gelangen zwar einige Siege — wie am Inn —, doch die Entschei dung fiel erst 955 vor den alten römischen Mau ern von Augsburg auf dem Lechfelde. Dieser entscheidende Sieg Otto d. Großen erlaubte es dem bairischen Volke noch im selben Jahr, die Grenzen im Donautal wieder bis an die Traisen vorzuschieben. Schon 15 Jahre später wurde der Wienerwald überschritten und damit wieder pannonisches Gebiet gewonnen. Abermals 20 Jahre später wurde die Fischa erreicht und zu Beginn des 11. Jahrhunderts die Leitha. Hier blieb die in der weiteren Geschichte heiß umkämpfte Grenze. Hainburg (Heunenburg) wurde laut Nürnberger Reichstagsbeschluß (1050) als öst liche Grenzfestung an der Preßburger Pforte aus gebaut. Nun kamen als Siedler zu den Baiern auch Franken, sogar das nun an der Donau re gierende Geschlecht der Babenberger entstammte nicht den Baiern. Die große Mark Verona und Friaul waren an Baiern gekommen. 20 Jahre später wurde sie mit Kärnten verbunden und dieses von Baiern ab hängig. Schließlich entstand um 1000 die Steier mark und die karantanische Mark, während das Gebiet östlich der Enns allmählich „Ostarichi" — Österreich — genannt wurde. Das heutige Ober österreich, damals vor allem der Traungau, blieb nach wie vor bairisches Kernland. Noch Aventin sagt von Österreich: „Diß volk alles hat sein her kommen aus alten Baiern. Ir sprach, breuch und Sitten sein noch bairisch als alle alten briefe des bezeugen" (Aventins stl. Werke 4/1 1882). Bis in die Tage Kaiser Maximilians I. (gest. 1519), war nicht feststellbar, ob Oberösterreich zu Bai ern oder zu Österreich zu zählen sei. Geschlechter wie die Kuenringer griffen weit in das Wald viertel bis an die Grenze des böhmischen Rau mes (Thaya). Trotz der Siedlungsfeindlichkeit des Mühlviertels überwand man den Böhmer waldrücken und erreichte die Moldau. Die slavischen Stämme (Dudleber) waren nicht in den Wald eingedrungen. Die Böhmerwälder-Baiern jedoch rodeten .aus „Wilder Wurzel" auf jung fräulichem Boden. Niemandem wurde auch nur das kleinste Stück Land weggenommen. Der Nordwald im Mühlviertel wurde erst Jahrhun derte später bescheidenste Lebensbasis. Die Gründungsjahre der Kirchen zeigen deutlich den späten Landnahme-Prozeß. Während die Eindeutschung Karantaniens nörd lich der Draulinie — im großen gesehen — gelang, war nach 1000 eine solche bei den Magyaren bereits völlig ausgeschlossen, allein die Christia nisierung war noch möglich. Sie wurde eine Großtat Passaus. Die Aktivität der Passauer Bischöfe, die ein Stephans-Patrozinium vertra ten, zeigt sich neben unzähligen Pfarren auch im Wiener „Stephansdom" und auch im Namen des ersten getauften ungarischen Fürsten Ste phan, der vom Papst die Krone erhielt. Die Lei stung Passaus wurde historisch durch den Hin weis auf das alte christliche Zentrum in Lorch zu untermauern versucht, wo 304 der heilige Florian den Märtyrertod erlitten hatte. Passau wollte sich als Nachfolger des Bistums Lorch gesehen wissen und konnte so Regensburg den Rang ablaufen. Der Aktivität Passaus entsprang eine Kraft, der wir es verdanken, daß der sich schon anzeigende Einbruch der Ostkirche nicht weiter nach Mitteleuropa ausgreifen konnte. Salzburg hatte alle Hände voll in Karantanien zu tun (Modestus). Die Friauliche Mark war schon längst christianisiert, sie blieb bis ins 15. Jahrhundert ein deutsch geführtes Land. Unsere Klöster hatten dort ihre Weinberge und deutscher Adel bis vor Triest (Duino) seine Schlösser. Dazu trug auch die Tatsache bei, daß die Erzbischöfe von Trient und die Patriarchen von Aquileia (Aglay) erst noch Deutsche waren. Der letzte Patriarch von Aquileia war Berthold von Andechs, der wie Kaiser Friedrich II. und Friedrich der Streitbare durch seinen Tod die große Zäsur unterstrich. Bis um 1250 hatten auch die Langobarden ihre Sprache bewahrt. Die Slaven, die erst im 9. Jahrhundert in den böhmischen Raum kamen, blieben dort und wur den christianisiert, wenngleich Wolfgang von Regensburg Prag half, sich selbständig zu ma chen. Damit wurde eine Situation erreicht, die für die Gestaltung Europas weithin bestimmend war. Die Herrschaft des Deutschen Reiches war jedoch

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