Wiederum sei die recht freie Übersetzung von W. Schenz® angefügt: Endlich wollt die Seelennot Ungarns er als Glauhensbot Wirksam stillen. Da — als Ratisbonas Hirt — Wird vom Kaiser er entführt Wider Willen. Vier (wohl zeitgenössische) elegische Distichen haben die Erinnerung an die Heiligsprechung wie folgt festgehalten': Solis ad occasum est Wolfgangi haec crypta sepulchrum, Quem Leo nonus ad Huna transtulit ipse locum. Et merito in divos retulit, dum tertius una Praesens Henricus tunc quoque Caesar erat. Quinquaginta dies post Christum milleque lapsi Quando anni, Octohris septima luxque fuit. Huius adhuc igitur veneremur honore sacellum, Ut sancta nohis omnihus adsit ope. Die von W. Schenz versuchte Verdeutschung' lautet: Hier die westliche Gruft birgt Wolfgangs heil'ge Gebeine, Welche der neunte Leo ebendahin übertrug. Unter die Heil'gen mit Recht versetzte er ihn, als der Kaiser Heinrich der Dritte zugleich ehrte anwesend das Fest. Tausend nach Christus war's und zweiundfünfzig darüber, Im Oktober genau, und zwar am siebenten Tag; Ständig laßt uns daher sein Heiligtum ziemend verehren. Daß er mit himmlischer Hilf stehe uns allen zur Seit! Schon die Biographen^' Wolfgangs berichten die „Post sex-Legende", die eine Vision zum Inhalt hat, die Heinrich II., dem Schüler des heiligen Bischofs, zuteil geworden sein soll. Er fand sich einmal im Traume am Grabe Wolfgangs und er blickte an der Kirchenwand die Worte „Post sex" (nach sechs), die er als Hinweis auf seinen baldi gen Tod auffaßte. Wir wollen nun der Legende in den Versen Ebernands von Erfurt folgen, der die „Begebenheit" umfänglich in seinem um 1220 verfaßten Leben des Kaiserehepaares Hein rich und Kunigunde beschrieb'^. Er läßt den in einer Vision erschienenen heiligen Bischof fol gende Worte an König Heinrich richten: Sich (schau) vlizic an die want, die dar stet hi mime grabe. Iis die seihen buochstahe, die du geschrieben sihst daranel Nachdem der König die Worte „post sex" ge lesen hatte, dachte er nach, was sie bedeuten könnten: Starke er darnach trabte, den langen tag er ahte Umb also lutzel (klein) worteUn, was ihr bedüten mohte sin. Schließlich glaubte er, die Vision verstanden zu haben: Er wände, er solde wesen tot danne nach den sehs tagen. Die Konsequenz, die der König aus dem ver meintlichen Sinn der Worte zog, war ein Leben der Frömmigkeit: Er begunde sine sunde klagen, er gap almuosen gröz, den armen fulte er iren schdz, er tet swaz er mohte, als ez ime do tobte. Aber nach sedis Tagen, ja Wochen, Monaten und Jahren ließ der gefürchtete Tod („den tot vorhte er sere") immer noch auf sich warten. In der Zwischenzeit war Heinrich auf Grund der stän digen Todeserwartung zu einem vorbildlichen Christen („er hilt sich aber ze gote als e, er tet im dienstes deste me") und Herrscher herange reift, der nach dem Ablauf von sechs Jahren wür dig befunden wurde, die Kaiserkrone zu tragen. Der hier behandelte Stoff hat wegen seines tiefen Sinnes die Dichter noch oft beschäftigt. In einem Kodex des 15. Jahrhunderts (dm 14871) z. B. finden sich die Verse: ® Ebd., 196. Die Choralmelodie zum lateinischen Origi naltext bei Kornmüller, a. a. O., 160 f. ' Schenz, a. a. O., 189. Arnold von St. Emmeram, Liber II de S. Emmeramo, MG SS IV, 556—574; Otloh von St. Emmeram, Vita S. Wolfkangi episcopi, ebd. 521—542. K. Kunze, Post-sex — ein ungedeutetes Spruchband des Woifgangikastens im Linzer Landesmuseum, in: OBGM 11 (1969), 278—281, bes. 279 f. — Zu Ebernand von Erfurt vgl. C. Wesle, in: Die deutsche Lite ratur des Mittelalters, Verfasserlexikcm, hg. v. K. Lan gosch, Bd. 1, Berlin — Leipzig 1933, Sp. 477—480.
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