OÖ. Heimatblätter 1976, 30. Jahrgang, Heft 1/2

waren vorne acht Zähne und links hinten ein Stock zahn erhalten. Die vier vorderen Zähne des Oberkiefers standen sehr weit vor, rechts hinten waren noch zwei Zähne erhalten. Anschließend wurde auch der Sarkophag des Grafen Herberstorff in die Allerheiligenkapelle übertragen. Im Laufe des Tages wurde eine weitere Gruft vom Bagger geöffnet. Sie lag südlich vom Hochaltar. In ihr befand sich der Kupfersarkophag des Grafen Johann Ehrnreich von Seeau, gestorben 1708, wie eine rechteckige Kupferplatte auf dem Sarg bezeugt. An der Wand war eine Bleistiftinschrift: Geöffnet 22. September 1876. Auch dieser Sarkophag wurde gehoben und zunächst in der Vorhalle deponiert. Er war über die Hälfte mit Wasser gefüllt, auch die Gruft zeigte in hellgrauer Verfärbung den Wasserstand an. Die dunkle Verfärbung der Sockelzone und der glit schige schwarze Belag des Bodens stammten also von der Verwesung des Holzsarges in Verbindung mit der Ver wesung des darin liegenden Leichnams. Bei der Hebung der Gebeine wurden als Beweis zahlreiche Sargnägel gefunden. Der Protokollführer: Dr. Benno Ulm, Oö. Landes museum; Zeugen: Pfarrer Josef Putz, Dechant; Doktor Hugo Scheuba, Bürgermeister; Dr. Karl Berger, Gym nasialdirektor." Während der ruhigen Stunden des arbeits freien Wochenendes, Samstag, 30. Juni, und Sonntag, 1. Juli, wurden gemeinsam mit Doktor Wibiral die zutage getretenen Mauerzüge untersucht und vermessen. Es störte uns dabei weder der Lärm der Baumaschinen noch ihr Abgas, das sich bis hoch über den Boden aus gebreitet hatte. Die Herberstorffgruft war in der Mitte des erweiterten Chores angelegt worden und hatte sowohl den Ostabschluß des Erst baues, wie auch der gotischen Kirche zerstört. Sie hatte eine lichte Breite von 3.50 m und eine Länge von 3.70 m. Sie war mit einer Quertonne gewölbt; die innere Höhe betrug 1.65 m. Der Eingang zum Cruftraum, der mit einer dünnen Ziegelmauer nach innen verschlossen war, und der Abgang, den große Findlingblöcke ausfüll ten, hatte eine Breite von 90 cm. Die Schub raupe, die beim Vorwärtsfahren den Schutt zusammenschob, beim Rückwärtsfahren aber den Boden aufriß, hatte das Gewölbe, über das sie vielmals gefahren war, so stark beschädigt, daß sie beim nächsten Vorwärtsfahren in die Gruft und auf den Sarg gestürzt wäre (siehe Abb. 1 u. 2). Dabei legte sie die Schichten über der Gruft frei und es zeigte sich, daß bei der Neupflasterung des Chorraumes der Scheitel des Gruftgewölbes nur um zwei bis drei Zentimeter verfehlt worden ist. Über dieser so schwachen Mörtelschicht lag die Bettung für das Pflaster von 1900. Da eine südlich des Hochaltares gelegene Gruft des Stadtpfarrers von Gmunden, Graf Johann Ehrnreich von Seeau, die Bleistiftinschrift trug: Geöffnet 22. September 1876, und weil um 1900 die Herberstorffgruft nicht gefunden werden konnte, nahm man mehr als 70 Jahre lang an, der Graf wäre nicht in Altmünster beigesetzt worden. Als groben Irrtum erwiesen sich aber die Rück schlüsse bei der Öffnung des Sarkophages am 2. Juli 1973. Die Annahme, der Graf wäre ermordet worden, ist sowohl durch zeitgenös sische Nachrichten, durch die Veränderungen des Leichnams während des Verwesungsprozes ses und durch das gerichtsmedizinische Unter suchungsergebnis widerlegt worden (Abb. 3). Aus meinem Aktenvermerk über die Öffnung des Sarkophages des Grafen Herberstorff vom 9. Juli 1973: „Zunächst wurde der Deckel entfernt und die Bretter des Holzsarges dem Kupfersarg entnommen. Da ich am Kopfende stand, entfernte ich an dieser Stelle die Bretter, die zum Teil zerfielen. Zwei Bretter lagen so über dem Kopf, daß das an der linken Körperseite auf dem Schädel direkt auflag, während das der rechten Seite nur auf dem unteren Brett zu liegen kam. Es war so ein dreieckförmiger Schlitz entstanden, in dem man drei Zähne des Oberkiefers beobachten konnte. Bei der Abnahme des Brettes an der linken Seite entstand an der Auflage stelle des Schädels ein großes Loch, geringfügige Holz reste verblieben noch am Nasenbein kleben. Sofort nach Sichtbarwerden des Loches sprach Dr. Mittendorfer von einer Trepanation, denn das Loch wäre aus der Verbin dung von drei Einzellöchern entstanden. Ich wandte da gegen ein, daß das Loch durch das aufliegende Brett entstanden sei, das bei dem schneller fortschreitenden Fäulniisprozeß auch den Knochen in Mitleidenschaft ge zogen habe. Im Jargon der Ausgräber wird dieses Phänomen mit dem Auftreten und Einwirken von „Humussäure" erklärt. Wahrscheinlich auch durch mei nen Widerspruch gegen die Annahme einer künstlichen Öffnung des Schädels zu Lebzeiten Herberstorffs bewe gen, entwickelte Dr. Mittendorfer nun die Theorie von der Schädelverletzung bei einem Mordversuch. Bei der Entfernung anderer Holzreste wurde verfaulte Knochen substanz bei der Nasenwurzel mit entfernt. Der frische Bruch ist mir noch in Erinnerung. Dr. Mittendorfer be schreibt in seinem Protokoll selbst: ,Bei sorgfältiger Entfernung des Holzstückes geht der Oberaugenwulst rechts und das Nasenbein mit dem darüberliegenden

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