OÖ. Heimatblätter 1976, 30. Jahrgang, Heft 1/2

Das Gesuch, das unmittelbar an den Kaiser gerichtet war und wohl auch persönlich über geben wurde, erhielt zxmächst die Geistliche Hof kommission zur Begutachtung. Dort saßen aber jene Männer, die einige Jahre zuvor mit allem Eifer jene Gesetze formuliert und urgiert hatten, durch die das religiöse Leben so empfindlich ein geschränkt wurde. Außerdem war bei der Erledigung der bischöflichen Beschwerden gegen die kirchlichen Verordnungen des Staates, die genau zur selben Zeit bearbeitet und entschieden wurden, offenktmdig geworden, daß man nicht im geringsten bereit war, vom staatskirchlichen System abzugehen. Sollte nun wegen einer ein zigen Gemeinde das System durchbrochen und in Gefahr gebracht werden? Wie aus dem Gut achten hervorgeht, waren die Mitglieder der Geistlichen Hofkommission dazu nicht bereit: „Da dieses Gesuch mit den bestehenden und höchsten Orts bereits bestätigten Generalien, vermög welcher alle öffentliche, mit so manchen Bedenken verbundene Wahlfahrten abgestellet worden sind, sich nicht vereinbahren läßt, imd eine derlei Ausnahme bei einer Gemeinde nur zu häufigen Exemplifikationen bei anderen den Anlaß geben würde, so kann man dies unterthänigsten Ortes hierauf nicht einrathen, sondern erachtet, daß die Gemeinde mit ihrem unstatt haften Gesuche lediglich abzuweisen sey®." Es überrascht einigermaßen, daß die kaiserliche Entschließung trotzdem lautete: „Den Gemein den, welche derley aus der Fremde hereinkom mende Wahlfartsprozessionen einläuten und einbeten zu därfen, die Erlaubniß ansuchen, kann solche, wenn anders über diesfälligen Verbote in Beziehung auf die eigenen Unterthanen genau gehalten wird, allerdings ertheilet werden^®." Welche Beweggründe standen hinter dieser kai serlichen Entschließung, die vom Thronfolger Franz wegen der Abwesenheit seines Vaters unterzeichnet ist? Wie auch in anderen Fällen nahm Franz auch später als Kaiser auf konkrete Notfälle Rücksicht und erlaubte Ausnahmen von den allgemeinen Gesetzen. Da es sich in diesem Fall um Prozessionen aus dem Ausland handelte, durch die Geld zufloß und der Notstcmd eines Ortes behoben werden konnte, ließ er sich bewegen, von einem Gesetz abzugehen, dessen Problematik durch die vielen Übertretungen ohnehin in Frage gestellt war. Die Erlaubnis, wieder Prozessionen aus Salzburg und Bayern einläuten imd einbeten zu dürfen, wurde über die Landesregierung und das Kreis amt der Gemeinde St. Wolfgang zugeleitet^^. Dadurch nahm die Wallfahrt zum Heiligtum des großen Regensburger Bischofs und volkstüm lichen Heiligen wieder einen neuen Aufschwung, wodurch die arge Not gemildert wurde. Was zimächst nur für die Wallfahrer aus dem Aus land genehmigt wurde, galt ohne Erlaubnis bald auch wieder für die Inländer. Die Notzeit der napoleonischen Kriege zwang den Kaiser, über solche Nebensächlichkeiten hinwegzusehen, um dadurch das Volk, das die Last des Krieges tragen mußte, nicht mißmutig zu machen. Daher ist gerade die Erlaubnis der Wallfahrt für Sankt Wolfgang ein typisches Beispiel dafür, daß die Notlage in der Wende zum 19. Jahrhundert nidit wenig dazu beigetragen hat, die josephinische Gottesdienstordnung in der Praxis zu lockern, wenn auch die Gesetze im großen und ganzen dieselben blieben. Was das Volk im Sprichwort „Not lehrt beten" ausdrückt, war auch das Motiv, um staatliche Einschränkungen aus den Angeln zu heben, die in drastischer Weise in die Gewohnheiten des Volkes eingriffen und im menschlichen Empfinden begründete reli giöse Ausdrucksformen unterbinden wollten. » Vortrag vom 5. 4. 1791. Staatsarchiv Wien, Allgemei nes Verwaltungsarchiv, Altes Kultusarchiv 11 Oö. 156, V. April 1791. 1» Ebd. Sitzungsprotokoll und Dekret an das Kreisamt des Hausruckvdertels vom 23. 4. 1781. Oö. Landesarchiv, a. a. O.

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