OÖ. Heimatblätter 1976, 30. Jahrgang, Heft 1/2

Kaiser Leopold II. und die Wallfahrt nach St. Wolfgang Von Hans Hollerweger Eine der einschneidendsten Verordnungen Josephs II. auf kirchlichem Gebiet war das völlige Verbot der Prozessionen und Wallfahrten außer jenen^ die im Missale Romanum am Markustag, an den drei Bittagen tmd zu Fronleichnam vor gesehen waren. Diese Maßnahme ist als Reaktion auf die Vielfalt barocker Frömmigkeits formen gesetzt worden. Der Mensch der Barock zeit liebte xmd verstand es ja, den Festen des Kirchenjahres und des Ortes ein äußerliches Gepräge zu geben und sie im wahrsten Sinne des Wortes zu begehen. Die beliebten Wallfahrtsorte nahmen einen ungeahnten Aufschwung, von dem jetzt noch die herrlichen Barockkirchen ein Zeug nis ablegen. Mit dem Schwinden der religiösen Tiefe stand das äußere Kleid freilich in der Gefahr, eine seelenlose Schale zu werden, die der Aufklärung genügend Angriffsflächen bot. Die unter Maria Theresia begonnene Einschrän kung der Prozessionen und Wallfahrten wurde im Jahre 1785 durch Joseph II. mit einer Strenge betrieben, die das rechte Maß überschritt, und die man beinahe durchwegs als unerträgliche Härte empfand, die vielfach nur durch die Über tretung des Gesetzes einigermaßen gemildert wurde. Erst Leopold II. lockerte das Gesetz und gestattete den Bischöfen, in besonderen Not fällen und allgemeinen Anliegen Bittgänge auf Verlangen der Gemeinden und nach vorher gehender Anfrage beim Gubernium in nicht zu große Entfernung von der Pfarrkirche zu halten. Man war nach dem Tode Josephs II. auch eher geneigt, Ausnahmen von der Regel zu machen. Diese Chance nützten die Bürger von St. Wolfgangi. Es ist begreiflich, daß der Markt St. Wolfgang durch die kaiserlichen Verbote in arge Mitleiden schaft gezogen wurde. Es war den Seelsorgern nicht einmal gestattet, Wallfahrten von auswärts, vor allem aus dem benachbarten Salzburg und aus Bayern, einzubegleiten und einzuläuten. Es wird in den Akten nicht berichtet, wieviel Wall fahrer dennoch den schönen Ort am Abersee besuchten. Wie aus den Folgen ersichtlich ist, kann es sich aber nur um kleine Reste der früheren großen Wallfahrten gehandelt haben. Der Markt kam in eine wirtschaftliche Notlage, die nach einer dringenden Abhilfe verlangte. In dieser Situation wandten sich die Bürger von St. Wolfgang an den Kaiser. Am 11. März 1791 machten der Richter und Rat der Gemeinde von St. Wolfgang, das dem damaligen Religionsfonds-Stift Mondsee unter stand, an Kaiser Leopold eine Eingabe, die durch zwei Deputierte am kaiserlichen Hof übergeben wurde^. Darin wird erwähnt, daß ihnen bereits Joseph II. eine Abhilfe versprochen hatte, wenn sie beweisen würden, daß der Ort von der Wall fahrt leben müsse. Sie erhielten jedoch keine Antwort. In dieser neuerlichen Eingabe verwei sen die Bürger auf dieses Versprechen und auf die „weltbekannte Menschen- und besonders Unterthansliebe" Leopolds, ohne dessen Hilfe sie dem bittersten Elend ausgesetzt wären. Ihre Bitte war maßvoll, und damit war auch ihre Erfüllung einigermaßen realistisch; Es sollte ihnen nur das Einläuten und öffentliche Einbeten der Wall fahrten aus Salzburg und Bayern gestattet wer den. Es war ja alter Brauch, daß man den Wall fahrten mit der Kirchenfahne entgegenging und mit fliegenden Fahnen und unter Glockengeläute in die Kirche einzog. Als ersten Beweis ihres Begehrens führen die Bürger an, daß der Ort durch den heiligen Wolf gang entstanden sei und von der Wallfahrt gelebt habe, während vorher die Gegend „öd und wüst" gewesen sei. Als Beweismittel legten sie eine Abhandlung über die Entstehung von Sankt Wolfgang und seine Wallfahrt bei®. Darin wird auf eine Schenkungsurkunde vom Jahre 829 verwiesen, durch die Kaiser Ludwig der Fromme dem Abt Landpert von Mondsee einen Besitz am Abersee geschenkt hat, für den kein Name, wohl aber umliegende Wälder und das Recht auf Fischfang und Jagd genannt werden, was als Beweis angesehen wird, daß noch kein Ort vor handen und die Gegend völlig unkultiviert war. Dasselbe wird aus dem Aufenthalt des heiligen 1 Einen ausführlichen Überblick über die josephinische Gottesdienstreform gibt meine Arbeit „Die Reform des Gottesdienstes zur Zeit des Josephinismus in Österreich", die demnächst im Verlag Pustet, Re gensburg, erscheinen wird. ® Oö. Landesarchiv, Archiv der Landesregierung 304. 'Ebd.

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