OÖ. Heimatblätter 1976, 30. Jahrgang, Heft 1/2

„Wolfgangikasten"^, einem ca. 1800 entstande nen Guckkasten mit bemalten Flügeltüren, des sen Inneres krippenähnlich ausgebaut ist tmd sechs Szenen der Wolfganglegende zeigt: 1. Sankt Wolfgang erweckt die Quelle, 2. die Anfechtung durch den Teufel, 3. die Beilwurfszene, 4. die Rast(?) des Heiligen, 5. die Szene am Bußstein, 6. die Auffindung des Heiligen durch den Jäger. „Die Figuren sind spannenlang, haben ausdrucks voll geschnitzte Köpfe und Hände und sind mit Stoff bekleidet. Die menschlichen Figuren und der Teufel sind mechanisch mit unsichtbaren Drähten gesteuert, mittels einer Kurbel beweg bar und unterstreichen durch Nicken und Wen den des Kopfes, durch Bewegen der Arme, ja der ganzen Gestalt, die Vorstellung des vermeint lichen Bildes" (Lipp, 239). Mit diesem ca. 30 kg schweren Kasten, der sich heute dank der Initiative von F. Lipp im Ober österreichischen Landesmuseum befindet, wan derte im vorigen Jahrhundert der Eigentümer von Kirtag zu Kirtag. Mit einer Werbefahne wurde auf die Aufführungen aufmerksam ge macht. Hatte sich schließlich ein Häuflein Zu schauer versammelt, wurden zunächst die Flügel bilder erklärt, dann wurde die Kurbel gedreht und unter Hinweis auf die bewegten Bilder „mit dem Pathos des Jahrmarktschreiers" die Legende erzählt. Beim ersten Bild hatte die Frau des Vor führers in einen eingebauten Trichter Wasser zu schütten, das dann aus der „Quelle" hervor schoß. Versäumte sie es, wurde sie durch ihren Gemahl mit den Worten „Bali, schitt 's Wasser eini!" an ihre Pflicht erinnert, ein Zuruf, der zum geflügelten Wort wurde. In die Nähe des Dramas rückt auch die anläßlich des 900jährigen Gedächtnisses an den Tod des Heiligen komponierte Oratorium von Michael Haller (Op. 52) nach der „Dichtung für lebende Bilder" von Franz Bonn®®. Der Lebensweg des Bischofs wird in sieben Bildern szenisch darge stellt, und zwar im einzelnen: 1. Der Abschied von den Seinen; 2. der Mönch im Klostergarten; 3. die Sorge des Bischofs für die Armen (Brot verteilung); 4. das Quellenwunder; 5. der Ein zug in Regensburg; 6. der Tod in Pupping; und 7. der Heilige in der Glorie. Jedes Bild wird von einer Deklamation und einem Gesangsstück (komponiert von Michael Haller) eingeleitet. Als Beispiel seien die Schlußverse der Deklama tion des 5. Bildes (Rückkehr nach Regensburg) gebracht: Das war ein Jubel unbeschreiblich groß. Als er sich nahte seiner Bischofsstadt. Wie strömten Hoch und Nieder ihm entgegen! Solch ein Empfang ward keinem Herrn zu teil. In allen Augen glänzten Freudenthränen, Die Wolfgang sah'n; ein heller Jubelklang Stieg auf zum Himmel, dessen Gnadenlicht Den heißgeliebten Hirten wieder heim Zu seiner treuen Herde hat gelenkt. Anschließend singt der Chor: Vater Du, nach dem wir riefen. Trauernd aus des Herzens Tiefen, Da du weiltest einsam fern; Da du unser Fleh'n erhörest. Zu den Deinen wiederkehrest. Jubelnd preisen wir den Herrn Benedictus qui venit in nomine Domini, Hosanna in exelsisi Das zugehörige „Lebende Bild" selbst wird wie folgt beschrieben: „Feierlicher Einzug des Bi schofs Wolfgang in Regensburg. Fürsten, Kle rus, Ratsherren und Volk empfangen den Heili gen am Kirchenthor." Die folgenden Ausführungen nach F. Lipp, Der „Wolfgangikasten". Ein neuentdecktes szenisches Figuren theater der Legende vom hl. Wolfgang, in: Festschrift für Gustav Gugitz (Veröffentl. d. öst. Museums f. Volkskunde, Bd. 5), Wien 1954, S. 237—244. Text bei Mehler, Festschrift (wie Anm. 1), S. 387—402. Der Komponist Michael fdaller (1840—1915) war Prie ster. Er wird gelegentlich der „Palestrina des 19. Jahr hunderts" genannt. Für die Prinzipien des Allgemeinen Deutschen Cäcilienvereins schuf er die „schulgerech ten kompositorischen Grundlagen", und den Kirchen chören stellte er „Material für die liturgische Praxis in reicher Fülle zur Verfügung". Er hat sich durch 113 Kompositionen einen Namen gemacht. Vgl. August Scharnagl, in: Die Musik in Geschichte und Gegen wart 5 (1956), 1372 f. Der Dichter Franz Bonn (1830—1894), Mitglied des Münchner Vereins für deutsche Dichtkunst, war von Beruf Jurist. A. Salzer rühmt ihm eine „glänzende Beherrschung der Form und eine höchst musikalische Sprache" nach. Borm lieferte wiederholt die Texte für die Kompositionen Michael Hallers. Zu den Werken Bonns vgl. A. Salzer, Illustrierte Geschichte der Deut schen Literatur, Bd. 3, Regensburg 1927, S. 1381.

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