denn je gewürdigt, zum mindesten aber empfunden wer den. Dies gilt auch für italienische moderne Forscher, wie Claudio Magris und Angelo Filipuzzi. Der große altösterreichische Jurist Anton Freiherr Hye von Gluneck, der übrigens bei den Benediktinern in Kremsmünster studierte, konnte damals mit Recht sagen: „Österreichs Stolz sind seine Justizgesetze." Man ist beschämt, wenn man beim Studium dieses Buches bemerkt, wie wenig man auch als historisch und juridisch Interessierter von der Materie gewußt hat; man ist traurig, wenn man sieht, wieviel weniger noch heute im kleinen Österreich davon gesprochen und in den meisten Schulen gelehrt und gelernt wird; man ist aber um so mehr beglückt und dankbar, daß hier ein wissen schaftliches Denkmal gesetzt und eine bleibende Fund grube geschaffen wurde, aus der eine wieder mehr dem Historischen verbundene spätere Generation reichlich schöpfen kann. Dieser Band umfaßt 791 Seiten, einschließlich der Ver zeichnisse der angeführten Gesetze und Verordnungen, Namens-, Orts- und Sachregister. „Die Habsburgermonarchie und das Problem des über nationalen Staates" behandelt Robert A. Kann (Princeton), das Kapitel „Der Monarch und sein Ratgeber" stammt von Alexander Novotny (Graz), „Die Zentral verwaltung in Cisleithanien" schrieb Walter Goldinger (Wien). Die Autoren der übrigen wertvollen Beiträge sind Ernst C. Hellbling (Salzburg) „Die Landesverwal tung in Cisleithanien", Jiri Klabouch (Prag) „Die Lokal verwaltung in Cisleithanien", George Barany (Denver) „Ungarns Verwaltung 1848—1918", Hodimir Sirotkovic (Zagreb) „Die Verwaltung im Königreich Kroatien und Slawonien", Bela Sarlös (Budapest) „Das Rechtswesen in Ungarn", Werner Ogris (Wien) „Die Rechtsentwicklung in Cisleithanien" und Friedrich Lehne (Wien) „Staats gerichtshof, Reichsgericht, Verwaltungsgerichtshof". Zur Sprachenfrage könnte vielleicht noch darauf hin gewiesen werden, daß der junge Kaiser Franz Joseph I. 1848 in seiner „Einleitung zu dem allgemeinen Reichs gesetz- und Regierungsblatte für das Kaiserthum Öster reich" das Erscheinen in allen landesüblichen Sprachen angeordnet hat, wobei § 1 Abs. 2 besagte: „Die Texte in den verschiedenen Landessprachen sind gleich authen tisch. Den nicht deutschen Texten ist die deutsche Über setzung (in lateinischer Schrift) beizufügen." Die k. k. Ministerien des Inneren und der Justiz (Stadion und Bach), verordneten mit 2. April 1849, daß das Reichsgesetzblatt fortan in nachstehenden zehn Aus gaben zu erscheinen habe: „In deutscher, italienischer, magyarischer, böhmischer (zugleich mährischer und slovakischer Schriftsprache), polnischer, ruthenischer, slovakischer (zugleich windischer und krainerischer Schrift sprache), in serbisch-illirischer Sprache mit serbischer Civil-Schrift, in serbisch-illirischer Sprache (zugleich croatischer) Sprache mit lateinischen Lettern und in romani scher (moldauisch und wallachischer) Sprache." (Die heu tige Jugend kann den betreffenden Text kaum mehr lesen, da er in „deutschen Drucklettern" gesetzt ist.) Der „Ausgleich" vom 8. Februar 1867 fand seinen Nie derschlag auch in der Briefmarke. Die damals gültige Adler-Ausgabe hätte die patriotischen Gefühle der Magyaren verletzen können, ebenso die Wertbezeich nung „Kreuzer", also beeilte man sich mit der Fertig stellung der neuen Briefmarken, die nur das Porträt des gemeinsamen Herrschers Franz Joseph I. aufwiesen; als Wertbezeichnung setzte man „kr" ein, was sowohl „Kreuzer" als auch das ungarische „Krajczar" bedeuten konnte. Wenn das Gesamtwerk „Die Habsburgermonarchie 1848 bis 1918" vorliegen wird, so wird in Verbindung mit dem Erzherzog-Rudolf-Werk „Die österreichisch-ungari sche Monarchie in Wort und Bild" (24 Bände) und mit dem Generalstabswerk „Österreich-Ungarns Letzter Krieg 1914—1918" (einschließlich Beilagen und Register band: 15 Bände) wohl mehr vom alten Reich fest gestellt sein als ein damals Lebender je im Bewußtsein hatte. Nicht als Nostalgie, sondern als Dokumentation. Ein besonderer Vorzug des Werkes ist der Umstand, daß auch die Verhältnisse in Ungarn, Kroatien und Slawonien vor und nach dem Ausgleich von 1867 näher behandelt werden. Damit kommt auch der des Ungari schen nicht Kundige zu einer gerechteren Beurteilung der ungarischen Dinge. „Hungarica non leguntur" hieß es früher in der Doppel monarchie, wie leider auch die Sprachen der 16 Länder Cisleithaniens von den Deutschsprechenden zuwenig ge lernt wurden. Daß die Zentralregierung des König reiches Ungarn 1848 nur 868 Beamte (vom Vorsitzenden bis zum Amtsdiener) zählte, daß ab 1844 das Magya rische als alleinige Amtssprache erklärt und das Latein abgeschafft worden war, daß 1852 das im Geist des Naturrechtes und der Aufklärung entstandene aus gezeichnete österreichische allgemeine bürgerliche Ge setzbuch 1811 in Ungarn eingeführt wurde, sind nur einzelne Gedanken aus der weiten Materie. Daß erst 1853 der Belagerungszustand in Ungarn aufgehoben wurde, gibt zu denken. Auch die Zeit Kossuths lernt man richtiger einzuschätzen. Das Überleben des österreichischen Rechtes und seine Weiterentwicklung in den Nachfolgestaaten ist bisher wohl nur für die Tschechoslowaken in größerem Umfang beachtet und beschrieben worden, zumindest in deutsch sprachiger juristischer Literatur. „Die seinerzeitige Mitwirkung von Vertretern aus ver schiedenen Völkern und unterschiedlichen Rechtskulturen garantierte eine sorgfältige Auslese erprobter und eingelebter Rechtseinrichtungen und Rechtsvorstellungen aus allen Teilen der Monarchie", sagt das besprochene Buch. Mit Berechtigung wird darauf hingewiesen, daß in Alt österreich der Herrscher bei ausgesprochenen Todes urteilen sein Begnadigungsrecht fast immer ausübte. (In dem heute zu Österreich gehörigen Teilgebiet des alten Staates wurden in der Zeit von 1867 bis zur Abschaffung der Todesstrafe von 590 gefällten Todesurteilen nur 30, das sind 5 Prozent, vollstreckt.)
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