OÖ. Heimatblätter 1976, 30. Jahrgang, Heft 1/2

Schrifttum Helmuth Feig!: Reditsentwidklung und Geridiiswesen Oberösterreidis im Spiegel der Weistümer (= Archiv für österr. Geschichte, Bd. 130). Wien 1974 (Verlag der österr. Akademie der Wissenschaften), 195 Seiten, br. S 360.—. Der Verfasser hat sich durch 20 Jahre um die Edition der Weistümer Oberösterreichs, in Österreich auch „Taidinge" genannt, große Verdienste erworben. In der vierbändigen Ausgabe der 365 oberösterreichi schen Weistümer sind solche aus einem halben Jahr tausend, von etwa 1300 bis 1795 enthalten. Das Haupt anliegen der vorliegenden neuen Arbeit ist das Auf zeigen der Veränderungen des Rechtes und des Gerichts wesens sowie der Entwicklungslinie während dieser 500 Jahre. Hiebei liegt der Schwerpunkt im 15., 16. und 17. Jahrhundert und ausschließlich im Bereich der welt lichen Gerichtsbarkeit der Jurisdiktion der „dritten Ebene", sohin vornehmlich für die bürgerliche und bäuerliche Bevölkerungsschicht, letztere besonders unter der Grundherrschaft. Nicht nur den Historiker, auch den Juristen und jeden Staatsbürger interessiert es dabei, daß erst seit rund 170 Jahren in Österreich die Zuständigkeit für jeden strafrechtlichen Fall eindeutig geregelt ist. Früher konnte der Beleidigte oder Geschädigte in vielen Fällen zwischen mehreren Gerichten wählen. Dabei besaß oft jenes Gericht, dessen Organe den Übeltäter fest nahmen, auch das Recht, ihn abzuurteilen und auch oft den nicht geringen materiellen Gewinn aus der Strafe gleichsam als Lohn für die Wachsamkeit einzuheben. Eine Parallele zu dem neuesten österreichischen Straf gesetzbuch, gültig ab 1.1.1975, besteht darin, daß die Geldstrafen eindeutig bevorzugt sind. Heute bemißt man diese, angeblich „sozial" abgestuft, nach Tagessätzen (S 20.— bis S 3000 pro Tag). Die eindeutige Bevorzugrmg der Geldstrafe vor der Freiheitsstrafe wird heute psy chologisch, gesellschaftlich und humanitär begründet; in der Frühzeit der Weistümer nahm man von solchen Begründungen Abstand. Tatsächlich macht heute wie vor 500 Jahren der Staat, bzw. früher der meist adelige Gerichtsinhaber durch die Bevorzugung der Geldstrafen ein doppeltes Geschäft: Er erhält einmal bares Geld und braucht meistens für den Strafvollzug wenig oder lüchts auszugeben. So fließen nach dem neuen Strafprozeß anpassungsgesetz 1974 alle Geldstrafen dem Bunde zu, während sie früher zur Unterstützung bedürftiger Ge fangener bei ihrer Entlassung aus der Haft zweck gebunden waren. Die Weistümer unterschieden nicht zwischen Verfassungs- und Verwaltungsrecht, Straf- oder Zivilrecht, zwi schen streitigen und außerstreitigen Fällen, Polizei- und Verwaltungsstrafen und beschäftigten sich auch mit Ab gaben, Steuern und Gewerbefragen und insbesondere mit Verfahrensfragen auf allen Rechtsgebieten. Erst seit Maria Theresia und Kaiser Josef II. fand die Differen zierung bei uns Eingang. Montesquieu und seine „Tren nung der Gewalten" sind den Weistümern naturgemäß völlig unbekannt. In der Gegenwart gelten allgemeine Gesetze und Ver ordnungen nur dann als gut, wenn sie „modern" sind. Dieser Grundsatz wird der Bevölkerung besonders von den Massenmedien und jenen Personen, welche diese manipulieren, ständig eingehämmert. Bei den Weis tümern, insbesondere der frühen, volksnahen Art, war dies geradezu umgekehrt. Nur was „Uralt Rechts- und Herkommens" war, wurde geschätzt und bei Fragen und bei Vortrag vor der versammelten Gemeinde immer wieder neuerlich wiederholt. Gerade in der Erinnerungs zeit an den großen oberösterreichischen Bauernkrieg von 1626 muß betont werden, daß eine der Ursachen des Bauernkrieges die Mißachtung des „alten Rechts" durch das absolutistische Denken der im römischen Recht ge schulten juristischen Beamten war. Auch der Grundsatz „lex posterior derogant priori" galt durchaus nicht bei den älteren Weistümern. Die Vielfalt der uralten Bräuche in den einzelnen Gemeinden sowie der verschiedenartigen Taidinge be schreibt die vorliegende Arbeit in vorzüglicher Weise. Sie enthält folgende Hauptteile: Die Gerichtsverfassung des ausgehenden Mittelalters und die Reformen des 16. Jahrhunderts; die Gerichtsinhaber; die Gerichtsver sammlung; das Gerichtsverfahren; die Rechtsanweisung, die Aufzeichnung der Rechtsanweisung; die „Er neuerung" der Taidingbücher; die herrschaftlichen „Ord nungen"; Einfluß der landesfürstlichen Gesetzgebung auf Rechtsanweisungen, erneuerte Taidingbücher und herr schaftliche Ordnungen; der Einfluß der Landstände und der Zünfte auf den Inhalt der Taidingbücher; Ähn lichkeit und Kongruenz von Taidingtexten; Analyse der einzelnen Texte; Zusammenfassung der Haupt ergebnisse und Schlußbetrachtung. Besonderen Wert erhält die Arbeit durch die über sichtliche Zusammenstellung der einzelnen Gerichts inhaber (ohne Innviertel). Der Band 130 kann jedermann empfohlen werden, der sich für die hypothetischen Rechtsweisungen und den Kampf zwischen altdeutscher Tradition und dem rezipierten römischen Recht inter essiert. Für die zukünftige Rechtsentwicklung kann man sich die Frage stellen, ob die derzeitige Gesetzesflut, der Reformeifer und die Mißachtung der Gewaltentreimung nicht wieder einen Rückschritt in die oft unsicheren, unlogischen, manchmal sogar chaotischen Verhältnisse mancher Weistümer darstellen. Aubert Salzmann Franz Pisecky; Wirtschaft, Land und Kammer in Ober österreich 1851—1976, Bd. 1: Das 19. Jahrhundert — die Zeit des Liberalismus. Hrsg. v. d. Kammer d. gewerbl. Wirtschaft für Oö., Linz 1976 (R. Trauner), 292 Seiten, 58 Abb., 1 Karte, Ln., S 320.—. Pünktlich zum 120jährigen Bestehen der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich hat Franz Pisecky den ersten Band einer Wirtschaftsgeschichte Oberösterreichs vorgelegt, die eine Fortsetzung des Wer kes von Professor Hofmann, gleichzeitig aber auch eine Geschichte der Handelskammer im ersten halben Jahr hundert ihres Bestehens darstellt. War schon bisher die

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