Franz Liszts Gebetbuch in Privatbesitz in Linz Von Wilhelm J e r g e r Mit 2 Abbildungen im Text Im weitläufigen Nachlaß von August Göllerich in Linz^ befinden sich Dokumente, die bisher zum wenigsten der Öffentlichkeit bekannt wur den^. Dazu gehört auch ein von Göllerich über aus sorgsam gehütetes Stück, nämlich das Ge betbuch von Franz Liszt, das sich im Besitz von Nachfahren Göllerichs befindet. Sowohl Fürstin Sayn-Wittgenstein wie August Göllerich legten dem Gebetbuch große Bedeutung bei, wie aus dem hier erstmals veröffentlichten Briefwechsel hervorgeht. Göllerich gelangte schon während Liszts Lebzeiten in den Besitz von Erinnerungs stücken, Autographen usw. Nach dem Tode hat er sich diesbezüglich noch an Liszts Tochter Cosima Wagner® gewendet, ferner an Fürstin Sayn-Wittgensteins Tochter, Marie Fürstin Flohenlohe^, Henry Thode® u. a. Am 13. September 1886 richtete Göllerich den folgenden Brief an die Fürstin: „Euer Durchlaucht, Hochbeglückt durch Euer Durchlaucht grosse Güte, darf ich mir wol die Bitte gestatten. Euer Durchlaucht wollen meinen ehrerbietigsten Dank für die Widmung der Photographie des lieben Meisters freundlich entgegen nehmen. Dieses Bild ist mir ein theurer Besitz, dessen Wert anzugeben mir nur darm gelänge, wenn ich vermöchte meiner tiefen, unbegrenzten Ver ehrung und Ehrfurcht, mit der ich zu Euer Durchlaucht aufblicke, in gebührenden Worten Ausdruck zu geben. Soeben erhalte ich durch Miszka® aus Weimar die Photographie u. ich beeile mich. Euer Durch laucht zu danken u. die Sache mit dem Gebet buche aufzuklären. Miszka irrt, wenn er schreibt, er hätte mir ein Gebetbuch gegeben, das Meister von Euer Durchlaucht erhalten hat. In meinem Besitze befindet sich nur ein kleines, deutsch lateinisches Gebetbuch, welches Meister — wie er mir wiederholt erzählt hat, seinerzeit vom alten Herrn Pfarrer in Weimar* geschenkt er hielt. Dies bestätigt auch eine am Titelblatte befindliche Widmung von der Hand des Herrn Pfarrers, welches mit seinem eigenen Namens zug lautet: ,memoriam Hohmann, Weimar' Vor 3 Jahren schon war der gute Meister, wenn er das Buch nicht selbst benöthigte, so lieb, mir dasselbe beim Kirchgang immer zu leihen. In den letzten zwei Jahren durfte ich Ihm während Seines Aufenthaltes in Weimar fast täglich früh und morgens u. oft abends bis Er einschlief dar aus vorlesen. Er hat dann immer mitgebetet und es waren einzig schöne Stunden. Oft liess Er mich zwischen der Besorgung Seiner Correspondenz wieder aus diesem Buche lesen, betete die lateinischen Hymnen auswendig u. freute sich, wenn ich, beim Nachlesen den Text immer voll kommen richtig gebetet fand. Bei jedem Gang zur Kirche in Rom u. Pest schlug er mir vorher das betreffende Evangelium in diesem Buche auf u. ich durfte es immer benützen. Die herrlichen Stunden aber wurden mir mit diesem Buche in den letzten Monaten u. Wochen in Sondershau sen u. Dornburg; dort las ich dem theuren Mei ster stundenlang aus dem Büchlein vor u. Er machte mich dabei so wunderbarer Lehren theilhaftig, dass diese mit Ihm allein verbrachten Augenblicke der Erbauung mein köstlichstes ' Vgl. Wilhelm Jerger, August Göllerich, Schüler und Interpret von Franz Liszt, in: Oberösterreichische Hei matblätter, Jg. 26 (1972), S. 23—32. ^ Zu den wichtigsten gehören: Tagebücher von August Göllerich. Daraus wurden veröffentlicht: W. Jerger, F. Liszts Klavierunterricht von 1884—1886, dargestellt an den Tagebuchaufzeichnungen von A. Göllerich. Stu dien zur Musikgeschichte des 19. Jh., Bd. 39, Regens burg 1975 (hier ist zu berichtigen: Seite 13, 1877 Göl lerich inskribiert an der Universität in Wien). W. Jerger, Unbekannte Frauenbildnisse aus dem Nach laß von Anton Bruckner, in: Oö. Heimatblätter, Jg. 27 (1973), S. 165 ff. — W. Jerger, Die Handschriften F. Liszts aus dem Nachlaß von A. Göllerich, in: Die Musikforschung, 29. Jg. (1976), Heft 3. Briefe A. Göllerichs an Mutter und Schwester wäh rend der Studienzeit bei Liszt und Bruckner (unver öffentlicht); Gebetbuch F. Liszts; Tdntenzeug F. Liszts. " Vgl. Brief Cosima Wagners an A. Göllerich, in: W. Jerger, F. Liszts Klavierunterricht 1884—1886 ... S. 152. * Brief von Marie Fürstin Hohenlohe, Tochter von Für stin Carolyne Fürstin Sayn-Wittgenstein, in: W. Jerger, A. Göllerich, Schüler und Interpret von Franz Liszt, Oö. Heimatblätter, Jg. 26 (1972), S. 31. = Henry Thode (1857—1920), Kunsthistoriker, Professor in Heidelberg; in erster Ehe mit Daniela von Bülow, erstgeborene Tochter von Cosima von Bülow, geb. Liszt, verheiratet. ' Krainer (Krajner) Michael, Diener von Liszt, Miszka genannt.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2