OÖ. Heimatblätter 1976, 30. Jahrgang, Heft 1/2

Fast war's fünfte Jahr verflogen. Seit in kühnen Bergpfadbogen Unstet du umhergezogen. Bis die Stätte sich dir fand. Wo du konnt'st beschaulich leben. Ganz dich dem Gebet ergeben, Bittere Reueklag erheben Für der Glaub'gen Seelenstand. Der gleichen Zeit gehört die „Legenda S. Wolfgangi metrice composita" des bedeutenden Mondseer Mönches Hieronymus de Werdea (t 1475)^® an (Cod. lat. Vindob. 3604; clm 4423; clm 4381). In epischer Breite (43 bzw. 44 Strophen) besingt er Leben und Taten seines heiligen Landsmanns (Hieronymus war Schwabe), wobei er sich inhalt lich eng an den Wolfgangbiographen Otloh hält^®. Als Beispiel möge es genügen, den An fang des Gedichtes hierherzusetzen: O pater, alme Deus, Wolfgangi gesta canendo Feliciter mihi fortunam concede secundam! Imprimis dicam tibi, quod genitale solum sit, Quis et uterque parens huius est, narrare licehit. Huna sihi nam genuit Suevorum nohilis arvus, Estque parentela ingenua ac sihi sat generosa, Nec tarnen hic magnis opihus flatuque tumescens; Quem sua dum genitrix grandi gestarat in alvo, Dum pareret stellam legimus sihi apparuisse; Et quid hoc signet, aviter hanc consuluisse, Audit responsum: Fers lumen christianismi, O mulier, magnum, sie dicunt, sors rata fitque. Die deutsche Fassung von W. Schenz lautet®": Vater, hehrer Gott, um Wolfgangs Geschichte zu singen, Gib mir Gnad, mit Erfolg mich gern hiebei unterstützendl Und vor allem nun will ich künden, welches die Heimstatt', Wer und was die Eltern gewesen, mag billig sich anreih'nt Diesen nämlich gebar sich des Schwabengaus edles Gefilde; Ob auch edler, ja adliger Herkunft er sicher entstammte. Wollt' er jedoch nicht großer Besitzung und Anspruchs sich rühmen. Kurz, nachdem die Mutter als Frucht ihn getragen im Schöße, Sei bei seiner Geburt, so liest man, ein Stern ihr erschienen; Emsig habe sodann sie geforscht, was dieses bedeute. Und zur Antwort gehört: „Ein großes Licht für die Christen Trägst du, o Frau, und es wird die Weissagung einst sich erfüllenl" Die Hexameter des englischen Ritters und lateranensischen Grafen James Herlegin, die zugleich ein wichtiges Zeugnis für die Wolfgangvereh rung in der Stadt Regensburg darstellen, werden mit 1471 datiert®!: Hic colitur divus patula pietate sepultus Wolfgangus, quondam qui praesul claruit urhis Istius; et scitur tetras propellere culpas Blando sermone, dans coelice signa palamque In populo; felix ieiunans, iugiter orat Contemplans plorat alto visurus olympo. Emicuit summae virtutis laudihus et tot Imhrihus assiduis, quot spargitur unda per auras, Percussos levi nunc curat sideris ictu, Et miseros claudos, oculorum lumine captos; Milleno Christi sex demtis Spiritus anno Egreditur Uber, aetheris astra petens. Auf Deutsch®!: Hier wird von nah und fern das Grab des hl. Wolfgang Hochgeehrt, so dereinst berühmter Bischof der Stadt war; Weiß man ja, wie er vermocht zu bekehren verhärtete Sünder Durch ein begütigend Wort, und verrichtend himmlische Zeichen Offen vor aller Welt, gern fastend, beständiglich betend. Und betrachtend empor zum Himmel blickend geflehet. Hochgepriesen erstrahlt er ob der Tugend und Wunder, Die stets reichlich gescheh'n, wie die Regentropfen im Luftkreis. Bald half er den nur leicht vom Sonnenstiche Getroff'nen, Bald unglücklichen Lahmen und solchen, die gänzlich erblindet. Endlich 6 Jahre, bevor sich nach Christus 1000 vollendet. Eilt er, vom Leibe befreit, himmlischem Ätherreich zu. Sehr kunstvoll gebaut ist ein Panegyrikus auf den Heiligen, der ebenfalls dem 15. Jahrhundert angehört und wohl der Feder eines St. Emme ramer Mönches entstammt®®. Er ist in Hexame tern mit Binnenreimen abgefaßt. Die Legende klingt hier nur in ganz sublimierter Form an, wie das nachfolgende Beispiel zeigen soll : Nam fuit invitus altaris honore potitus; Prospicit orando, ieiunando, vigilando. !® Zu ihm vgl. P. Lindner, Das Profeßbuch der Benedik tinerabtei Mondsee, Archiv für die Geschichte der Diözese Linz 2 (1905), 147—149. !° Vgl. Acta Sanctorum, a. a. O., 534—536. Schenz, a. a. O., 204 f., vgl. auch S. 206. 2' Ebd., 196 f. Clm. 14870, fol. 59 v; Schenz, a. a. O., 197 f.

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