OÖ. Heimatblätter 1975, 29. Jahrgang, Heft 3/4

Die Vorläufer (von Spartacus bis Fadinger) Von Gertrud Fussenegger Im kommenden Jahr, 1976, jährt sich der Ober österreichische Bauernkrieg zum dreihundertfünf zigsten Male. Das Land begeht das Gedächtnis in feierlicher Weise, nüt nicht geringem Aufwand. Man könnte die Frage stellen: Warum? Von wel cher Seite und aus welchen Motiven wird diesem längst vergangenen Ereignis ein so großes Inter esse gezollt? Ich sehe drei Gruppen mit verschiedenen Moti ven agieren. Die eine erblickt in jeder revolutio nären Aktion, wann immer sie stattgefunden und zu welchem Ende sie geführt hat, einen Vorläufer späterer wirksamerer und damit womöglich auch künftiger Revolutionen. Die Erinnerung an eine lokale Revolte dient dieser Gruppe allemal nur als Beleg dafür, daß schon immer Unmensch lichkeit von Seiten der Mächtigen geherrscht, schon immer Widerstand von Seiten der Unter drückten rege gewesen und sich entladen habe. So soll die Utopie tiefer in der Vergangenheit verankert und damit auch für die Zukunft als notwendiges, weil organisches Ergebnis der Ge schichte empfohlen werden. Eine andere Gruppe hat andere Motive: sie sieht im Aufstand der Bauern ein imposantes Lebens zeichen ethnischer Kraft; dieser Gruppe bereitet es Genugtuung, daß sich im Schoß des Volkes in früher Zeit und unter härtesten Bedingungen un beugsame Gesinnung, Trotz, Entschlußkraft und eine mannhaft redliche Grundsatzhaltung kund getan haben, die — so die hier implizierte Hoff nung — auch heute noch wirksam sind oder in möglichen Zeiten der Not wieder wirksam wer den könnten. Patriotismus kann ja nie darauf verzichten, sich mit historischen Kontexten zu instrumentieren. Früher diente diesem Ziel — wie bekannt — vor allem dynastische und politische Geschichte. Die Anteilnahme hat sich längst ver lagert. Mit der Kultur- und Gesellschafts geschichte rückt auch das Inoffiziöse, Spontane und Elementare in den Brennpunkt des Inter esses. Doch: Inoffiziös, spontan und elementar — genauso präsentiert sich uns das historische Er eignis der Bauernkriege. Und hier haben wir den Punkt, an den die dritte Gruppe anknüpft: das Motiv ihres Interesses an den Ereignissen von 1626 ist nicht in erster Linie politischer, sondern eher ästhetischer Art. Die Saga vom Volksaufstand mit seinen bunten, tur bulenten, dramatischen Episoden hat auch heute noch nicht ihren Reiz verloren. Der stürmische Atem, der jene Tage bewegte, bewegt die Phan tasie auch des modernen Menschen. Der Nachhall des Exemplarisch-Großartigen, das etwa der junge Goethe in den Bauernkriegsszenen seines „Götz" auf die Bühne brachte, ist noch nicht ver klungen: Größe und Elend des Menschen haben sich in diesen Aktionen in urtümlicher Weise kundgetan. Das mythische Modell schimmert durch die historischen Kontexte, und das fascinosum der Geschichte erweist sich wieder einmal mehr als unausschöpfbar. Es ist zu erwarten, daß sich in den Feiern zum Bauernkriegs jähr 1976, in Ausstellungen und Publikationen alle drei Motive ausgiebig formu lieren werden. Ich aber möchte in dieser Arbeit, sofern das in so engem Rahmen möglich ist, auf etwas nodi Allgemeineres hinweisen. Es gibt kaum ein historisches Ereignis von Be deutung, das sich auf dem Feld der Geschichte als Unikat sui generis erwiese. Im Gegenteil, man kann sagen, daß den jeweili gen Ereignissen eine um so größere Bedeutsam keit zugeschrieben werden muß, je öfter ihres gleichen da und dort, an verschiedenen Orten, in verschiedenen Zeiträumen festgestellt werden können. Dann nämlich ist mehr als zufällige Konstellation im Spiel, daim sind diese Ereig nisse Anzeichen allgemeinerer Umstände und tiefergreifender Bewegxmgen. So glaube ich dem Bild des Oberösterreichischen Bauernkriegs (diesem Bild, das eben auch in dieser Publikation von Fachgelehrten noch weiter ausgearbeitet, noch feiner differenziert wird) am besten dadurch dienen zu können, daß ich es vor einen weiteren historischen Horizont stelle, in dem ich nach ähnlichen oder doch vergleichbaren Ereignissen suche, und zwar in weitestem Umkreis und audi entferntesten Zeiten. Wo haben wir sonst noch Revolten dieser Art zu notieren und welchen Verlauf haben sie genom men? Dazu wäre freilich zu überlegen:

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