OÖ. Heimatblätter 1975, 29. Jahrgang, Heft 3/4

Bürger, Schulmeister und Schreiber, Lands knechte und Bauern, Fahrende und Musikanten, Gefolge und Boten, Weiber und Dirnen; dar unter bekannte gesdiichtliche Gestalten wie die Ritter Götz von Berlichingen, Lorenz von Hutten und Wilhelm von Grumbach, der fanatische Bilderstürmer Karlstatt, die Bauernführer Kohl und Metzler. Von den in die dramatische Zeit geschichte verflochtenen Personen wird inuner wieder gesprochen: vom Kaiser und den Kur fürsten, vom Papst, von Luther, von Thomas Münzer, Ulrich von Hutten und Franz von Sickingen. Florian Geyer, der schwarze Ritter, wird in die bewegten Auseinandersetzungen hin eingerissen und geht in ihnen unter. Er muß erleben, wie die Freiheit, deren Fahne er hoch hält, im Namen der Freiheit immer wieder zer stört wird auf beiden Seiten der Kämpfenden. Gegen Ende des vierten Aktes spricht er es selber aus: „Deutschland ist ein gut Land, ist aller Länder Krone, hat Gold, Silber, Brot und Wein genug, zu erhalten dies Leben reichlich. Aber es ist der Zwietracht kein End. Die Pfaffen binden es, die Fürsten zerstückeln es. Aber Pfaffen, Fürsten und Fugger und Welser zehren von seinem Mark. Ich hab gedacht, ich wollt Wandel schaffen. Wer bin ich, daß ich's wagt? Sei's drum: Von Wahrheit ich will nimmer lahn . . Während Götz von Berlichingen, der in Haupt manns Drama keine Glanzrolle spielt, sich von der Bauernschaft lossagt, als sich die Kämpfe zu seinem Nachteil wenden, harrt Florian Geyer aus bis zum bitteren Ende. Er wird förmlich zu einer Märtyrergestalt, die zum Opfertod bereit ist. Er, der in der machtvollen Schlußszene des ersten Aktes symbolisch „der deutschen Zwie tracht mitten ins Herz" gestoßen hatte, wird nun selbst Opfer dieser Zwietracht: Ein Knecht des abtrünnigen Ritters Grumbach fällt feige den schon Todwunden, den einst der humanistische Rektor Besenmeyer im ersten Akt einen rechten Gotteshauptmann genannt hatte, mit dem emphatischen Ausruf: „Ein brennendes Recht fließt durch sein Herz^®." Nun aber jauchzet die Meute: „Sasa! Der Florian Geyer ist tot.®®" Der Dichter hat die Schlußszene symbolisch über höht mit erkennbaren Anklängen an die Hei landsgestalt: „Wen suchet ihr?" fragt der flüch tige Florian Geyer, als er im Türrahmen des Zimmers im Schloß Rimpar den erschrocken Zurückprallenden entgegentritt: „Den Florian Geyer von Giebelstatt." „Der bin ich.. .®^" „Judas! Judas!" schreit er den Verrätern ent gegen. Sein Schwert nimmt Lorenz von Hutten an sich. Dort findet er eingeritzt: Nulla crux, nulla corona — das richtige Wort für den Ein samen und Unverstandenen, der die Mühseligen und Beladenen vor Willkür und Unrecht bewah ren wollte. Hauptmanns Drama war bei der Uraufführung ein Mißerfolg. Man empfand das Stück mit seinem „Vorspiel", das mit Verlesung der „Zwölf Artikel" die Forderungen der Bauern gegenüber ihren weltlichen und geistlichen Herren vor bringt, als zu umfangreich, die Gestaltenfülle als verwirrend, die eigentlichen Geschehnisse als hinter die Bühne verlegt und nur durch Berichte und Botschaften den Zuschauern zur Kenntnis gebracht. Das damals repräsentative literatur geschichtliche Werk von Adalbert von Hanstein „Das jüngste Deutschland. Zwei Jahrzehnte mit erlebter Literaturgeschichte" (1901) urteilt: „Hauptmann hat hier den Helden nicht in seinen Taten, sondern in der Wirkung derselben auf die Umgebung zeigen wollen. Das wirkliche Gesche hen will er erkennen lassen aus dem Rückschlag auf die Stimmung der handelnden Personen. Mit demselben Recht aber könnte man auf einem Bilde einen Eichbaum malen wollen, indem man nur den Schatten malt, den er in einer Mond nacht auf die Wiese wirft. Mit demselben Recht könnte man Goethes Leben schildern, indem man nur aus den Gesprächen seiner Verehrer die Wirkung seiner Werke zeigen würde. Das sind Unmöglichkeiten®®." Im gleichen Sinne schreibt Max Lorenz in seinem Buch „Die Literatur am " Gerhart Hauptmann; Florian Geyer. Die Tragödie des Bauernkrieges. Zitiert nach der Ausgabe in Reclams Universalbibliothek Nr. 7841/42, Stuttgart 1963 (mit einem Nachwort von Fritz Martini), S. 117. " Ebenda, S. 32. Ebenda, S. 145. Ebenda, S. 143. Adalbert von Hanstein: Das jüngste Deutschland. Zwei Jahrzehnte miterlebter Literaturgeschichte, Leipzig 1901, S. 290.

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