OÖ. Heimatblätter 1975, 29. Jahrgang, Heft 3/4

haas" zu gebrauchen — einer Goldwaage gleicht, kann ausarten und seine Verfechter zu Rebellen, Räubern und Mördern machen. Die Polarität eines derartigen Für und Wider kennzeichnet die Dichtungen vom Bauernkrieg: Das Ethos des Rechtes und der Freiheit schlägt um zur gewis senlosen Gewalt, von der Luther meinte, daß es nichts Giftigeres, Schädlicheres, Teuflischeres gebe und daß gegen solches Vorgehen jedes Mittel zu billigen sei. Das brauchte er Fürsten und Herren nicht zweimal zu sagen. In ihren aufgestauten Rachegelüsten haben sie dann die Grausamkeiten der Rebellen noch überboten. So gelten vom Anfang und Ende des Bauernkrieges die Worte, die Gerhart Hauptmann im vierten Akt der Tragödie „Florian Geyer" Rektor Besenmeyer sprechen läßt: „Wie fing sich der Handel so glücklich an und wie fast gewaltig, und wie gehet er gar so kläglich aus!" Aus dem reichen Arsenal der Dichtungen um Ereignisse und Gestalten der Bauernkriege kann nur eine begrenzte Auswahl getroffen werden, wobei mit Goethe begonnen sei. Johann Wolfgang von Goethe (1749—1832) ent wirft während seiner Sturm-und-Drang-Periode in einem Zeitraum von sechs Wochen ein Schau spiel, dessen erste handschriftliche Fassung „Geschichte Gottfriedens von Berlichingen mit der eisernen Hand, dramatisiert" betitelt war und zunächst nur einigen Freunden in Abschrif ten zugänglich gemacht wurde. 1773 erscheint im Selbstverlag des Verfassers „Götz von Ber lichingen mit der eisernen Hand". Am 12. April 1774 erfolgt die Uraufführung in Berlin, 1787 wird das Stück für die Ausgabe der Werke über arbeitet, 1804 besorgt der Dichter die Bühnen fassung für das Weimarer Theater (aufgeführt am 22. September 1804). In dieser Jugenddichtung Goethes ist der Bauern krieg nur ein Ereignis unter anderen. Die An regung empfing der Dichter durch die Lektüre der „Lebensbeschreibung Herrn Gözens von Berlichingen, zugenannt mit der Eisernen Hand, eines zu Zeiten Kaysers Maximiliani 1. und Caroli V. kühnen und tapfern Reichs-Cavaliers", 1731 bei Felßecker in Nürnberg erschienen und von Wilhelm Friedrich Pistorius heraus gegeben. Die historisch keineswegs zuverlässige Biographie dieses Reichsritters (er war 1480 in Jaxthausen geboren und am 23. Juli 1562 auf Schloß Hornberg gestorben und trug die Be zeichnung „mit der eisernen Hand", weil er seine im Landshuter Erbfolgekrieg 1504 verlorene rechte Hand durch eine eiserne Prothese ersetzt hatte) bot nur den äußeren Stoff, den Goethe zu einer dichterischen Welt umformte, wie sie ihm die kraftgenialische Epoche seiner Straßburger Studienjahre vermittelte. Inmitten einer von Zwisten zwischen Fürsten, Bischöfen, Städten und Bauern verwirrten Welt steht Götz als Selbsthelfer in anarchischer Zeit, ein „Mann, den die Fürsten hassen und zu dem die Bedrängten sich wenden", wie Bruder Martin in der zweiten Szene des ersten Aufzuges sagt^. „Es ist eine Wollust, einen großen Mann zu sehn", ruft er ekstatisch aus®, und diese Begeisterung erfüllt auch den Dichter selbst, der das Porträt seines Helden als eine Ehrenrettung versteht, wie aus dem Briefe an Salzmann hervorgeht: „Ich dra matisiere die Geschichte eines der edelsten Deut schen, rette das Andenken eines braven Mannes®. .." Es ist der gleichgeartete Gefühls überschwang, der Goethe beim Anblick des Straßburger Münsters erfaßte, als er seine enthusiastische Abhandlung „Von deutscher Baukunst" niederschrieb, von der „Würde und Herrlichkeit" gotischer Meisterkunst hingerissen. Vom deutschen Mittelalter übertrug jene Gene ration wie bald danach die deutsche Romantik ihre patriotischen Gefühle auf das sechzehnte Jahrhundert, auf die Dürer- und Lutherzeit, welche die „Treuherzigkeit, Rechtlichkeit und Redlichkeit"^ repräsentierte und auch in der ' Um die Auffindung der diversen Textstellen zu erleich tern, wird nicht nach einer der vielen Goethe-Ausgaben zitiert, sondern nach der bequem zugänglichen Einzel ausgabe des „Götz" in Reclams Universalbibliothek Nr. 71 (Stuttgart 1964). Zitierte Stelle; S. 12. ' Ebenda, S. 13. ® Goethe an Johann Daniel Salzmann am 28. November 1771. In: Der junge Goethe, herausgegeben von H. Fischer-Lamberg, Bd. II, S. 69. — Erläuterungen und Dokumente zu Goethes Götz sind übersichtlidt zusammengestellt in dem von Volker Neuhaus heraus gegebenen Doppelband in Reclams Universalbibliothek Nr. 8122/22 a, Stuttgart 1973. ' Goethe: Wilhelm Meisters Lehrjahre, 2. Buch, 10. Kap.

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